09/02/2004
09/02/2004

Domenig und Eisenköck stemmen T-Mobile in den Himmel über der Südosttangente

Von Oliver Elser

Es gibt Projekte, da ist es angemessen, ja sogar notwendig, von einem der Grundsätze der Architekturkritik abzuweichen, der da lautet, dass ein Gebäude erst fertig gestellt und bezogen sein muss, bevor darüber berichtet wird. Es wäre zu schade, nicht jetzt dazu aufzufordern, hinaus nach St. Marx zu fahren und mit eigenen Augen zu sehen, wie sich der große, kantige Körper des Hauses aus den umgebenden Baugerüsten herauslöst. Es braucht den Maßstab der Arbeiter, der Kräne und der Baucontainer, um wirklich zu verstehen, wie gewaltig die Anstrengung ist, ein Haus so kühn in den Himmel zu stemmen.

Aber neigen nicht auch Architekten dazu, sich auf der Baustelle am wohlsten zu fühlen, umgeben von rohen Betonmassen, die ihnen die Kernform, das blanke Skelett des Hauses zeigen? Es gibt ja genügend Beispiele für eine ausgeprägte Rohbau-Fixierung, angefangen bei den "Haut und Knochen"-Hochhäusern eines Mies van der Rohe über die "brutalistischen" Bauten Le Corbusiers (von franz. "brut", also: roh, unbehandelt) bis zu den samtigen Betonkuben Tadao Andos und - ja eigentlich auch bis hin zum Steinhaus, dem Opus Magnum Günther Domenigs. Es ist unmöglich, auf der Baustelle für die T-Mobile-Zentrale nicht an das Steinhaus zu denken.

Doch das wäre eine tückische Referenz. Das Steinhaus ist eine Pretiose, eine mit Sorgfalt und schier unermesslichem Aufwand errichtete Privatangelegenheit, deren Bau sich über Jahrzehnte erstreckt hat und noch immer nicht abgeschlossen ist. Ein gebautes Manifest, wahrhaftig "brut" und ohne Kompromisse. Die waren bei der T-Mobile-Zentrale nicht zu vermeiden. Dort wird der Beton an einigen Stellen in ein Mäntelchen aus Thermoputz gepackt, das beim Dagegenklopfen klingt wie ein leerer Pappkarton, sei es auch noch so viel Beton, der da im Inneren vor der angreifenden Kälte verborgen werden musste.

Aber mit dem Finger in der unvermeidlichen Dämmschicht zu bohren, die von den Architekten gehasst, aber zum Wohle der Allgemeinheit sehr zu Recht gefordert wird, kann nicht die Herangehensweise sein, einem Projekt wie diesem gerecht zu werden.

Das Haus ist zu allererst ein Drama der Baumassen. Davon können sich seit Monaten die Autofahrer auf der Südosttangente überzeugen. Ein niedriger Teil entlang des Rennwegs weicht von der Autobahn zurück, zuckt nach oben, fährt wieder hinunter, vollzieht eine Kehrtwende und stößt dann in Form einer weit in den Himmel ragenden Klippe wieder zur Hochstraße zurück. Das Ganze in Gestalt eines dunklen Bandes, das der Inbegriff einer seriösen Bürokiste sein könnte, wäre es nicht auf höheren Befehl hin derart in Ekstase geraten. Das Band lagert auf gedrungenen Betonfüßen. Nicht bloß aus der formalen Lust heraus, die schwarze Büromasse wie auf Fingerspitzen zu balancieren, sondern auch, weil das Haus im Erdgeschoss so offen wie möglich sein sollte, um dem dahinterliegenden Schlachthofareal als Torgebäude zu dienen. Dies wurde bei der Überarbeitung des Entwurfs zum Teil durch den Wunsch des Bauherren revidiert, hier mehr Büroflächen einzupassen.

Der Durchgang ist nun als breite Schneise angelegt, die den spektakulären, von T-Mobile genutzten Teil von der konventionell gebauten T-Systems-Zentrale trennt. Der Grund für diese auffallende Hierarchisierung liegt in der Geschichte des Projekts. Zunächst, da hieß das Mobilfunkunternehmen noch Max.mobil, ging es darum, lediglich die in Wien verstreuten Büroflächen zusammenzuschließen. Die Firma Architektur Consult, das Gemeinschaftsunternehmen von Günther Domenig und Hermann Eisenköck, wurde mit der Suche nach geeigneten Grundstücken beauftragt. Auch ob es ein Hochhaus oder doch ein Büroriegel werden sollte, war noch offen. Mit der Entscheidung für das verkehrsgünstig an der Flughafentrasse der S-Bahn gelegene Grundstück kam dann auch der Direktauftrag an die Architekten: Die Firmenzentrale plus weitere, frei vermietbare Flächen, an denen dann später die IT-Tochter der Deutschen Telekom, T-Systems, Interesse zeigte. Ein Wagnis, wenn man bedenkt, dass die Architektur Consult bis dahin kein Projekt dieser Größenordnung realisiert hatte. Aber der Vorstand von max.mobil wollte unbedingt Domenig und Eisenköck, und die Architektur Consult war bereit, das Gebäude zu den Kosten eines normalen Bürobaus abzuwickeln. Daran hatte auch der zwischengeschaltete Projektentwickler ein vitales Interesse, denn die beiden T-Unternehmen sind offiziell nur Mieter und die Immobilie müsste im Zweifelsfall auch auf dem freien Markt bestehen können.

Es dürfte auch dem Laien klar sein, dass ein schräges Haus mehr kostet als ein rechtwinkliges, auch wenn es vielleicht wegen der überdurchschnittlichen Architektur etwas höhere Mieten erzielt. Aber es bleibt das Geheimnis der beteiligten Unternehmen, wie sie es geschafft haben. Die Architekten, so viel steht fest, haben daran nichts verdient. Trotz straffen Managements und bei maximaler Verwendung vorgefertigter Elemente, etwa an der Fassade, sind die reinen Planungskosten, also die Zeit, die ein junger Architekt tüftelnd am Computer verbringt und klärt, wie zwei schräge Ebenen zusammenkommen, so immens, dass der Gewinn dabei draufgeht.

Da hilft es auch nichts, dass das Haus trotz seiner mehrfach geknickten Form mit relativ einfachen, horizontalen Büroebenen gefüllt ist und die meisten Fassaden lotrecht stehen.

Gut, auch ein Frank Lloyd Wright war bisweilen so knapp bei Kasse, und da hatte er schon Wegweisendes gebaut, dass er für die seinerzeit enorme Summe von 100 Dollar pro Stunde Entwurfskorrekturen bei weniger begnadeten, aber finanziell erfolgreicheren Kollegen geben musste. Geld haben die wenigsten wirklich guten Architekten, selbst der oft als Turbokapitalist gescholtene Rem Koolhaas war schon pleite. Aber trotzdem bleibt die Frage, was das Gebäude eigentlich jenseits seiner wahrhaftig grandiosen Großform zu leisten imstande ist. Nicht in einem ökonomischen Sinne, also ob es "sich rechnet" (rechnet sich denn der Stephansdom?), sondern ob es in irgendeiner Weise die Architektur voranbringt. Da fiele einem zum Stephansdom doch einiges ein.

Das T-Center hat da weniger zu bieten. Aus seiner Gestalt schlägt kein Funke, der das starke Formwollen der Architekten auf eine andere Ebene hebt und dem Gebäude eine höhere Plausibilität verleiht. Das Haus kann eigentlich kaum etwas, das ein normales Bürogebäude nicht auch bietet. Abgesehen davon, dass es in einigen Büros wegen der schrägen Decken größere Raumhöhen gibt und die Büroflure wegen des unregelmäßigen Baukörpers jeweils unterschiedlich geschnitten sind.

Man erwartet aufgrund der Form einen Mehrwert, doch der Mehrwert ist die Form selbst. Was haben die Architekten der letzten Jahre sich bemüht, um zu zeigen, was ein Bürobau alles sein kann, haben Decken aufgebrochen, Gärten angelegt, ganze Wohnzimmerausstattungen in die Büros verpflanzt, sich an Klimakonzepten totgerechnet und scheinbar immer wieder alles auf den Kopf gestellt. Hier am Rennweg ist davon nichts zu spüren. Da steht nun ein Dinosaurier, der eine glänzende Figur macht, doch das kann unmöglich alles sein. (oel/ALBUM/ DER STANDARD, Printausgabe, 31.1./1.2.2004)

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