07/10/2012

Das ÖAMTC Headquarter entsteht auf einem 2,6 ha großen Areal im Bereich des Kreisverkehrs Alte Poststraße und Friedhofsstraße als dreigeschoßiger Baukörper mit zwei Atrien ausgebildet.
_ Architektur: heuser + piber ateliers
_ Baubeginn: Fj. 2013
_ Fertigstellung: Fj. 2015
_ Baukosten: 30 Mio

07/10/2012

Schaubild des geplanten ÖAMTC Headquarters in unmittelbarer Nachbarschaft zum Reininghaus-Areal.

©: heuser + piber ateliers

Luftbild mit Blick auf das Reininghausareal und das Grundstück an der Alte Poststraße / Friedhofstraße (links vorne), auf dem die ÖAMTC-Zentrale erreichtet werden soll.

©: ÖAMTC

ÖAMTC Headquarter in Graz Reininghaus

Bürgermeister Siegfried Nagl präsentierte am 24. September 2012 gemeinsam mit der Spitze des ÖAMTC Steiermark, ÖAMTC-Landespräsident Bruno Wakonig und ÖAMTC-Landesdirektor Paul Fernbach, sowie dem Stadtbaudirektor und interimistischen Leiter des Stadtplanungsamtes Bertram Werle den Entwurf des ÖAMTC Headquarters auf den Grazer Reininghausgründen. Nagl sieht in dem Projekt einen großen Schritt in Richtung Stadtentwicklung von Reininghaus und kündigt an, dass in den kommenden Wochen weitere Projekte vorgestellt würden.

Da Graz in den nächsten zehn Jahren einen Zuwachs von etwa 30.000 Menschen erwarte, sei es wichtig, in Reininghaus vernünftige Stadtteilentwicklung zu betreiben, so Nagl. Unüberhörbar zeigt sich Nagl auch dafür dankbar, dass der ÖAMTC in den Grundstückskauf investiert hat. Paul Fernbach erwidert den Dank und hebt hervor, dass die Bewilligung des Projektes innerhalb von nur fünf Monaten (Anfang April 2012 bis Ende August 2012) gelungen sei. Angesichts der in Graz derzeit üblichen Frist für Baueinreichungen zeugt diese Schellabwicklung vom enormen Interesse der Stadt an diesem Projekt. Der Baubeginn ist bereits mit Frühjahr 2013 und die Fertigstellung mit Frühjahr 2015 geplant.

Fernbach berichtet von ersten Gesprächen mit der Stadt vor etwa zwei Jahren, im Rahmen derer seitens der Stadt der Wunsch geäußert worden sei, man möge östlich der Alten Poststraße bleiben. Ohne einen Architekturwettbewerb auszuloben, habe man das Architekturbüro heuser + piber ateliers gewählt und einen Masterplan entwickelt, welcher den internen Gremien vorgelegt wurde. Unmittelbar nach deren Zustimmung wurde die Planung gestartet.

Das Bauvorhaben entsteht auf einem 2,6 ha großen Areal im Bereich des Kreisverkehrs Alte Poststraße und Friedhofsstraße und wird seitens der Stadt als "Leuchtturm-Projekt" gelobt. Die Landeszentrale wird als dreigeschoßiger Baukörper mit zwei Atrien ausgebildet. Neben Büroflächen, Verkaufs- und Servicestellen sowie einem Café sollen eine Prüfhalle, ein zusätzliches Büro- und Geschäftsgebäude sowie 291 PKW-Stellplätze (133 in einer Tiefgarage) errichtet werden. Die Baukosten für die 18.311 m² Bruttogeschoßfläche liegen bei 30 Millionen Euro.

Seitens der Stadt und des ÖAMTC werden die herausragende Architektur sowie die für den Stadtteil vorbildhafte Nachhaltigkeit hinsichtlich der energetischen Anlagen hervorgehoben. So soll das gesamte Objekt energieautonom versorgt werden. Die Heizung und Kühlung wird über eine Geothermieanlage erfolgen, die Stromerzeugung geschieht über eine Photovoltaikanlage mit 300 Kilowatt Spitzenleistung. Positiv hervorgehoben wird sowohl seitens des ÖAMTC als auch durch Bürgermeister Nagl eine vorgelagerte Grünzone, welche auf der Böschung zwischen dem Baukörper und der Friedhofsstraße bzw. Alten Post-Straße liegt. Die Renderings versprechen hier eine von unzähligen, flanierenden Menschen bevölkerte Anlage, die sich vor allem zum angrenzenden Kreisverkehr hin orientiert.

Das Bauvorhaben, das zur Zufriedenheit der Stadt dem Rahmenplan für die Reininghausgründe entspricht, zeigt auf, wie seitens der Politik Stadtplanung verstanden wird: Die planenden Architekten werden in der Pressemappe der Stadt Graz und des ÖAMTC nicht einmal namentlich erwähnt. Mehrmals wird dagegen hervorgehoben, die hohe architektonische Qualität zeige sich an der Photovoltaik-Anlage und dem nachhaltigen energetischen Konzept. Wenn nun aber das Bauwerk, wie alle Beteiligten mehrfach betonten, auf Null-CO2-Emission reduziert wird, dann scheint auch diese Betrachtung etwas kurzsichtig.

Schließlich wird mit dem Gebäude auch eine Nutzung in ein zukünftig zentrales Stadtgebiet implementiert. Im gegebenen Fall sieht diese Nutzung vor, dass Autofahrer aus der gesamten Umgebung von Graz zumindest einmal jährlich mit ihren PKW zur ÖAMTC Landeszentrale fahren, um die Fahrzeuge dort überprüfen zu lassen. Es stellt sich die Frage, ob das Projekt nicht nur energetisch, sondern auch seitens seiner Nutzung derart autark wäre, dass es an einer beliebigen Autobahnzufahrt der Stadt hätte errichtet werden können? Eine derart auf den überregionalen Individualverkehr abzielende Nutzung in unmittelbarer Umgebung zu einem neuen urbanen Zentrum zu errichten, erscheint als Zeichen fragwürdig. Das Grundstück liegt schließlich mittig zwischen dem Zentrum der Reininghausgründe, der FH Joanneum und dem angrenzenden Friedhof - ein Knotenpunkt, der durchaus Bezug zu den drei Arealen hätte aufnehmen bzw. der fussläufigen Erschließung entgegenkommen hätte können.

Das Projekt liege in einem Gebiet mit Widmung für Gewerbe und würde damit dem Rahmenplan für die Reininghausgründe entsprechen, meint dazu Stadtbaudirektor Bertram Werle. Dem Gestaltungsbeirat sei es nicht vorgelegt worden, weil für Gewerbebauten generell keine Beiratspflicht vorliegen würde. Für die zentralen Grundstücke der Reininghausgründe sei die Urbanität nach wie vor ein realistisches Ziel, an dem man arbeite.

Leider hat es den Anschein, als würde in Reininghaus, wie befürchtet, nur zählen, dass rasch investiert wird. Fehlende Konzepte und nicht stattfindende Stadtplanung werden durch Schlagworte aus dem Bereich energetischer Nachhaltigkeit kaschiert: "Smart Gewerbebau" und "Smart Siedlungsbau" anstatt Urbanität und Städtebau. Von einem "großen Schritt in Richtung Stadtteilentwicklung" sowie einem "spektakulären Leuchtturmprojekt" kann beim ÖAMTC Headquarter zumindest unter den gegebenen städtebaulichen Umständen leider nicht die Rede sein.

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