08/07/2003
08/07/2003

Eigentlich ist ja alles in Ordnung: Am vergangenen Donnerstag beschloss der Grazer Gemeinderat mit großer Mehrheit, dass in der Zeit vom 25.7. bis 3.10.2003 ein Bebauungsplan für das Kern- Büro- und Geschäftsgebiet "Köflachergasse - Eggenberger Straße" und somit für das derzeit wohl städtebaulich und wirtschaftlich hochwertigste unbebaute Grundstück im Bereich der Stadt zur Auflage kommt. Und eigentlich müsste man sich darüber freuen, dass sich im Akt die Zeilen finden:

"Um vor allem die städtebauliche Qualität des Projektes sicher zu stellen,
soll auf der Basis dieses Bebauungsplan-Entwurfes über ein geladenes
Gutachterverfahren die städtebauliche Feinabstimmung mit einer genaueren Ausformung der Baumassen und der Außenraumgestaltung vorgenommen und in den endgültig zu beschließenden Bebauungsplan eingearbeitet werden."

Klar werden jetzt einige einwenden, dass diese Formulierung nur Minimalansprüchen an städtebaulich gelebtem Gestaltungs- und Demokratieverständnis genügen, würde man sich in den Textpassagen über die Bereitschaft der Investoren, das Ergebnis des Wettbewerbes zu akzeptieren ebenso wünschen, wie Hinweise auf ein zweistufiges Verfahren. Und trotzdem bin ich als Schreiber dieser Zeilen froh, dass wenigstens die Absicherung des städtebaulichen Gutachterverfahrens mitbeschlossen wurde, sah es noch wenige Stunden vor dem Beschluss so aus, als hätte man sich auf der Ebene der Stadtregierung darauf geeinigt, die Ausformulierung des städtebaulichen Vorschlags dem vom Investor gestellten Planungsbüro allein zu überlassen. Erst hitzige Diskussionen im zuständigen vorberatenden Ausschuss brachten ein mehrheitliches Beharren auf die oben zitierten Textpassage zustande.

Unbegreiflicher Widerstand und zähes Beharren auf eine "freihändige Vergabe"
dagegen wirft schlicht und ergreifend die Frage auf, ob da jemandem vorab etwas -nämlich der Verzicht auf das im Stek (Stadtentwickulungskonzept Anm. d. Red.) vorgeschriebene Gutachterverfahren versprochen wurde, was zum Glück vom Ausschuß dann doch nicht sang- und klanglos abgesegnet wurde.

Grund zum Feiern? - Nur bedingt. Klar, es ist ein Teilerfolg für einen sich zunehmend seiner Aufgabe erinnernden gemeinderätlichen Ausschuss; und es ist
auch ein wesentlicher Schritt, denn jede andere Entscheidung hätte die Entscheidungsqualität für die noch junge Gemeinderatsperiode zweifelsohne in eine Richtung präjudiziert, die eine koordinierte und an öffentlichen
Interessen orientierte Stadtplanung erschwert hätte.
Ebenso haben natürlich auch jene KritikerInnen Recht, die angesichts der
ausverhandelten Lösung Bedenken entwickeln. Und deshalb scheint es notwendig, den Beschluss vor allem seitens der Kammer, aber auch seitens der Kommunalpolitik als Auftrag zu werten, die Qualität des weiteren Prozedere im Auge zu behalten und gegebenenfalls entsprechend zu kommentieren.
Die ersten Fragen werden sich bald stellen: Wieviele Büros werden zum Gutachterverfahren geladen? Wie setzt sich die Jury zusammen? Wie wird man mit
dem keulenschlagartig vorgebrachten Argument des Zeitdrucks umzugehen lernen?
Wie geht die Kammer mit Mitgliedern um, die sich im Bedarfsfall einen Dreck um die Richtlinien der eigenen Interessensvertretung scheren? ...

Eine Frage, die sich immer wieder aufdrängt, sollte man nicht vergessen,
obwohl ihre Beantwortung im konkreten Fall zu spät kommt: Warum wartet man seitens der Stadt mit Bebauungsplänen für so wesentliche Grundstücke so lange, bis die Investoren vor den Türen der politischen Verantwortungsträger scharren?

Verfasser/in:
Hermann Candussi
"Die freie Meinung"
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