07/04/2021

gelungen | nicht gelungen
7. 01

Einführung
zur Artikelserie von Bernhard Hafner zum Thema Pfauengarten in Graz. Bestand, Nutzung, Planung und Bebauung

Insgesamt wird die Thematik Pfauengarten in der Serie gelungen | nicht gelungen
in 7 Artikeln behandelt.

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07/04/2021

Masterplan UNESCO WELTKULTURERBE GRAZ MANAGEMENTPLAN, 2013

©: Stadt Graz

UNESCO WELTKULTURERBE GRAZ MANAGEMENTPLAN 2013. Bild: Seite 47, Abb. 22, "Paulustorvorstadt um 1695", Stich Andreas Trost, Ausschnitt. Im Vordergrund der spätere "Pfauengarten". Screenshot Red. GAT

©: Stadt Graz

PFAUENGARTEN: URSPRUNG, GRAZ, BERG, STADTPARK
Über Graz, seinen Berg, Pfauen und dem Stadtpark (1)

Die Keimzelle der Besiedlung von Graz ist der schmale Streifen zwischen Schloßberg und Mur, von wo sich die Stadt auf dem und am Berg entwickelte, dann mit gefräßiger Zunge vor allem nach Süden, vorerst bis Kalsdorf.
    An dieser ursprünglichen Seite zeigte sich der Grazer Schloßberg als Fels, die Mur als schiffbarer Fluss mit einem um etwa 4 m höherem Wasserspiegel als heute. Beides ist nicht mehr. Der dichte Baumbestand im Norden breitete sich nach Süden hin aus. Vor allem im Osten und eroberte schließlich langsam den Felsen, langsam, denn dieser wehrte sich. Mir scheint, als hätte sich die Natur damit für die Schlägerung der ersten der zwei Reihen von Platanen am Rande das Stadtparks der vom Geidorfplatz bis zur Oper reichenden Allee an der Glacisstraße in den 1950er Jahren entschädigen wollen.
    Die Stadt lag lange dem Berg zu Füßen, der Berg aber dehnte sich mit seinem Grünraum nach Westen in das Glacis aus, in die freie Brache des Schussfeldes der Stadtbefestigung. Nicht dass dies einen schönen Anblick geboten hätte: Nicht um Naturschönheit, sondern um Verteidigung ging es.
    Das änderte sich, als Befestigungen und die Burg am Kamm des Schloßbergs auf Befehl Napoleons mit Gewinn für steirische Baumeister geschliffen wurden. Freigekauft und erhalten blieben ein Glockenturm mit Glocke und der Uhrturm, jenes Objekt, das Graz als Zeichen architektonischer Unbedarftheit zu seinem Wahrzeichen machte. Die landschaftliche Öde des Glacis wird zur schönsten Ergänzung des Bergs und zum Mahnmal für eine zukünftige Entwicklung des Grazer Feldes, als 1861 der Bürgermeister Moritz von Franck die Brache zum englischen Garten machte, statt sie zur Bebauung freizugeben. (Anders als etwa 150 Jahre später hatte es planende schermichnix Baumeister und einen willfährigen Landesvater nicht gegeben, damals, als ruchloses Handeln der Stadt an der Kurtine der großen Basteien im Osten die größte Niederlage seiner Architekturgeschichte zufügte.) Moritz von Franck ist Urheber dieser weitsichtigsten städteplanerischen Entscheidung, die eine Grazer Stadtverwaltung je getroffen hat. Sein Denkmal steht so, dass Franck nach Osten schaut. Gut so, bleibt ihm doch ein Anblick erspart. Der Anblick dessen nämlich, was der Pfauengarten als Abschluss der Raumfolge vom Schloßberg zum Stadtpark und über diesen hinaus auf die Bebauung am Glacis und die Hügel dahinter heute ist. Ein Ort, von Politikern verkauft und dann von Immobilienentwicklern ohne stadtbaukünstlerisches Interesse und Willen dazu, zum Unort gemacht: Ersatz des Juwels eines Pfauengartens mit qualitätvoller Freiraumgestaltung durch einen Ohnepfauengarten mit renditeträchtiger Allerweltsarchitektur in feindseliger Beziehung zur Umgebung.
    Graz erweiterte sich vom Ursprung, dem Sack und Burg am Berg, in Vorstädte, in die Paulustorvorstadt am Ostrand des Berges hin zum Karmeliterplatz, Lend und Gries im Westen jenseits der Mur. Der Bereich außerhalb des ehemaligen Glacis und des nunmehrigen Stadtparks blieb die Bebauung in der Gründerzeit vorbehalten.
    Am Stadtpark oder in seiner Nähe entstanden die Oper, die Universität und die Technische Hochschule samt gründerzeitlichen Wohnvierteln vornehmlich zur Miete. Großartig ist die dem Verlauf der ehemaligen Stadtmauer folgende, für Graz geradezu großstädtisch wirkende, Bebauung vom Burgtor bis zur Hamerlinggasse in die Nähe des ehemaligen Eisernen Tores im Süden der Innenstadt. Zusammen mit der Mur wurde die Stadt durch sie mit dem Stadtpark als Schnittfläche räumlich begrenzt. Solche Begrenzung ist gut: Begrenztheit von Bauabschnitten verträglichen Charakters ist immer ein Zeichen einer wohlgeformten Stadt.
    Welch großartige Raumfolge war das doch in Graz jahrhundertelang, wenn auch lange das wahre Potenzial nicht ausschöpfend. Sie reichte vom Uhrturm am Schloßberg – was immer man gegen seine Architektur haben mag, die Aussicht von dort ist großartig – über eine Lichtung mit von Bäumen gesäumten Serpentinen zum Ort, wo Paulustor-, Sporgasse und Karmeliterplatz einander treffen. Hier tritt man durch einen breiten Torbogen hinaus in die Stadt, vor sich der seitlich von Gebäuden begrenze, Fußgängern vorbehaltene Karmeliterplatz, davor der Pfauengarten, sein Erwecken als gestalteter Naturraum samt Pfauen erwartend. Dahinter die Kronen von Bäumen des Stadtparks sowie, weiter im Osten, das Hügelland. Nach dem Abstieg vom Kamm des Berges über Natur- und bebauten Raum steht man an der Kurtine der Stadtbefestigung, vor sich unten der Stadtpark. Durch Äste und Belaubung der die Glacisstraße säumenden Platanenallee erkennt man ausschnittweise die Bauten als scharf gezogenen Rand der neuen, gründerzeitlichen Stadt. Welch ein räumliches Geschehen, welch ein Kleinod der Stadt! Wer konnte je daran denken, es zu zerstören?
    Und zerstört wurde es. Zuerst verhinderte die SPÖ die Realisierung der Bebauung eines Teils des Pfauengartens durch das Siegerprojekt eines Architektenwettbewerbs für das Trigon-Museum, das eine einstimmig gelobte Raumfolge von unterirdischen Ausstellungsräumen vorsah, und somit den Pfauengarten an der Oberfläche nicht beeinträchtigte. War der Pfauengarten zu dieser Zeit im Eigentum des Landes Steiermark? Wann nach 2000 bot der Eigentümer das Grundstück zum Verkauf an und wurde es damit zur Bebauung freigegeben? Das Land Steiermark widmete das Pfauengarten-Gelände vom Freiraum zum Kerngebiet mit Kulturnutzung, um die Verwirklichung des Siegerprojektes des Trigon-Museum-Wettbewerbs zu ermöglichen. Einen kulturpolitischen oder städtebaulichen Grund für einen Verkauf des Areals samt Nutzung durch Büros und Wohnen gibt es nicht. Gab es im Land einen finanziellen Grund für den Verkauf des nun als Kerngebiet wertvoll gemachten Grundstücks, und welchen? Was sollte mit dem Ertrag finanziert werden? Nun ja, der Pfauengarten war schließlich doch nur ein Parkplatz für Politiker und Beamte im Umfeld der Burg, ein Ohnepfauengarten, aber einer, der eine würdige Nutzung erwarten konnte. Am Fuße der Kurtine gab es in den 1980er Jahren Pfauen, flugfähige Vögel bereit, zwischen Stadtpark und Pfauengarten auf und ab zu fliegen, wenn ihnen der Sinn danach stand. Auch nachdem sich die Verwaltung dann entschloss, alle Pfauen in die Anlage des Schlosses Eggenberg im Westen zu bringen, hatte es für die Pfauen die Möglichkeit gegeben, eine Zierde eines Gartens in der Stadtmitte statt Schmuckstücke in einem Barockgarten vor der Stadt zu sein. Noch etwas Persönliches über Pfauen im Umfeld von Graz. Meine Großmutter und ihr Lebensgefährte lebten in meiner Jugend auf einem Bauernhof inmitten einer großen Lichtung auf dem Fußweg, der von der Straße von St. Oswald ob Plankenwarth nach Stiwoll zum Wiesenwirt nach Norden ins Tal südwestlich von Gratwein führte. Ich verbrachte dort beglückende Ferien zwischen meinem achten und zwölften Lebensjahr. Ein Pächter wohnte auf der einen Hälfte des Wohnhauses, meine Großeltern verbrachten die Sommer auf der anderen Hälfte. Den Rest des Jahres lebten sie in der Mandellstraße in Graz nahe der TH. An Samstagen gingen wir nach St. Oswald und besuchten auch bekannte Bauern am Kamm des Höhenrückens nach Stiwoll. Jeder davon hatte zwei Pfauen auf seinem Hof, die ersten solcher Vögel, die ich gesehen hatte. Jeder hatte sie zur Zierde, nicht zum Essen. Ich vermute, dass sich Bauern an Adeligen ein Vorbild nahmen und sich Pfauen des schönen Anblicks hielten wie jene zur Zierde ihrer Gärten. Vielleicht hatten sie auch Pfauen im Pfauengarten an der Grazer Burg, dem Sitz der Landesregierung gesehen.
    Heute gibt es da nichts mehr nachzuahmen. Eher ist es umgekehrt, heute ahmt die räumliche Entwicklung von Graz über Feldkirchen bis Kalsdorf mit Gewerbeflächen die ländliche Zersiedlung nach. Wozu Landesplanung, wenn man ohne sie schrankenloser Land verplanen kann? Der ehemalige Pfauengarten wurde ein Unort. Etwas potenziell Großartiges weniger in der Stadt: Ja, wo ist sie denn überhaupt? Wie groß ist der Anteil der wirklich als städtisch anzusehenden Besiedlungsfläche an der besiedelten Gemeindefläche von Graz? Es war meine Großmutter, die so um 1950 bei einem meiner Ferienaufenthalte in Graz mit mir an der Ecke Kaiser-Josef-Platz – Glacisstraße stehend sagte, „komm, jetzt gehen wir in die Stadt“.
    Gleichgültigkeit in Kulturpolitik zusammen mit Bereicherungswirtschaft erzeugte den Unort, an dessen Stelle heute ein gepflegter Garten als einzigartiger Ort sein könnte, mit Trigon Museum darunter. War die Nutzung als Beamtenparkplatz schon würdelos, so ziert hier nun eine wie von irgendwoher verpflanzte mittelstädtische CBD-Architektur die Stadtkrone von Graz. Eine Krone, die eines Zackens beraubt ist. Ein Vorgehen, wie ich es in keinem mir bekannten kapitalistischen Wirkungsfeld in Los Angeles, Texas, New York, New Jersey oder Köln so deplatziert verwirklicht sah.

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(1) Dieser Artikel ist der erste einer Serie zum Thema Pfauengarten in Graz, Bestand, Nutzung, Planung und Bebauung. Er dient der Einführung und dazu, den Hauptartikel 7 von gelungen | nicht gelungen gänzlich dem Siegerprojekt des Wettbewerbes für das Trigon-Museum der Architekten Schöffauer und Tschapeller von 1988 als GELUNGEN widmen zu können. Das Pendant 8 NICHT GELUNGEN soll den Verkauf des Grundstücks und dessen zum Thema haben. Ergänzend zum Wettbewerbsprojekt von 1988 dient der Artikel gelungen | nicht gelungen 7.02, der in zwei Teilen ein Projekt des Verfassers von 1993/95 vorstellt. Es basiert auf einer vom damaligen Landeshauptmann Dr. Josef Krainer unterstützten und von der Fachabteilung 4a finanzierten Studie zum „Archäologiebereich 3. Burghof und Burggarten“. Es erschien mir unpassend, diese Arbeit in den Artikel 7 zu integrieren, da sie vom Hauptthema, dem Projekt Trigon-Museum, ablenken würde. Deshalb die separate und untergeordnete Stellung. Wie sich zeigen sollte, war Artikel 8 über die Bebauung des Pfauengartens nach den von GAT vorgeschlagenen Kriterien zu lang und wurde in drei Teile aufgeteilt. Insgesamt wird die Thematik Pfauengarten in der Serie gelungen | nicht gelungen also in 7 Artikeln behandelt.

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