21/02/2012
21/02/2012

Pilotprojekt "Generationen Wohnen" in Gleisdorf. Eine äußerst prominent besetzte Jury kürte 2008 den Entwurf von Arch. DI Manfred Wolff-Plottegg zum Wettbewerbssieger; Schaubild.

Soll ein Bauwerk realisiert werden, steht am Beginn dieses Prozesses die Definition des Zweckes, der Nutzflächen und Funktionen. Die BauherrInnen, InvestorInnen und/oder NutzerInnen geben in einer Willenserklärung die Bauaufgabe vor. Diese sowie der geplante Kostenrahmen dienen dann in der Regel als Basis für eine Wettbewerbsauslobung bzw. die Beauftragung von ArchitektInnen.

Mit der Zielsteckung alleine ist die Sicherung der Qualität eines Bauvorhabens allerdings noch nicht gegeben. Während der Planungs- und Bauphase müssen zahlreiche Entscheidungen getroffen werden. Um nun ein Gebäude herausragender architektonischer Qualität oder innovativen Charakters zu schaffen, bedarf es des Willens mehrerer Akteure während der gesamten Bauphase. Nur wenn PlanerInnen und AuftraggeberInnen während der gesamten Planungs- und Bauphase alle Entscheidungen zugunsten des zuvor gesteckten Zieles treffen, wird die Realisierung im positiven Sinn gelingen.

Im Fall des Projektes „Generationen Wohnen Gleisdorf“ wurde die vorhergehende „Willenserklärung“, die Steckung der Ziele, von Charlotte Pöchhacker und Bernd Vlay formuliert. Beide hatten die Vision eines innovativen Wohnbaues, welcher als Pilotprojekt das soziale Miteinander der BewohnerInnen thematisiert. Es sollten unterschiedliche Möglichkeiten des formellen Zusammenkommens geschaffen werden. Der Bau von Wohngemeinschaften, die Integration von externen Funktionen und Angeboten sowie die Widmung definierter Flächen für generationenübergreifende Kommunikation waren Kernstück der Idee.

Teil des Konzeptes von Pöchhacker und Vlay war die langfristige Begleitung des Projektes auch nach der Abwicklung des Architekturwettbewerbs. So war vorgesehen, im Rahmen moderierter Workshops die zukünftigen NutzerInnen in der Entwurfsphase einzubinden, um die Basis für den sozialen Mehrwert des Projektes zu schaffen.
Die Auslobung des zweistufigen Wettbewerbs im Jahr 2007 wurde vom Land Steiermark gefördert. Die für die Umsetzung verantwortlichen Wohnbaugenossenschaften ÖWG Wohnbau sowie die Wohn- und Siedlungsgenossenschaft Ennstal waren in der Wettbewerbsphase ebenso integriert wie die Gemeinde Gleisdorf, in deren Zentrum das Projekt realisiert werden sollte.

Eine äußerst prominent besetzte Jury kürte 2008 den Entwurf von Arch. DI Manfred Wolff-Plottegg zum Wettbewerbssieger. Dem Projekt von Wolff-Plottegg wurde im Juryprotokoll der zweiten Stufe attestiert, es enthalte in seiner „eleganten Unaufwendigkeit ‚kein Gramm Fett’ und suggeriere ein hohes Entwicklungspotential für die Umsetzung, die der Entfaltung von Möglichkeiten und nicht dem Abspecken der Qualitäten verpflichtet sei.“

Nach der Wettbewerbsentscheidung führte Charlotte Pöchhacker noch 80 Interviews mit potentiellen NutzerInnen, im Rahmen derer über das Projekt gesprochen wurde, die Visionen präzisiert sowie Vorschläge für die Nutzung der Gemeinschaftsflächen gesammelt wurden. Realistisch umsetzbare Ideen wie ein Hausmeister, der sich über Dienstleistungstätigkeiten einen Zuverdienst schafft, oder eine frei zugängliche Bibliothek, welche von den BewohnerInnen bestückt und gewartet würde, stießen auf allgemeine Zustimmung. Pöchhacker organisierte auch einen Vortrag des Soziologen Raimund Guttmann im „Forum Kloster Gleisdorf“. Guttmann war Teil der Wettbewerbsjury und berichtete über ähnliche Beispiele sozial gelungener und realisierter Wohnbauten. Weitere moderierte Workshops, wie sie Pöchhacker mit den zukünftigen BewohnerInnen des Projektes geplant hatte, scheiterten schließlich an der mangelnden Finanzierung.

Architekt Wolff-Plottegg versuchte im Zuge der Planungsphasen bis zum Abschluss der Einreichplanung Details seines Entwurfs umzusetzen, die ihm unverzichtbar erschienen. Dazu gehörten neben formalen Aspekten vor allem die Ausformulierung der Tiefgarage sowie die Flexibilität der Wohnungsgrößen und der Wohnungsgrundrisse. Er scheiterte in manchen dieser Punkte am Pragmatismus der Wohnbaugenossenschaften. Die Vertreter der beiden Wohnbaugenossenschaften, Bmst. Ing. Johann Frank (ÖWG Wohnbau) sowie DI Erich Feix (Wohn- und Siedlungsgenossenschaft Ennstal) gaben an, sie seien bemüht gewesen, das Wettbewerbsprojekt gemeinsam mit dem Architekten an die Vorgaben von Mietrechtsgesetz, Wohnungseigentumsgesetz und Wohnbauförderungsgesetz anzupassen. Die Flexibilität von Wohnungsgrößen sei gänzlich unrealistisch, da für WohnungskäuferInnen und MieterInnen kein Bedarf an nachträglicher Änderung der Wohnungsgröße bestünde bzw. die Wahrscheinlichkeit gering sei, dass der angrenzende Nachbar kooperiere. Hinsichtlich des Streitpunktes der geänderten Tiefgarage verweisen Frank und Feix auf eine Stellungnahme von DI Johann Tatzl (Leiter des Technischen Referates der Abteilung Wohnbauförderung), welcher der auf Wunsch der Wohnbaugenossenschaften umgeplanten Variante einen höheren NutzerInnenkomfort bei geringen Mehrkosten zuspricht.

Im Zuge dieser Diskussionen, die letztlich dazu führten, dass Wolff-Plottegg nach der Einreichplanung nicht weiter beauftragt wurde, fand keine weitere Einbindung von Pöchhacker und Vlay statt. Deren ursprüngliche Ziele wie frei bespielbare Gemeinschaftsflächen, Funktionen für gemeinsame Nutzungen und sozial-kreative Ideen wurden weder vonseiten des Architekten noch vonseiten der Wohnbaugenossenschaften verfolgt. Das kontinuierliche „Wollen“, die Verfolgung des ursprünglichen Zieles geriet in den Hintergrund. So war anstelle der unterschiedlichen Gemeinschaftsflächen nur noch die Integration externer Betreiber (Kinderbetreuung, Gastronomie etc.) ein Thema, wobei selbst diese nicht gewonnen werden konnten. Der einzige Gemeinschaftsraum, der nun realisiert werden soll, ist nicht nur baulich, sondern auch verwaltungstechnisch in die Volksbank-Filiale integriert, die Teil des Projektes ist, und entspricht somit nicht mehr der ursprünglichen Intention. Die gemeinsam genutzten Dachgärten als Orte der Kommunikation wurden drastisch verkleinert.

Dem Projekt, mit dessen Ausführungsplanung nun das Architekturbüro Frei & Wurzrainer beauftragt wurde, wird aller Wahrscheinlichkeit nach der innovative Charakter eines Pilotprojektes fehlen. Vielmehr wird ein Wohnbau realisiert, welcher den Standards steirischen Wohnbaues genügt. Pöchhacker und Vlay zeigen sich enttäuscht, da sie ihre Visionen und Kernideen weder vom Architekten noch von den Wohnbaugenossenschaften verstanden sehen. Wolff-Plottegg ist ebenfalls enttäuscht, da er seine architektonischen Vorstellungen und seine Projektziele und Visionen des „Generationen Wohnens“ nicht umsetzen konnte.

Das ursprünglich gesetzte Ziel wurde einem Staffelholz gleich mehrmals weitergegeben und hat sich schließlich wie im bekannten Kinderspiel „Stille Post“ verwaschen, sodass kaum etwas davon übrig geblieben ist. Das angestrebte Pilotprojekt scheint am fehlenden kontinuierlichen Willen und Wollen gescheitert zu sein. Es scheint unumgänglich zu sein, dass Bauvorhaben mit einem innovativen Ansatz und hochgesteckten Zielen wie im Fall des Projektes „Generationen Wohnen Gleisdorf“ kontinuierlich begleitet und betreut werden, um die Intentionen des Projektes bis zur Fertigstellung zu erhalten.

Verfasser/in:
Martin Brischnik, für die ZT Kammer
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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