31/10/2003
31/10/2003

Ute Woltron

Vortrag von Ute Woltron im Rahmen des Seminars "Der Architekturwettbewerb als Instrument zur Qualitätssicherung.
Wettbewerbsvorbereitung und - durchführung" am 29.10.2003, veranstaltet vom ZIVILTECHNIKER - FORUM, Graz

DER ARCHITEKTURWETTBEWERB ALS FRAGE DER ETHIK UND DER QUALITÄT

DIE WELT ALS WILLE UND VORSTELLUNG

Quasi einleitend zum Seminar DER ARCHITEKTUR-WETTBEWERB ALS INSTRUMENT ZUR QUALITÄTS-SICHERUNG ein paar grundsätzliche – und durchaus persönliche - Überlegungen zum Thema, die sich aus langjähriger Beobachtung national und international abgewickelter Verfahren ergeben.
Die Erfahrung hat vor allem eines gezeigt: Gute Architektur ist eine Frage des Wollens vieler, um nicht zu sagen aller an einem Wettbewerb Beteiligter. Daraus folgt der Schluss:

AUCH JEDES NOCH SO SORGFÄLTIG VORBEREITETE UND ABGEWICKELTE VERFAHREN IST ZUM SCHEITERN VERURTEILT, WENN DER WILLE ZUR QUALITÄT NICHT BESTEHT, UND ZWAR IN JEDER PHASE DES BAUVORHABENS.

Werden Verfahren darüber hinaus nicht nach genauen Rahmenbedingungen abgewickelt, halten sich Auslober, Teilnehmer oder Juroren nicht penibel an das Reglement, das Ihnen heute in der Folge von Fachleuten vermittelt wird, kann das Wettbewerbsergebnis auf lange Sicht nur unbefriedigend ausfallen. Bedauerliche Beispiele dafür gibt es Sonderzahl, es gibt aber auch erfreuliche Positivbeispiele.
Es ist begrüßenswert, dass die Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten ihre Mitglieder aktiv zu schulen beginnt. Nicht zuletzt die Auftraggeber werden es ihr langfristig zu danken haben.

SINNHAFTIGKEIT EINES WETTBEWERBSVERFAHRENS

Gerade im Bereich der öffentlichen Auftraggeber, sehr wohl aber auch für private Bauherren, stellt ein seriös abgewickelter „Architekturwettbewerb“ je nach Verfahrensart einen probaten Weg dar, die für die jeweils gestellte Aufgabe geeigneten ArchitektInnen und Planungen zu finden. Denn:

· Der durchschnittliche Auftraggeber ist nie ArchitektIn.
· Die Ratlosigkeit in den Reihen der Auftraggeber ist viel größer, als man annehmen würde
· Das Image der ArchitektInnen ist im Schnitt verheerend
· Was überwiegt, ist die Angst vor Architektur

Viel zu oft werden Kosten massiv überschritten, und viel zu oft entspricht das Endresultat nicht den Vorstellungen der späteren Nutzer.
Der Grund dafür: Man hat aneinander vorbeigeredet und vorbeigeplant. Viele Verfahren werden unzureichend vorbereitet, die Vermittlung zwischen den Fachleuten und den Auftraggebern funktioniert viel zu oft nicht. Aufklärung kann nur seitens der ArchitektInnen selbst erwartet werden.

ES IST HÖCHSTE ZEIT, DASS DIE ARCHITEKTINNEN EIGENINITIATIV WERDEN UND IHRE QUALITÄTEN OFFENSIV AUSSPIELEN.

DIE ARCHITEKTEN ALS VERMITTLER

Fazit: Die ArchitektInnen täten gut daran, ihre Rolle als Vermittler –in allen Phasen des Verfahrens - aktiv und mit dem dazu nötigen Elan wahrzunehmen. Sie sind schließlich diejenigen, die überhaupt aufzeigen können, was im Bereich guter Architektur möglich ist. In anderen Branchen wird den Fachleuten mehr Gehöhr geschenkt – auch dies ein Umstand, den die Architektenschaft endlich überdenken und umdrehen sollte.

WETTBEWERBSVORBEREITUNG – DAS ALPHA und OMEGA

Im Gegensatz zu den ArchitektInnen, die sich an ein genaues Regelwerk halten müssen, wollen sie nicht aus einem Verfahren ausgeschieden werden, ist die Rolle des Auftraggebers nicht genau definiert.
Nicht zuletzt aus diesem Grund müssen Auslober und ArchitektInnen bereits im Vorfeld intensiv miteinander kommunizieren und somit das zu erwartende Produkt in all seinen Parametern vordefinieren. Das bedeutet keinesfalls eine Vorwegnahme der letztlich geplanten Architektur, sehr wohl aber ihrer Inhalte – und nicht zuletzt einer gewissen zwischenmenschlichen Komponente, die auf keinen Fall unterschätzt werden darf.

ARCHITEKTUR ENTSTEHT UNTER DER MIT- UND ZUSAMMENWIRKUNG VIELER. ALLEIN DURCH GUT MODERIERTE, ZIELORIENTIERTE GESPRÄCHE KÖNNEN VON BEGINN AN FEHLER VERMIEDEN, EIN KONSTRUKTIVES KLIMA DES MITEINANDER GESCHAFFEN WERDEN.

Im Vorfeld muss also geklärt und schriftlich festgehalten werden:

· Anforderungen an das zu planende Projekt
· Kostenrahmen
· Feststellung der vorhandenen Mittel
· Zeitrahmen
· Raumprogramm
· Funktionsprogramm
· Und: Wer redet alles mit?

Erst wenn alle Punkte völlig klar dargelegt sind, können die Auslobungsunterlagen in seriöser Form erstellt und vom Auslober genehmigt werden.

VERFAHRENSABWICKLUNG

Mit der Wettbewerbsordnung Architektur (WOA, 16.10.2002) liegt dem Wettbewerbswesen ein detailliert ausgearbeitetes Regelwerk dar, das allerdings keinerlei rechtliche Bindung hat. Den „Gesetzestext“ jedes Verfahrens stellt also die jeweilige Ausschreibung und die darin anerkannten Punkte der WOA dar.
Die Rolle der Vorprüfer, Juroren sowie die administrative Abwicklung von Verfahren werden Ihnen in der Folge von Referenten im Detail erläutert.

FAZIT - UND ANMERKUNG IN EIGENER SACHE

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich nicht nur Auslober, sondern häufig auch ArchitektInnen nicht an die ethischen Grundsätze der Projektvergaben über Wettbewerbe gehalten haben. Ein Missstand, der in jedem Fall qualitätsmindernd war.
Die Gegenwart zeigt allerdings ein deutliches Bestreben innerhalb der Architektenschaft, dieses wichtige Instrument der Demokratie zu pflegen, zu verbessern und zu einem neuen Standard zu führen.
Stellvertretend für die BIG (Bundesimmobiliengesellschaft) darf ich abschließend anmerken, dass wir selbst als einer der wichtigsten und wohl auch mächtigsten Auftraggeber der Republik traditionell auf vorzüglich administrierte Verfahren gesetzt und damit beste Resultate erzielt haben, und dass wir folglich diese Kultur aktiv weiter pflegen werden.

„WEISSBUCH WETTBEWERBE“ DER BIG

Aus diesem Grund arbeiten wir hausintern derzeit an einem Weißbuch für Architekturwettbewerbe, in dem wir alle erforderlichen Schritte zur Qualitätssicherung der Verfahren und somit der Architektur definieren werden.
Die BIG wird dieses Weißbuch auch in jenen Bereichen des Unternehmens zur Anwendung bringen, in denen sie nicht zur Bewettbewerbung von Projekten verpflichtet ist, sprich in der privatwirtschaftlich orientierten Projektentwicklung.
Als verantwortungsvoller Auftraggeber sehen wir die Architekten und Architektinnen dieses Landes als wichtige Partner. Eine starke, zugleich kooperationsbereite Kammer stellt dabei die Basis einer konstruktiven Zusammenarbeit dar.

Verfasser/in:
DI Ute Woltron, Leitung Kommunikation BIG
"Gastbeitrag"
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+