06/03/2017

Ein Herz aus Zelluloid 
Zum Tod von Nikos Grigoriadis (1954-2017)

Nikos Grigoriadis, der Leiter des KIZ-Royal-Kinos in der Conrad von Hötzendorf-Straße in Graz, ist am 26. Februar 2017 verstorben.

Nachruf von Emil Gruber

06/03/2017

Nikos Grigoriadis 2009, vor der Eröffnung des KIZ Royal Kinos in der Conrad von Hötzendorf-Straße, Graz

©: Emil Gruber

alter Standort des KIZ im Augarten-Kino vor dem Abriss 2009

©: Emil Gruber

Programmhefte und Informationsbroschüren des KIZ aus den späten 1970er und 1980ern (Sammlung Emil Gruber)

©: Emil Gruber

Zum Tod von Nikos Grigoriadis (1954-2017)

Geschichte des Films 1893-1929. 40 Beispiele an 12 Abenden mit Live-Klavierbegleitung von Bernd Luef. Jeweils donnerstags um 20 Uhr im Haus der Jugend. Der Regiekostenbeitrag pro Abend waren 20 Schillinge. Ich entschied mich, auch wenn mir das ein paar andere Ausgehabende kostete, für den deutlich billigeren Abonnementpreis: das gesamte Paket aller Aufführungen um 120.-. Veranstalter war das KIZ, das Kritische Informationszentrum. Einer der Macher dahinter, auch wenn ich ihn noch nicht persönlich kannte, hieß Nikos Grigoriadis. Ich war zum Studium der Pharmazie im Herbst 1979 nach Graz gekommen. Diese Abende sollten mein Leben verändern, die Leidenschaft für Kino endgültig zum Brennen bringen. Graz musste Casablanca werden.
Nikos Grigoriadis zu gedenken, heißt in Filmen zu denken. Grigoriadis selbst war leibhaftiger Film, mal 8mm, mal Cinemascope. Er suchte mit seinem Programm den Diskurs. Film war für ihn Haltung, eine gesellschaftspolitische Reflexionsmaschine. Wenn Grigoriadis ein Streifen gefiel, ging er für ihn durch die Hölle, wenn er einen Film für schlecht empfand, gab es nichts, was ihn milde stimmen konnte. Grigoriadis war ein offener, furchtloser Streiter. Ohne seine Überzeugtheit und Hingabe hätte das KIZ die Wandlung von einer engagierten Amateurtruppe mit Kinoambitionen hin zu einem professionellen Programmkino nie geschafft. Konsequent wurden dabei die Prügel, die manchmal von Behörden und Politik vor die Leinwand geworfen wurden, aus dem Weg geräumt. Das KIZ überstand die Novellierung des steirischen Lichtspielgesetzes, es hielt dem Gegenwind bei allzu kritischer Themenauswahl ebenfalls stand.

1978 begann das KIZ regelmäßig das Augartenkino zu bespielen, 1984 wurde es zu einer fixen Bleibe. Es konnten nun noch stärker  Programmschwerpunkte abseits des Mainstreams gestaltet werden. Filme, die sonst nur auf Festivals in Europa zu sehen waren, osteuropäisches Kino, ethnografische Dokumentationen, Frauenfilme, Arbeitsweltbeobachtungen sorgten für eine ständig wachsende Anhängerschaft. Konzerte, Diskussionsveranstaltungen holten spannende Persönlichkeiten nach Graz. (Ich ärgere mich heute noch, dass ich 1982 Bilder aus Amerika, die legendäre, fünfstündige Multi-Media-Schau von Jacob Hold, eines der sozialkritischsten Vertreters der Concerned Photographer-Bewegung verpasst habe). Mit der Ära der Diagonale wurde das KIZ auch ein fixer Spielort, besonders für Perlen aus dem Archiv des Österreichischen Filmmuseums.
Als das Augartenkino 2009 einem Neubau weichen musste, es um Sein oder Nichtsein ging, blieb Grigoriadis hartnäckig. Sein neues Grand Budapest Hotel wurde das bis dahin nicht besonders gut funktionierende Royal-Kino, das nur Filme in englischer Fassung zeigte. Fast programmatisch eröffnete Grigoriadis mit Inglourious Basterds die neue Spielstätte als KIZ Royal-Kino. Allen Unkenrufen zum Trotz gelang es Grigoriadis dem Ort ein doppeltes Herz aus – finanziell notwendigen – Blockbustern in der Originalsprache und Arthouse-Filmen für die, die abseits der großen Boulevards broken aber auch fixed Dreams schauen wollten, zu implantieren.

Nikos Grigoriadis hinterlässt eine über viele Jahre aufgebaute, für Graz zugeschnittene Qualität, wie Kino auch noch sein kann, sein soll und sein muss. Jede(r), der sein Erbe übernimmt, stellt sich einer besonderen Herausforderung. Aber das KIZ verlangt nach einem würdigen Nachfolger. Die verantwortliche Politik ist gut beraten, das Vermächtnis von Grigoriadis zu pflegen. Das KIZ hat das zu bleiben, das es auch zu Lebzeiten von Nikos war, ein ewiges Cinema Paradiso.

Willi Stadler

sehr schön gesagt, ja, nikos grigroriadis war ein wegbereiter, der den filmliebhabern und interessierten in graz eine welt eröffnet und mir und viele anderen zahllose wunderbare kinoerlebnisse voller schönheit und nachdenklichkeit beschert hat, wofür ihm große dankbarkeit und eine bleibende erinnerung gewiss ist.
dass er so früh gehen musste, ist schockierend und traurig.

Mo. 13/03/2017 4:45 Permalink
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