05/11/2012

Am Podium waren:
_ DI Michael Pech, Mitglied des Vorstandes Österreichisches Siedlungswerk Gemeinnützige Wohnungsaktiengesellschaft, Wien
_ Mag. Christoph Kothbauer, Leitender Jurist der onlinehausverwaltung & immobilientreuhand gmbh, Konsulent, Vortragender, Fachautor
_ Dr. Wolfgang Amann, Geschäftsführender Gesellschafter des IIBW - Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen GmbH
_ Arch. Maria Langthaller, Geschäftsführerin Atelier Langthaller-Williams

05/11/2012

Am Podium: Pech, Amann, Schneider, Langthaller, Kothbauer (v.li)

©: Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen Arch+Ing

Sanierung beginnt nicht bei thermischen Maßnahmen und hört nicht mit ihnen auf. Darüber waren sich die TeilnehmerInnen des ersten Sanierungstags einig. Die großen Themenblöcke:Grundlagen der Sanierung, ihre volkswirtschaftliche Bedeutung, Miet- und Eigentumsrechte, Finanzierungs- und Fördermodelle sowie Best-Practice-Beispiele. Veranstalter des Sanierungstags war der Nachhaltigkeitsausschuss der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten gemeinsam mit dem Fachverband Steine und Keramik der Wirtschaftskammer Österreich.

Verhärtete Fronten aufzubrechen und Wege aufzuzeigen, zwischen Architekten und Ingenieuren, Ausführenden, Baustoffproduzenten, Eigentümern, Mietern und Gesetzesgebern zu vermitteln: Das war das Ziel des ersten Sanierungstags. Die heißen Eisen in der Diskussion: Wer soll für Sanierung zahlen? Wie gut sind unsere Gesetze? Wie können Bundesländer und Bund verpflichtet werden, die Wohnbaufördermittel zweckbindend einzusetzen und die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen?

Von eins auf drei: Die Sanierungsrate
Christoph Leitl, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich: „Um die Sanierungsrate von derzeit einem Prozent auf drei Prozent zu erhöhen, brauchen wir Reformen beim Wohnrecht, einheitliche Finanzierungsformen und eine Strukturbereinigung beim Förderwesen.“ Er forderte eine Neuordnung der gesetzlichen Grundlagen für Wohnungseigentum, Gemeinnützigkeit und Mietrecht. Georg Pendl, der Präsident der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten, ergänzte: „Nachhaltiges Sanieren funktioniert nur mit einem interdisziplinären und ganzheitlichen Ansatz. Es geht darum, soziale, kulturelle und baukulturelle Aspekte mit einzubeziehen.“

Peter Maydl: Bestand als Chance
Peter Maydl, Professor an der TU Graz und Vorstand des Instituts für Materialprüfung und Baustofftechnologie, forderte, den Bestand als zentrale Ressource bewusst zu machen. „Planen und Bauen mit Bestand bringt quantitative und qualitative Vorteile: Jedes neue Gebäude verursacht zusätzliche Emissionen, jedes richtig sanierte Gebäude reduziert den Energieverbrauch. Der Lebenszyklus muss stärker in den Fokus gerückt werden.“

Stefan Schleicher: Zweites Wiederaufbauprogramm
Stefan Schleicher, Professor an der Universität Graz, sah in einer radikalen Gebäudeerneuerung eine zentrale Strategie für die Energie- und Klimaziele bis 2050: „Auch in der Sanierung können innovative Bautechnologien Gebäude zu Kraftwerken machen. Sanieren heißt auch, Gebäude als Infrastruktur zukunftsfähig zu machen; zum Beispiel für die neuen Trends in Lebens- und Wirtschaftsstilen.“ Er forderte ein zweites Wiederaufbauprogramm, von dem der Arbeitsmarkt und öffentliche Haushalte unmittelbar profitieren.

Margarete Czerny: Sanierung und Volkswirtschaft
Margarete Czerny von der Donau-Universität Krems brachte volkswirtschaftliche Aspekte in die Diskussion ein. Sanierung weise einen hohen Multiplikatoreffekt bei Produktion und Beschäftigung auf, sei eng mit anderen Wirtschaftsbereichen verflochten. Jedoch: „45 Prozent der Wohnbauförderungsmittel stehen nicht für neue Sanierungsvorhaben zur Verfügung. Das liegt zum einen am starken Anstieg der Wohnbeihilfen, zum anderen an den Annuitätenzuschüssen von bereits vergebenen Projekten. Es bedarf einer Zweckwidmung für Sanierungsförderung der Länder.“

Nutzer-Investor-Dilemma
Den drei Keynotes folgte der erste Themenblock: Miet- und Eigentumsrecht im Fokus der Sanierung. Das Problem beginne bei den unterschiedlichen Rechtsmaterien für Gemeinnützige, Miet- und Eigentumswohnungen. Wolfgang Amann, GeschäftsführenderGesellschafter des Instituts für Immobilien, Bauen und Wohnen: „Wo es einen verpflichtenden Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag in ausreichender Höhe gibt, ist auchGeld für die Sanierung vorhanden. Wohnungseigentümer sind aber nicht zu einer Modernisierung verpflichtet. Die Unterscheidung in Erhaltung und Verbesserung ist nicht zielführend.“

Gefragt: Beratung und Gutachten
Die PodiumsteilnehmerInnen zur Diskussion „Reformbedarf im Miet- und Eigentumsrecht“ waren sich einig, dass dem Mangel an Beratung entgegengewirkt werden müsse. Durch professionelle externe Gutachten und Begleitung von Anfang an können die Interessen von Mietern und Eigentümern berücksichtigt und subjektive Befindlichkeiten der Beteiligten reduziert werden. Der Wegfall einer Mehrheitsbildung bei der Sanierungsfrage würde begrüßt werden, denn diese verhindere oft die Durchführung von Sanierungen. Auch eine gesetzliche Grundlage solle weg von der Erhaltungs- hin zur Sanierungspflicht führen.

Nachholbedarf bei Öko-Krediten
Im zweiten Themenblock – Finanzierungs- und Fördermodelle – stellte Max Deml vom Öko-Invest-Verlag die Konditionen ökologisch orientierter Bankinstitute im deutschsprachigen Ausland vor. Die richteten sich nach der ökologischen Qualität eines Hauses und nach dem Beleihungswert. „Ökologisch orientierte Banken sind auch am Aktienmarkt bereits im Mainstream angekommen. Schade, dass sie in Österreich noch nicht Fuß fassen konnten.“

Sanierungsmüdes Österreich
Bei der Frage „Was kann der Sanierungsscheck?“ stellte Josef Schmidinger von der s-Bausparkasse fest: „Österreich ist sanierungsmüde geworden.“ 2011 wurden nur achtzig Prozent des Volumens des Sanierungsschecks abgeholt. 2012 liegt die Ausschöpfung bei sechzig Prozent. Verbesserte Information und eine Erleichterung in der Antragsstellung sollen nun helfen, das Fördergeld abzuholen.

Flucht aus der Wohnbauförderung
Zur Fördersituation stellte Wolfgang Amann einen bundesweiten Abwärtstrend fest, der Anteil von Sanierungsförderung sei jedoch steigend. „Vor allem private Bauherren flüchten aus der Wohnbauförderung, um sich nicht den strikten Vorgaben in thermischer Hinsicht unterwerfen zu müssen.“ Der Architekt Friedrich Mühling forderte ein Modell der Startfinanzierung, um ein Gesamtkonzept für Sanierungsprojekte zu unterstützen. „Eine Startfinanzierung ist Antrieb von Sanierungen auf Niedrigstenergie- und Passivhaus-Standards.“ Mühling forderte eine bundesweite einheitliche Qualitätssicherung.

Beispiele aus erster Hand
In zwei Blöcken zeigten ArchitektInnen und Bauträger Best-Practice-Beispiele. Sie veranschaulichten, was mit einem ganzheitlichen Zugang, Mut und Beharrlichkeit zu attraktiven Kosten möglich ist. Jeder Euro, der in ein gutes Konzept gesteckt wird, kommt vielfach in den Investitionskosten und in der Betriebsführung zurück. Dass ein umfassendes Konzept, entscheidend ist, darüber waren sich alle TeilnehmerInnen einig.

Die Politik in die Pflicht genommen
Um bis 2020 eine dreiprozentige Sanierungsrate zu erreichen, müsse mehr geschehen. Dem stimmten in der abschließenden Podiumsdiskussion alle TeilnehmerInnen zu. Die Umweltsprecherin der Grünen Christiane Brunner forderte eine umsichtigere Planung von Anfang an. Auch die öffentliche Hand solle in die Sanierungspflicht genommen werden; es gelte, verbindliche Rahmenbedingungen und eine Sanierungsquote zu schaffen. Einer verpflichtenden Quote widersprach Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) aufgrund der Unterschiede auf Bundesländerebene. Jedoch forderte er eine Verpflichtung von Bund und Ländern, die Wohnbauförderungsmittel zweckbindend einzusetzen. Georg Pendl von der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten sowie Andreas Huss von der Gewerkschaft Bau-Holz sehen Potential in der Nachverdichtung; die beginnt bei der zusätzlichen Wohnraumschaffung durch Dachgeschoßausbauten und der Nachverdichtung von Grundstücken und geht bis hin zur Umnutzung von leerstehenden Flächen. Auch die Anzahl und damit die Kosten von Stellplätzen seien zu überdenken. Nachverdichtung spare Ressourcen und die drei Säulen der Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie und Soziokulturelles – kämen zum Tragen. Pendl forderte zudem eine funktionierende Raumordnung – diese stehe schon lange aus. Robert Schmid, Schmid Industrieholdung, glaubt nicht, über Verordnungen an die 2020-Ziele heranzukommen: „Wir müssen die Menschen ins Boot holen und Sanierungsmaßnahmen so attraktiv gestalten, dass sie gerne energetisch sanieren.“

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