15/01/2021

Final Cut
(A Future Remembered)

Zur Ausstellung SYD MEAD – FUTURE CITIES. Designer der Welt von Blade Runner

GrazMuseum, bis 7.2.2021

Eine Annäherung an den „Godfather des futuristischen Designs“ und den Meister des Supersonic Baroque: Mit SYD MEAD – FUTURE CITIES. Designer der Welt von Blade Runner zeigt das GrazMuseum eine kleine Auswahl an Bleistiftzeichnungen und Gouachen des "visual futurist" und "conceptual designer" Syd Mead (1933 – 2019), der als Cyberpunk-Visionär utopische Science Fiction Filmwelten schuf und als Industrie- und Filmdesigner nicht nur diese Branchen prägt(e), sondern auch GamedesignerInnen, ArchitektInnen und StädteplanerInnen.

Rezension von Bettina Landl

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15/01/2021

Future Marina View, 1986 – aus der Ausstellung SYD MEAD – FUTURE CITIES im GrazMuseum – bis 07.02.2021

©: Syd Mead

Cityscape Lightening, Blade Runner, 1981

©: Syd Mead

Downtown Cityscape, Blade Runner, 1981

©: Syd Mead

Street Scene Sumo Line, Blade Runner, 1981

©: Syd Mead

Future Tokyo, 1991

©: Syd Mead

Sunset Grid, 1981

©: Syd Mead

"In my mind, I'm really making a still shot for a story, that may never imagined anywhere else than just in a picture.“ (VISUAL FUTURIST: The Art & Life of Syd Mead, Dokumentarfilm 2006, Regie: Joaquin Montalvan)

"The better I draw, the better my future looks"
Mit SYD MEAD – FUTURE CITIES. Designer der Welt von Blade Runner zeigt das GrazMuseum eine kleine Auswahl an Bleistiftzeichnungen und Gouachen des "visual futurist" und "conceptual designer" Syd Mead (1933 – 2019), der als Cyberpunk-Visionär utopische Science Fiction Filmwelten wie beispielsweise jene in Star Trek: Der Film (1979), Tron oder Blade Runner (beide 1982) schuf. Als Industrie- und Filmdesigner beeinfluss(t)en seine Entwürfe nicht nur diese Branchen, sondern auch GamedesignerInnen, ArchitektInnen und StädteplanerInnen. Die 30, zwischen 1970 und 2004 entstandenen, Originale umfassende Ausstellung, kuratiert von Boris Hars-Tschachotin und realisiert von O&O Baukunst Ende 2019 (O&O Depot in Berlin, 15.11.2019 – 30.01.2020), wurde nun in drei Ausstellungsräumen des GrazMuseums installiert und knüpfe inhaltlich an die bereits im Juli letzten Jahres eröffnete Ausstellung Ungebautes Graz. Architektur für das 20. Jahrhundert an und diene ebenso als Vorspann für die Ausstellung Die Stadt als Datenfeld. Wie wir in Zukunft leben wollen, die ab März 2021 zu sehen sein wird. Im Zentrum: Urbane Räume und (Alb-)Träume – in diesem Fall auf großformatigen, farbigen Gouachen und Skizzen.

Denken neuer Welten (Avantgarde in Hollywood)
Als Star Trek 1979 in die Kinos kommt, sorgt neben Mr. Spock auch die überdimensionale Geisterraumsonde V’ger für Staunen. Mit der Formgebung des Giganten beauftragt Regisseur Robert Wise einen futuristischen Designer, den Hollywood gerade von einer Firma abgeworben hat, für die er in Amsterdam Toaster entwarf: Syd Mead – den „Godfather des futuristischen Designs“. Tagsüber arbeitete er im Designstudio einer großen Firma und nachts an seinen Ideen für V’ger. Für Mission Impossible 3 (2006) konstruiert Syd Mead die Maschine, die Tom Cruise in Owen Davian verwandelt. 1988 bittet ihn die L.A. Times, sich das Leben im Jahr 2013 auszumalen: Smart Cars sind heute Realität, doch der Haushaltsroboter immer noch Zukunftsmusik. „Ich sage die Zukunft nicht als etwas Absolutes voraus, sondern als ein Vielleicht. Man kann ein Vielleicht entwerfen, das ganz nahe an der Realität ist.“ (Syd Mead in Arte TRACKS, 2016) 1986 in AliensDie Rückkehr fliegen Sigourney Weaver und die eierlegende Alienkönigin in Syd Meads Weltraum-Truppentransporter. Da seine Form an ein MG erinnert, trägt er den Spitznamen „Weltraumknarre“. Vier Jahre zuvor entwirft Syd Mead sein absolutes Meisterwerk, dem auch in der Ausstellung ein eigener Raum gewidmet ist: die komplette Blade-Runner-Stadt samt Replikantenkneipen und fliegenden Autos. Diese angsteinflößende Vision einer damals fernen Zukunft – die des Jahres 2019 – hat der Designer bis ins kleinste Detail ausgetüftelt. „Ich nenne das, was ich für diesen Film gemacht habe ‚Retro Deko’ oder auch ‚Trash Chic‘. Ridley Scott wollte einen Science Fiction Film Noir drehen, also habe ich mir eine triste Zukunft ausgedacht – durchgestylt, aber auch trashig.“ Nach seinem Diplom am Los Angeles Art Center 1959 wird der Meister des Supersonic Baroque von großen Firmen engagiert, um die rosige Zukunft der Wirtschaftswunderjahre zu illustrieren und so den Blick der firmeneigenen Ingenieure über den Tellerrand hinaus zu führen.

The human adventure is just beginning
Schon bei Eintritt in die Ausstellung fällt die tiefe Hängung der Bilder ins Auge und gestaltet sich durchaus gewöhnungsbedürftig. Außerdem fehlen dreidimensionale Modelle, die eine notwendige Ergänzung zu Syd Meads zweidimensionalen Skizzen darstellen würden und wodurch die Präsentation vielmehr einer Inszenierung gliche, sind es doch fantastische Landschaften, die hier ins Bild gesetzt sind. Eine klassische Ausstellungssituation scheint für die Darstellung und Vermittlung eines Universums wie jenes von Syd Mead ein wenig geeignetes Medium zu sein. „The future starts right now“, heißt es im knapp 10-minütigen Dokumentarfilm, der eigens für die Ausstellung in Berlin produziert für etwas Lebendigkeit in der sonst nüchternen Atmosphäre der Ausstellung sorgt. Und insbesondere eine leere Wand in dem im Gegensatz zu den übrigen Räumen dunkel gestrichenen, der den Arbeiten zu Blade Runner vorbehalten ist, wirkt irritierend, bildet aber gleichzeitig einen interessanten Spannungsbogen.
„I’ve worked in many fields – from automotive, mobility, aircraft, superyachts, windparks to architecture.“ Während der Fokus auf der Filmikone liegt, wird auch eine Auswahl an Zeichnungen für andere Auftraggeber wie Autohersteller, Städteplaner oder Transportunternehmen gezeigt, hat Syd Mead doch seit Anfang der 1960er-Jahre das populäre Bild der Zukunft nachhaltig geprägt. Ob für Kino, Auto- und Eisenindustrie oder Manga, Syd Mead malte die Zukunft auf Bestellung meist in düsteren Farben, aber „the future is both an illusion and the real result of everybody working together to make the future come true – hopefully in a nice way. The future is driven by the total combination of everybody’s efforts, technology, breakthroughs that we never imagined it could happen – it is a very flexible, dynamic thing.“ Seine Bildwelten zeichnen sich durch Funktionalität und meist eine positive Idee von Zukunft aus. „I’ve always try to make the future look beautiful, because I think, if you always create a nice future – over and over and over – maybe you help it come true to that look.“ Doch für Blade Runner entwarf Syd Mead die Vision einer kühnen und apokalyptischen Stadt.

Großstadtmoloch oder: Searching for answers inside the system
Vor allem die postmoderne und bedrohliche Stadt in Blade Runner als Anti-Utopie stellt mit Nachdruck die Frage, wie unsere Zukunft und damit auch die Städte gestaltet werden können und sollen. Sie treibt die Geschichte mit ihren ganz eigenen Regeln voran. Blade Runner ist das Gemälde einer dystopischen Version von Los Angeles im Jahr 2019. Die Stadt ist ein Moloch, der jeden grünen Keim erstickt und von leuchtenden Reklametafeln sowie unendlichen Regenmassen geprägt ist. Mitten in diesem tristen und kulturell überfüllten Szenario hängt Rick Deckard (Harrison Ford) völlig durchnässt und physisch am Ende seiner Kräfte an einem hervorstehenden Eisenträger und droht in die Häuserschlucht abzustürzen. Der von ihm gejagte Replikant Roy Batty (Rutger Hauer) steht eindeutig über ihm, doch anstatt den Blade Runner seinem Schicksal zu überlassen, rettet Roy ihm das Leben, nachdem er selbst erkannt hat, dass sich sein eigenes als Replikant dem Ende zuneigt. Einen Moment innehaltend, setzt er sich auf das nasse Dach und reflektiert, was er alles gesehen hat.

All those moments will be lost in time, like tears in rain
Blade Runner ist allgemein für seine existenzialistischen Exkurse bekannt. Basierend auf dem Roman Träumen Androiden von elektrischen Schafen? (1968) von Philip K. Dick, webt Ridley Scott ganz beiläufig Metaphern, Assoziationen und Fragen in seine Dystopie ein, die meist nur als Denkanstöße fungieren und die BetrachterInnen dazu auffordern, sich über den Kinobesuch hinaus mit dem Werk zu beschäftigen. Einer dieser Impulse ist zweifelsohne das oben angeführte Zitat. Was bedeutet unsere Existenz, wenn wir selbst nur einen ganz kleinen, schon fast unbedeutenden Teil von etwas Großem darstellen? Selbst wenn wir (scheinbar) bedeutende Dinge wie das Tannhäuser Tor oder gigantische, brennende Schiffe vor der Schulter des Orion (Metapher ist durch jedes andere denkbare Ereignis oder Geheimnis zu ersetzen) gesehen haben, gleichen all diese Momente Tropfen auf dem heißen Stein – like tears in rain.

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