22/10/2003
22/10/2003

Sonder-Gemeinderat am 14.10.2003

Der Fall des Hauses Burggasse 15: 25 09 2003

Der Fall des Hauses Burggasse 15: 06 10 2003

Der Fall des Hauses Burggasse 15: 13 10 2003

Beitrag von Hermann Candussi zum Sonder-Gemeinderat am 14. Oktober 2003

Herr Bürgermeister, werte Kolleginnen und Kollegen,

der Fall des Hauses Burggasse 15 beschäftigt uns und unsere VorgängerInnen seit rund einem Jahrzehnt – und das Wort „Fall“ gilt hier wohl im wahrsten Sinn. Dennoch waren es die letzten Wochen, die für viele BewohnerInnen dieser Stadt besonders ernüchternd waren – und das in mehrfacher Hinsicht:

Selten zuvor wurde eine Kette von rechtlichen Entscheidungen getroffen, von denen jede einzelne die Ohnmacht der Verwaltung gegenüber dem offensichtlichen mutwilligen zerstörerischen Potential eines Hausverwalters verdeutlichte, der über Jahre den treuen Erfüllungsgehilfen einer ausschließlich an Spekulation interessierten Besitzergruppe abgab und dessen Vorbereitungen nun ihre Vollendung im Abbruch des Hauses finden. Und ich mag nicht verschweigen, dass ich manche dieser Entscheidungen für äußerst hinterfragenswert halte.

Die Vorgangsweise, die den Verfall des Kommod-Hauses herbeigeführt hat, sollte für die Stadt Graz nichts Neues sein, sie hätte die Stadt nicht unvorbereitet treffen dürfen.

Umso bedauerlicher, dass sich nach den Erfahrungen mit den selben handelnden Personen, die mit der Zerstörung des Palais Trautmannsdorff ihren vorläufigen Höhepunkt – besser sollte man sagen „Tiefpunkt“ – erreicht hatten, nichts Substantielles geändert hat.
Gegeben hat es damals wie heute nichts als Lippenbekenntnisse seitens der verantwortlichen Politik.

Wer in den Gemeinderatsprotokollen die Stellungnahmen der damaligen VerteterInnen der Stadtregierung nachliest, bekommt nahezu deckungsgleich jene Versprechungen und Beteuerungen serviert, die wir auch jetzt seitens der Verantwortlichen immer wieder zu hören bekommen: „Es tut uns ja so unsäglich leid, dass uns die Hände gebunden sind, aber wir geloben hoch und heilig, dass so etwas in Graz nie wieder passieren darf.“
Nun – rund zehn Jahre danach erleben wir ein Dé jà-vu-Erlebnis der grausamen kommunalpolitischen Niederungen.

Dass ich dabei nicht nur die längst fälligen und noch immer fehlenden gesetzlichen Veränderungen meine, sondern auch den noch immer ausständigen Bewusstseinswandel seitens entscheidender VertreterInnen der Stadtregierung werde ich ein wenig später erläutern.

Das Zustandekommen diverser Bescheide bis hin zum für mich absolut fragwürdigen Abbruchauftrag, wird sicherlich einen guten Teil der heutigen Sitzung und einen vermutlich einberufenen Untersuchungsausschuß noch lange beschäftigen.

Insbesondere der Abbruchauftrag, der tatsächlich eine Besonderheit darstellt, wenn man sich vor Augen führt, dass hier eine Behörde quasi von sich aus einen Auftrag zur Beseitigung eines denkmalgeschützten Hauses erteilte – laut Bundesdenkmalamt ein einzigartiger Fall, der ein Schlag ins Gesicht all jener ist, die sich seit Jahren um den Erhalt und die Rettung des Gebäudes bemüht haben, und nun den Eindruck bekommen, von der Stadt im Stich gelassen zu sein. Darüber, also über das „wie alles geschehen durfte“, werden Sie uns heute Rede und Antwort stehen müssen.

Was heute aber unbedingt auch öffentlich diskutiert werden muss, ist der Bereich, den ich mit dem Titel: “Politische Verantwortlichkeit und Handlungsfähigkeit insbesondere des Bürgermeisters“ zusammenfassen möchte.

Auch diesbezüglich waren die letzten Wochen und Tage einigermaßen desillusionierend. Zumindest für alle jene, die meinten, wir hätten hier in Graz einen Bürgermeister. Und zwar einen, der sich nicht nur als „Ober-Magistratsdirektor“ hinter Rechtsmeinungen versteckt, sondern einen, der auf der Basis der Rechtsstaatlichkeit seinen politischen Auftrag und Handlungsspielraum im Sinne der Grazer Bevölkerung wahrnimmt.

Vielleicht ist es angebracht, hier eine persönliche Chronologie einzufügen, die zeigen soll, was ich in den letzten Wochen versucht habe, um die einigermaßen verfahrene Geschichte in eine Richtung zu bewegen, die angesichts des beginnenden Abbruchs wohl für einen großen Teil der Grazer Bevölkerung akzeptabel, wenn nicht gar selbstverständlich gewesen wäre:

Als am Donnerstag, dem 2. Oktober die Firma WEGRAZ mit den Abbrucharbeiten beginnen wollte, traf sich eine Gruppe von Freunden des denkmalgeschützen Hauses und der im Haus angesiedelten Lokale, um einen letzten Rettungsversuch zu unternehmen.
Unmittelbar zuvor waren hektische Verhandlungen zwischen den Pächtern der Lokale und Herrn Dr. Hohenberg an unterschiedlichen Vorstellungen über den Kaufpreis gescheitert. Dabei soll nicht unerwähnt bleiben, dass seitens der Pächter eine Summe von 850.000 Euro für den Kauf der Lokale angeboten wurde. Bei diesem Treffen, von dem ich Tags darauf aus den Medien erfuhr, dass es eine „Hausbesetzung“ gewesen wäre – ich denke die Anwesenden werden die Atmosphäre, die dort herrschte genauso wie ich als durchaus korrekt und bei aller Hektik als friedlich beschreiben – bei eben diesem Treffen konnte ich - alle anwesenden und auch der beigezogene Stadtrat Eisel-Eiselsberg werden das bezeugen können – eine Vereinbarung zwischen den Pächtern und der Firma WEGRAZ anregen, die besagte, dass sich die Abbrucharbeiten zumindest für zwei Tage auf den Dachstuhl beschränken würden, um eine Fortsetzung der Verhandlungen zu ermöglichen. Dies alles geschah mit dem Ziel, eine Lösung herbeizuführen, die den Erhalt zumindest der denkmalgeschützten Fassade und der Lokale „Kommod“ und „Triangel“ im Einvernehmen mit Herrn Dr. Hohenberg sicherstellen könnte.

Gespräche mit dem für die Stadtentwicklung zuständigen Stadtrat Rüsch verliefen durchaus ermutigend, sodass eine für die Stadt sinnvolle und auch finanziell tragbare Lösung in Aussicht kam. Noch am Samstag, dem 4. Oktober informierte mich Stadtrat Rüsch, dass er gemeinsam mit dem Amt für Stadtentwicklung die Vorarbeiten in Angriff nehmen würde, um sowohl mit dem Hausbesitzer, den Pächtern als auch mit dem Bundesdenkmalamt in Verhandlungen zu treten.
Bei all diesen Gesprächen habe ich immer darauf gehofft, dass der Bürgermeister ganz im Sinne seines im Wahlkampf allerorten plakatierten Mottos diese „Chance für Graz“ ergreifen würde, nicht ahnend, dass diesem die „Chance für WEGraz“ offenbar wichtiger war.

Was folgte, war Schweigen. Vielsagendes Schweigen – zumindest aus dem Büro Rüsch.
Und noch vielsagendere Meldungen aus dem Bürgermeisteramt:

„Alles was ich tun könnte, wäre Rechtsbruch,“ hat der aus dem Urlaub zurückgekehrte Bürgermeister uns vor wenigen Tagen sinngemäß über die Zeitungen ausrichten lassen und damit wohl vergeblich gehofft, seine andauernde glänzende Abwesenheit in dieser Causa ausreichend begründet zu haben.

Unter dem Titel: “Durchgesetzt! Abbruchauftrag bleibt aufrecht.“ hat der Bürgermeister bis vor wenigen Tagen auf seiner Homepage das Beharren als persönlichen Erfolg zu verkaufen versucht.

Der Mittwoch, der 8. Oktober wird nicht nur in Kalifornien als „Terminator Day“ in die Geschichte eingehen. Nahezu zeitgleich, als im ehrwürdigen Gemäuer eines Grazer Szenelokals im Beisein des Bürgermeisters auf die Wahl eines Kalifornischen Gouverneurs angestoßen wurde, rückten im Morgengrauen einige Gassen weiter die Bagger zum geplanten letzten Angriff auf das Kommod-Haus an.

Auf meine dort gestellte Frage, was denn die Firma WEGRAZ nun konkret plane, wurde mir von der Vertreterin der Firma bestätigt, dass ich mit meiner Einschätzung nicht so falsch liege, die WEGRAZ werde versuchen, sich im Falle eines nach dem Abbruch angeordneten Wiederherstellungsauftrages an der Stadt Graz schadlos zu halten.
Eine gute Chance – für die WEGRAZ!

Genau dieser Fall – den ich in ungefährer Kenntnis der handelnden Personen jetzt für gar nicht so unwahrscheinlich halte – wäre durch einen entschieden im Interesse der Stadt handelnden Bürgermeister vermutlich abwendbar gewesen.

Genau diese Untätigkeit, die im Lichte diverser anderer Zitate aus dem Mund oder aus dem Büro des Bürgermeisters: „Schwamm drüber…“, „Entfernen wir den Schandfleck…“ oder „Ziehen wir den morschen Zahn!“ zu betrachten ist, genau diese Untätigkeit ermöglichte:

· nicht „nur“, dass mit dem Fall des Kommodhauses der Denkmalschutz im Weltkulturerbe mit Füßen getreten wird,
· nicht „nur“, dass mit dem definitiven „Aus“ für das Kommod und das Triangel mehr als bloß zwei Lokale zerstört wurden – mit Fug und Recht kann man sagen, dass hier Identifikationspunkte der Stadt verloren gehen
· nicht „nur“ mit der Schließung und der nunmehrigen Zerstörung der Lokale eine große Zahl an Arbeitsplätzen vernichtet wurde
· nicht „nur“, dass sich der Öffentlichkeit das Bild einer völlig handlungsunfähigen Stadtregierung bietet
· sondern auch, dass sich die Geschichte mit großer Wahrscheinlichkeit auch noch zu einem finanziellen Fiasko für die Stadt und somit für alle GrazerInnen ausweiten könnte.

Sie, Herr Bürgermeister, werden es den Grazerinnen und Grazern erklären müssen, warum Sie für die Erhaltung von Haus und Lokalen nichts getan haben. Sie werden uns erklären müssen, warum Sie den aufgelegten Ball nicht angenommen haben, um diesen massiven ideellen Schaden rechtzeitig von der Stadt abzuwenden! Und Sie werden uns spätestens dann, wenn Regressforderungen auf die Stadt zukommen werden, erklären müssen, warum Sie in diesem Falle untätig geblieben sind.

Ich verlange von Ihnen nur eines: Behaupten Sie ja nicht, dass Ihnen die Hände gebunden wären. Sie haben ein Verhandlungsfenster, das Ihnen mit unserer Hilfe geöffnet wurde nicht genützt – ich würde sagen, sie haben es sogar zugeschlagen!

Die Berufung auf den Rechtsstaat allein – wohl eine Selbstverständlichkeit – wird Ihnen da nicht genügen, sondern wird als das wahrgenommen werden, was es ist: das Verstecken hinter Paragrafen – und das Verleugnen jeglicher politischen Handlungsfähigkeit.

Ich würde diese Haltung in der Sache ja noch verstehen, wenn ich wüsste, dass Sie auch in anderen Fällen so nicht-handeln würden, doch dem ist ja nicht so.

Wir alle erinnern uns an ein massives politisches Engagement Ihrerseits, als es darum ging, die Haftungsübernahme für hunderttausende Euro für die „inin“ bereitzustellen, die in einer demokratiepolitischen Nacht-und Nebelaktion per Ferialverfügung gesichert wurden.

Sie werden jetzt sicher behaupten, ich würde vom Thema abschweifen – ich kann ihnen sagen, warum ich das hier anführe: weil es das Bild abrundet!

Und genauso rundet es das Bild ab, wenn man erwähnt, wie umtriebig und finanziell großzügig sie als Finanzstadtrat sein konnten, wenn es um „ihre“ Projekte ging: um Lift und Dom, um Uhrturmcafe und – nicht zu vergessen – das Cafe Sacher. Wie viel Geld und wie viel Energie wurden auf Ihr Betreiben in die Ansiedlung des Sacher investiert! – Vergleichen Sie doch Ihre Aktivitäten mit denen, die Sie zur Rettung des Hauses Burggasse 15 unternommen haben.

Und keinesfalls fehl am Platz ist noch ein Verweis auf jüngste Zitate aus Ihrem Mund: Und zwar aus der Kampagne, die Sie gemeinsam mit der Kronenzeitung gegen Menschen machen, die Sie aus der wahrnehmbaren Öffentlichkeit der Stadt vertreiben wollen, weil Sie persönlich diese für „unansehnlich“ halten.

Diese Form der Amtsführung - ich möchte sie als eine bedenklich selektive bezeichnen – ist es, die viele Menschen in dieser Stadt nicht hinnehmen wollen, weil sie einen bitteren Nachgeschmack hinterlässt:

Am Papier ist Graz Kulturhauptstadt Europas,
am Papier ist Graz Menschenrechtsstadt,
am Papier ist die Grazer Altstadt zum Weltkulturerbe erhoben.
Am Papier ist der Bürgermeister verpflichtet, im Sinne der gesamten Stadt und ihrer BürgerInnen zu handeln.
Papier ist geduldig. Die Menschen in dieser Stadt sind es nicht, denn sie spüren zunehmend, dass die Realität eine andere geworden ist: Sie spüren, dass gesellschaftliche Kultur und soziale Werthaltungen, genauso den fragwürdigsten wirtschaftlichen Interessen untergeordnet werden, wie die historische Substanz unserer Stadt Stück für Stück der Spekulation zum Opfer fällt.

Hermann Candussi

Verfasser/in:
Hermann Candussi
"Gastbeitrag"
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+