04/07/2012

ISG Symposium 2012

Die umworbene Stadt

Veranstalter der internationalen Konferenz für Denkmalpflege, Baukultur und Werbung sind das Internationale Städteforum Graz (ISG), die Stadt Graz, TU Graz, das BMUKK sowie die Landesimmobiliengesellschaft LIG.

Eine Zusammenfassung der Beiträge erhalten Sie in Kürze auf Anfrage im ISG-Büro.

04/07/2012

Den Auftakt der Veranstaltung bildete eine Führung durch die Werbelichter des abendlichen Graz.

©: Andreas Ledl

Gruppenbild der Referenten sowie Vertreter der Stadt Graz und des Internationalen Städteforums.

©: TU Graz - Fakultät für Architektur

Eine lebhafte Diskussion zu Werbeflut in der Stadt führten Hansjörg Luser, Eva Klein, Robert Ebner, Katharina Scherke, Heimo Lercher und Peter Strasser.

©: Josef Schiffer

Das Publikum beteiligte sich rege an dem Gedankenaustausch

©: Josef Schiffer

Die Exkursion nach Maribor ermöglichte einen Blick auf die Vielfalt kultureller Initiativen dieser Stadt.

©: TU Graz - Fakultät für Architektur

Analog zum vergangenen Jahr mit dem Schwerpunkt „Denkmalschutz und Tourismus“ griff das diesjährige 3. Internationale ISG Symposium des Internationalen Städteforums Graz mit der „umworbenen Stadt“ wiederum ein brisantes Thema auf. Die vielgestaltige, oft grell Aufmerksamkeit heischende Werbung im öffentlichen urbanen Raum, insbesondere in ihrer fragwürdigen Wechselwirkung zu den denkmalgeschützten Bereichen der Altstädte, sorgt seit über hundert Jahren immer wieder für heftige Kontroversen. Von 21. bis 23. Juni tagten, zahlreich besucht von Fachpublikum und Interessierten, hochkarätige Experten aus dem deutschsprachigen Raum und Slowenien zu Themen rund um mehr oder minder gelungene Beispiele, restriktive Maßnahmen seitens der Kommunen sowie die sensible Verträglichkeit des UNESCO-Weltkulturerbestatus mit kommerziellen Interessen.

Eine Intervention in den öffentlichen Raum zum Themenfeld Werbung im urbanen Raum schilderte zum Auftakt Christoph Steinbrener von der Künstlergruppe Steinbrener/Dempf. Mit der Aktion „Delete!“ wurden 2005 in der Neubaugasse (nahe Mariahilferstraße in Wien) alle Werbeschilder und -Plakate in Gelb verhüllt, um visuell erfassbare Werbung aus den urbanen Begegnungszonen auszublenden. Weitere ähnliche Aktionen wie Copy und Paste“ – Werbung, Firmenlogos und PR-Affichen wurden hier kontextuell verschoben und beabsichtigt falsch platziert – des Duos erfüllten ebenso erfolgreich ihre Funktion, den Einfluss kommerzieller Symbole im städtischen Alltag bewusst zu machen.

Bertram Werle, Stadtbaudirektor und UNESCO-Welterbebeauftragter für Graz, verwies auf die zahlreichen, nicht konfliktfreien Selbstdefinitionen von Graz als Tourismusstadt, Kulturhauptstadt, Wirtschafts- und Messestandort, UNESCO Weltkulturerbe, Universitätsstadt, City of Design, radfahr- und behindertengerechte Stadt, nicht zuletzt als Architekturstadt mit hoher Baukultur etc. Dabei ist die visuelle Reizüberflutung in Graz weit über dem Durchschnitt: „Während auf 100 Einwohner in Zürich 0,2 bzw. in Wien 1,5 16-Bogen-Plakate kommen, sind es in Graz rekordverdächtige 2,88 Einheiten.“ Als negative Beispiele dienen die dichten Beflaggungen u.a. in der Herrengasse, die zu bestimmten Zeiten ganze Gebäudefronten wie das Landhaus vollständig abdecken. Dazu kommen die teils irritierende Formatvielfalt sowie die zahllosen Dreiecksständer, die sich als veritable Hindernisse für Fußgänger herausstellen. Hier ist die Stadt (die selbst im Werbebusiness – Ankünder – aktiv ist) gefordert, auch im Interesse der Erhaltung öffentlichen Raumes insbesondere in der Altstadt regulierend einzugreifen.
Über die Veränderungsprozesse in deutschen Städten, insbesondere der Ex-DDR, referierte Dietmar Kreuzer (Berlin): „Diese münden oft in ein kontraproduktives Kräftemessen zwischen Bauämtern und Werbewirtschaft.“ Ein historischer Rückblick auf die urbanen Zentren der Zwanziger Jahre machte die historische Dimension des Problems deutlich.

Zum eklatanten Widerspruch zwischen US-amerikanischer Werbephilosophie und europäischer Baukultur fand unter dem Titel „Las Vegas – falsch gelesen“ Anselm Wagner (TU Graz) treffende Vergleiche: „Man kann mit Altstädten werben, diese selbst sind jedoch als Träger ungeeignet, denn Werbung degradiert historische Gebäude zu Schuppen“.

Ulrike Breitwieser (BDA, OÖ) verwies auf die Werbewirkung denkmalgeschützter Bauten als hochattraktive Standorte für Geschäfte und Betriebe. „In Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz können hier für beide Seiten befriedigende Lösungen gefunden werden“, erklärte Breitwieser.

Tomaz Kancler, Vizebürgermeister von Maribor, nahm aus der Perspektive der städtischen Politik Stellung zu Fragen der „Aussöhnung der visuellen Kommunikation / Werbung auf der einen Seite mit dem Schutz der Innenstädte bzw. mit der Gestaltung der devastierten Stadt-Einfahrtsstraßen auf der anderen Seite.“ Dabei dürfe vor allem die soziale Komponente von Kommunikation nicht außer acht gelassen werden, mahnte Kancler.
Zur Polarisierung der Werbung zwischen „Wunschbild und Feinbild“ erklärte der Werbefachmann Heim Lercher den konkreten Nutzen für alle Beteiligten insbesondere im Sinne eines Erhalts innenstädtischen Wirtschaftslebens. Außerdem brauche, so Lercher, „Kreativität Platz, um sich entfalten zu können und die Erlaubnis, überraschen zu dürfen.“

Gerade historisch wertvolle Altstädte dürften nicht den Versuchungen der beliebigen Austauschbarkeit der modernen Konsumwelt erliegen, warnte Ottmar Strauß (Bamberg): "Welterbestädte ziehen ihre Identität und Unverwechselbarkeit aus lokalen Zusammenhängen, ihrer gewachsenen Kultur und ihrer typischen städtebaulichen Struktur."

Bernard Liechti, Amt für Städtebau Zürich, trat für den gelebten Kompromiss im Auftreten von Werbung durch im Vorfeld stattfindende enge kooperative Verfahren, die in der Schweiz besser als hierzulande zu funktionieren scheinen. Liechti stellte die Konzepte und Instrumente vor und erläuterte die Möglichkeiten und Grenzen der Steuerung anhand von konkreten Beispielen.

Das brisante Thema der Baugerüstwerbung an historischen Gebäuden am Beispiel von München legte Ludwig Semmler dar: Die stattlichen Werbeeinnahmen lockten unter dem Vorwand „Denkmäler zu retten“ nicht nur private, sondern auch öffentliche Bauherrn: „Schnell wurde klar, dass es darum ging, Premiumprodukte überdimensional zu positionieren. Strikte Regeln für Baugerüstwerbung, um ein Überwuchern zu vermeiden, waren die Konsequenz.“

In der abschließenden regen Diskussion, moderiert von ISG-Vizepräsident Hansjörg Luser, wurden viele der aufgeworfenen kontroverse Fragen vertieft. Die soziologischen Funktionen von Kommunikation führte Katharina Scherke (Uni Graz) ins Treffen: Werbung wird mitunter zum Symbol im öffentlichen Raum, wie etwa die berühmte Weikhard-Uhr am Hauptplatz, die als beliebter Treffpunkt dient. Auch müsse man berücksichtigen, dass sich die Wahrnehmung der Menschen in einem steten Wandel befindet.

Robert Ebner von der Baubehörde Salzburg kritisierte den Werbe-Overkill, der mit dem Argument, „dass es anderswo noch schlimmer sei“, stets kleingeredet würde.
Der Jurist Peter Strasser sieht zwischen Weltkulturerbe und Werbung keinen Widerspruch, solange Parameter wie Sichtachsen und Bauhöhen gewahrt würden – der Verlust des UNESCO-Status ist dabei kein Thema.
Werbefachmann Heimo Lercher (Werbeagentur i-Punkt und WKO) tritt selbst engagiert gegen eine Werbeflut in der Innenstadt ein, mahnt aber, die bestehende gewerbliche Struktur nicht zu benachteiligen oder gar zu gefährden, da sie doch immerhin für eine lebendig sich entwickelnde Stadt eine wichtige Rolle erfülle. Andererseits müsse sich die Stadt Graz selbst bei der Nase nehmen und den Mut haben, auch bei eigenen Werbemitteln, wie den Flaggen in der Herrengasse, nicht gegen die bestehenden Regeln zu verstoßen.
Die Kunsthistorikerin Eva Klein (Graz) warnte im Rückblick auf den Heimatschutz des frühen 20. Jahrhunderts davor, „Geschmackszensur zu üben“ und so die Kreativität von Werbung zu beschneiden. An dieser Stelle regte sich breiter Widerspruch, denn wenn in denkmalgeschützten Bereichen strenge Regeln für die Gestaltung und Sanierung von Gebäuden gelten, dann dürfe nicht bei Werbemitteln ungeregelter Wildwuchs herrschen. Weniger ist oft mehr, sollte hier die Devise lauten, waren sich die Beteiligten im Resümee weitgehend einig.

Zum Abschluss der Tagung ermöglichte eine Exkursion in die diesjährige Europäische Kulturhauptstadt Maribor den Teilnehmern lebendige Einblicke in die zahlreichen kulturellen Aktivitäten der slowenischen Nachbarstadt, die sich ebenso wie Graz mit wechselndem Erfolg um die Verbindung moderner Kunstinitiativen mit Respekt vor dem kulturellen Bauerbe bemüht. Ein Abstecher zum Weingut Dveri Pax, das sich seit 1990 wieder im Besitz des Stiftes Admont befindet, rundete den gelungenen Ausflug ab.

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