25/09/2012

Am Podium waren:
Matthias Horx, Trend- und Zukunftsforscher
Dr. phil. Gabriele Sorgo, Privatdozentin für Kulturgeschichte
o. Univ.-Prof. Mag. arch. Roland Gnaiger, Architekt, Professor Kunstuniversität Linz
Mag. Hans Holzinger, Nachhaltigkeitsforscher
Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen, Salzburg
Moderation:
Dr. Peter Huemer, Journalist und Historiker

25/09/2012

Auf dem Podium (v.li): Gabriele Sorgo, Matthias Horx, Peter Huemer, Hans Holzinger, Roland Gnaiger.

©: Michael Baumgartner

Resümee der Podiumsdiskussion der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten vom 17. September 2012, Erste Bank Event Center Wien.

Ästhetik, Intelligenz, Lebensstile, Politik, Ressourcenknappheit: Die Anknüpfungspunkte an die kulturelle Dimension der Nachhaltigkeit waren sehr unterschiedlich. Flexible Begrifflichkeiten prägten die 13. Veranstaltung der Podiumsdiskussionsreihe der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten.

Roland Gnaiger, Architekt und Professor an der Kunstuniversität Linz, geht von der Architektur aus. Er brachte die Frage nach der ästhetischen Komponente der Nachhaltigkeit in die Diskussion ein. Nachhaltigkeit und Ästhetik gegeneinander auszuspielen sei „absurd, ahistorisch und gänzlich fantasielos“. Jedoch bedürfe nachhaltiges Bauen Intelligenz und Begeisterung, um sich durchzusetzen. Dazu sei ein spezifisches Kulturverständnis nötig: Kultur sei weder Event noch Draufgabe, sondern Fundament und implizite Qualität allen Tuns.

Für Gabriele Sorgo, Privatdozentin für Kulturgeschichte, ist Nachhaltigkeit eine Frage des Lebensstils. Lebensstile seien symbolische Formen. Sie beruhten auf Entscheidungen, die auf Basis kulturell gültiger Werthaltungen getroffen werden. Die kulturelle Dimension sei somit der Überbau aller ökonomischen, sozialen und ökologischen Entscheidungen. Nicht der Kauf von Bioprodukten löse Probleme, sondern nur die Änderung des Lebensstils. „Wir leben in einer konsumistisch orientierten Kultur mit einem profitorientierten Wirtschaftssystem“, so Sorgo. „Alle Probleme sollen durch den Kauf einer weiteren Ware gelöst werden. Die Steigerung der Produktion soll der Weg zum Glück sein.“

„Souverän ist nicht, wer viel hat, sondern wer wenig braucht“: Der Nachhaltigkeitsforscher Hans Holzinger fordert eine Kultur der Verantwortung. Dabei nimmt er auch die Politik in die Pflicht. Politische Rahmenbedingungen seien notwendig für die Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung. Drei Konstrukte stünden einem Wandel im Weg: Ressourcenknappheit, wie sie vermittelt und künstlich erzeugt wird, die Illusion einer stetigen Wachstumsgesellschaft sowie die Vorstellung materiellen Wohlstands für alle. Holzinger fordert neue Messwerte abseits des BIP.

Zum Stichwort Messbarkeit ergänzte der Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx: Die Welt sei kein geschlossenes System, messbare Werte würden zunehmend relativ. Horx kritisiert die inflationäre Verwendung des Begriffs Nachhaltigkeit, der immer mehr zum reinen Marketing-Begriff verkomme. „Drei Begriffe, die besser wirken als Nachhaltigkeit: Komplexität, denn komplexe Systeme sind immer ressourcenschonend und effizient; Effizienz und dadurch die Möglichkeit zu vergleichen; und Resilienz.“ Ein resilientes System sei wandlungsfähig und richte sich an neuen Bedürfnissen aus. Der Stephansdom sei somit kein nachhaltiges Gebäude.

Nachhaltigkeit durch Strukturwandel?
In Anbetracht der Schwierigkeit, Nachhaltigkeit eindeutig zu definieren, fragte Peter Huemer nach: Beschreibt Nachhaltigkeit lediglich materielle Komponenten? Nachhaltigkeit habe mit Ressourcen zu tun und auch mit deren Knappheit. Jede Zeit habe ihre eigenen technischen Möglichkeiten, und Technik könne als Substitut für einen sich verknappenden Rohstoff dienen. „Nur mit Technik wird das Problem nicht gelöst werden“, meinte Sorgo. Die Diskutanten waren sich einig, dass eine nachhaltige Entwicklung in der Architektur nur mit einem Nutzungswandel einhergehen könne. Als Beispiele wurde die Umwidmung von Industriebauten und Kirchen angeführt.

Nachhaltigkeit versus Schönheit
Ein wiederkehrendes Thema in der Diskussion mit dem Publikum war, dass sich Schönheit nicht vom Begriff der Nachhaltigkeit trennen lasse. Schönheit sei kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Gnaigers Erfahrung nach hat ein gespendetes Haus in einem Krisengebiet eine funktionale Bedeutung. Hat das Haus eine ästhetische Dimension, dann steht es als ein Zeichen von Respekt und schafft Freude. Die Schönheit der gebauten Umwelt hat einen positiven Effekt auf mehreren Ebenen: sie entscheidet, ob sich Menschen wohl fühlen oder nicht. Huemer schließt aus der Diskussion, dass die Bildungsfrage eine zentrale Rolle spielt, um einen Wandel zu bewirken für das ökonomische Überleben einer Gesellschaft müsse der kulturellen Aspekt in der Nachhaltigkeitsdebatte berücksichtigt werden.

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