11/03/2014

Umgesetzte Maßmahmen:
_ Funktionssanierung des denkmalgeschützten Altbaus von 1874/78
_ Totalumbau und Umstrukturierung des Labortrakts von 1967
_ Städtebauliche Aufwertung des Eingangs Sonnenfelsplatz
_ Zentrales Foyer zwischen Alt- und Neubau
_ 600 qm thermische Solaranlage
_ Terrassen und Plattformen im Innenhof

11/03/2014

Freilegte Gewölbe in den Gängen des alten Bautrakts der Chemie

©: Josef Schiffer

Die neue gläserne Brücke: verbindendes Element zwischen Alt- und Neubau

©: Josef Schiffer

Freiflächen mit Holzböden laden zum Verweilen im Innenhof ein.

©: Josef Schiffer

In manchen Perspektiven wirkt der Neubau wuchtig

©: Josef Schiffer

Von der Straßenseite aus gesehen sind die Proportionen stimmig

©: Josef Schiffer

Der großzügige Eingangsbereich am Sonnenfelsplatz beinhaltet eine Barrierefrei-Rampe

©: Josef Schiffer
©: Redaktion GAT GrazArchitekturTäglich

Der letzte Teil der Ahoch3-Reihe Architektur und Energieeffizienz der Grazer Energie Agentur führte diesmal an die Karl-Franzens Universität zum neu adaptierten Chemie-Gebäude, einem Gründerzeitbau mit einer modernen, aber bereits in die Jahre gekommenen Erweiterung. Das ursprüngliche Gebäude aus dem späten 19. Jahrhundert hatte 1967 einen neuen Labortrakt erhalten, der inzwischen ebenso wie der Altbau dringender Sanierung und Modernisierung bedurfte. Dabei mussten nicht zuletzt zahlreiche Herausforderungen des Denkmalschutzes gemeistert werden.

Unter dem Titel Alte Liebe rostet nicht – Sanierung denkmalgeschützter Gebäude präsentierten am 25. Februar DI Alois Murnig vom Landeskonservatorat Steiermark des BDA und DI Arch. Gerhard Wallner von Domenig & Wallner ZT GmbH ihre einleitenden Überlegungen zu dem Sanierungsvorhaben. DI Murnig schilderte verschiedene anschauliche Beispiele für das Spannungsfeld zwischen moderner Architektur und Denkmalschutz. Die regelmäßige Nutzung, wie eben bei Universitätsgebäuden, steht seiner Meinung nach im deutlichen Gegensatz zum reinen Denkmalcharakter anderer historischer, musealisierter Bauwerke, betonte Murnig. Eine „Kultur der Reparatur“ mit sehr vorsichtigen Eingriffen sei erforderlich, um einen Verlust an Qualität in der historischen Bausubstanz zu vermeiden. Die Umsetzung von effektiven Energiemaßnahmen in denkmalgeschützten Gebäuden erfordert einen sensiblen Umgang mit der vorhandenen Substanz. Aus dieser Überlegung heraus dient der ältere Trakt der Chemie zukünftig in erster Linie repräsentativen Zwecken, während sich die modernisierten Labore im neuen Gebäudeteil befinden. Die Erfahrungen mit energetischen Sanierungen von denkmalgeschützten Gebäuden zeigen, so Murnig, dass durch Sanierung mit sparsamen Eingriffen immerhin schon rund 50 Prozent des Wärmebedarfs eingespart und Verbrauchs-Kennzahlen von rund 100 kWh/m2 per Jahr erreicht werden.

DI Wallner schilderte im Detail das Vorgehen der Domenig & Wallner ZT GmbH beim Chemiegebäude der Karl-Franzens-Universität, das im Anschluss besichtigt wurde. Im Jahr 2009 wurde beim Wettbewerb der Entwurf seines Büros mit dem 1. Preis ausgezeichnet, und wurde in den folgenden Jahren geplant und realisiert. Der eigentliche Baubeginn erfolgte im Jahre 2011 und dauerte bis Jänner 2014; die ursprünglich veranschlagten Gesamtkosten zwischen 24 und 27 Mio. Euro wurden dabei im Endeffekt mit 21,6 Mio. Euro erfreulich deutlich unterschritten. Die Grundaufgabe bestand in der Funktionssanierung der Bestandsgebäude (Modernisierung der Labor-Infrastruktur) sowie der Herstellung weitgehender Barrierefreiheit. Die Fassade zum Sonnefelsplatz und die dortige Eingangssituation sollten eine städtebauliche Aufwertung erfahren. Zwischen Alt- und Neubau wurde ein zentrales Foyer als Aufenthaltsbereich geschaffen. Im Innenhof laden bei schönen Wetter mehrere mit Holzbelägen ausgestattete Terrassen und Plattformen zum Aufenthalt im Freien ein. Die Labor- und Büroflächen der vier Fachbereiche wurden zu abgeschlossenen Institutsverbänden zusammengelegt. Zusätzlich wurden die Verwaltungsbereiche möglichst zentral angeordnet, um die haustechnischen Anlagen konzentrieren zu können.

Die behutsame Sanierung genoss beim historischen Chemiegebäude oberste Priorität, da es das Ziel war, den Originalzustand des Altbaus aus dem 19. Jahrhundert (1874/78 von Architekt Karl Stadler) weitgehend wiederherzustellen, wenn auch Konzessionen an Sicherheit und Bequemlichkeit der heutigen Nutzer berücksichtigt werden mussten. Bei beiden Bauteilen wurde durch neue Brandabschnitte, die Installation von Brandmeldern und Einrichtung optimierter Fluchtwege der Brandschutz auf den letzten Stand gebracht. Erdgeschoß und Keller des Altbaus sind über eine Rampe und das erste Obergeschoß über einen Aufzug barrierefrei erreichbar. Die Erschließung des Zubaus ist ebenfalls über eine Rampe und einen Lift barrierefrei möglich.

Während der Altbau seine historische Erscheinung behalten bzw. sogar wiedergewinnen konnte, wurde der moderne Zubau komplett entkernt und anschließend ausgebaut. Im Zuge dieser Arbeiten wurden nicht nur gesundheitsgefährdende Materialien beseitigt, sondern durch das Entfernen hängender Decken sowohl die Gewölbe von Gängen im alten Gebäudeteil freigelegt wie auch die Laborräume im neuen Trakt höher und luftiger mit Einblicken in die Gebäudetechnik gestaltet. Das Resultat ist nach außen hin für den Blick des Betrachters eine architektonisch äußerst gelungene Kombination aus dem Altbestand mit Neorenaissancefassade mit einem modernen Glaszubau.

Im Rahmen der Besichtigungstour war es den rund dreißig TeilnehmerInnen möglich, das gesamte Objekt von den haustechnischen Anlagen im zweigeschoßigen Keller bis hinauf zur beeindruckenden Solaranlage am Dach zu besichtigen. Ergänzend zu den Ausführungen von DI Wallner erklärte Dr. Robert Walle, als zuständiger Projektleiter vom Landeskonservatorat Steiermark, die denkmalschützerische Aspekte und weitere interessante bautechnische Details des Projekts. Wie Wallner ausführte, sieht das räumliche Konzept vor, dass Raumnutzungen mit hohen gebäudetechnischen Anforderungen (Labore) im modernen Zubau untergebracht sind, während sich im historischen Altbau in erster Linie Büro- und Verwaltungseinheiten befinden. Die haustechnischen Einbauten im historischen Altbau konnten so gering wie möglich gehalten und wertvolle Bausubstanz bewahrt und sichtbar gemacht werden.

Die Wärmeversorgung des Gebäudes erfolgt wie überall auf dem Universitätsgelände mittels Fernwärme. Zudem wurde auf dem neuen Trakt des Chemiegebäudes eine 600 qm große thermische Solaranlage installiert. Die mit ihrer Hilfe gewonnene Energie wird einer Absorptionskältemaschine (105 kW) zugeführt und für die Kühlung der Büros und Labors im Zubau verwendet. Überschüssige Energie aus dieser thermischen Solaranlage wird über eine Nahwärmeleitung für die am Sonnenfelsplatz direkt gegenüberliegende Uni-Mensa nutzbar gemacht. Die gesamte Haustechnik wird fernüberwacht und online visualisiert. Bautechnisch und energietechnisch relevant ist im Zubau das vorgehängte Fassadensystem mit hoher Wärmedämmung, die eine großflächige Verglasung ermöglicht. Im Altbau sind die bestehenden Fenster aus den 1970er Jahren saniert und abgedichtet worden. Die Haustechnikzentrale wurde im Kellergeschoß und im Dachgeschoß des Zubaus untergebracht, nur die Lüftungszentrale für die Räume des Altbaus liegt im freien Dachraum des Altbaus. Die Abluft der 140 Digestoren und der sonstigen Räume wird zentral zusammengeführt, die höhere Temperatur der Abluft wird über Wärmetauscher zur Vorwärmung der Zuluft genutzt.

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