27/07/2015

Von 1. Juni bis 30. September 2015 findet der erste steirische Architektursommer statt. GAT nimmt mit dem Projekt A Tempo – Die mobile High Definition Baustelle teil. ich bin kein spielfeld ist der 20. Clip der Serie.

Konzept & Grafik: Norbert Rusz
Text: Emil Gruber
Videoclips: Nico Schrenk
Musik: Norbert Rusz

27/07/2015
©: Lee Yiu Tung
©: HDA – Haus der Architektur

Lärm. Ich hasse jede Form von Lärm. Ich bin aber nicht als Landjunker tauglich, habe kein Einsiedler-Gen in mir. Ich möchte in der Stadt wohnen. Zentral, aber abseits von Partymeilen, Sportplätzen, Straßenbahnschienen und Einflugschneisen. Ich habe lange gesucht und dann eine Wohnung mit dicken Wänden und hochqualitativen Schallschutzfenstern gefunden. Die wickeln mir das Fernsehprogramm der Soap liebenden Tür-an-Tür-Nachbarn in Watte, bagatellisieren Übungsstunden der italienischen Opernsängerin in der Eckwohnung und bändigen nachtaktive Pubertätshirsche mit ihren übertypisierten röhrenden Einrädern auf der Straße vorm Haus. Die Bausubstanz schützt mich vor den Fliegerangriff-ähnlichen Rasenmäherrunden des Hausmeisters, vor dem Schalltrichter der während Pausen auf den Schulhof getriebenen, dezibelgetränkten Kinder vom Gymnasium gegenüber und vor der Spatzenfamilie, die just im Dachrinnenknick oberhalb meiner Terrasse mir mehrere Eier (in ein Nest) legte, aus dem nach einiger Zeit Schnäbel in tschilpender Dauerschleife hervorlugten. 
Beste Saisonen für absolute Stille sind neben dem Nichtdasein Winter und Übergangsjahreszeiten mit kühlerer Temperatur. Die Kinder bleiben drinnen, die Nester leer und der Rasenmäher ist geparkt, die Fenster abseits kurzer Lüftungszeiten hermetisch verschlossen. 
Ganz schlecht ist die Zeit von Mai bis Ende September, besonders wenn das Thermometer steigt: Offene Fenster, die Nachbarn auf ihren wohnungsanteiligen Freigehegen und damit Lärm in seiner ganzen Artenvielfalt.  
Der hoffnungsvolle Amateurschriftsteller, der das Digitale verweigert, sitzt in Unterhosen am Balkon und hämmert in seine Schreibmaschine. Um den Parkettboden ihrer Parterrewohnung zu schonen, bauen fundamentale Anhänger der Ikea-Sekte in ihrem Vorgarten mit Akkubohrer und Hammer Fabrikör, Tockarp,  Brusali und andere furnierte Schwedenbomben zusammen. Die Rasenbewässerungsanlage des Hausmeisters quietscht und zischt. 
Neulich sangen im Morgengrauen die Studentinnen vom ersten Stock bei ihrer Rückkehr vom USI-Fest lautstark und kaum erkennbar „Back to black“. Trotz dieser Schändung des Andenkens von Amy Winehouse blieb ich noch gefasst. 
Nur gestern, als im Bürogebäude gegenüber beim Sommerfest eine wirklich schlimme Unterhaltungsband auf der Dachterrasse „Atemlos durch die Nacht“ über den Bezirk verteilte und der Horrorchor der Gäste mit einstimmte, geriet ich selbst aus der Panta Rhei-Haltung.
Die Physik lehrt: gleiche Frequenzen, aufeinander losgelassen, heben sich auf. Ich habe meine Musikboxen aufs Fensterbrett gestellt und eine mir von einem Freund mit speziellem Geschmack geschenkte (bisher ungespielte) CD in den Player gesteckt.  
Die Geburtstagslieder für Saddam Hussein verfehlten ihre Wirkung nicht. Nach einigen Protestrufen von gegenüber, die ich nur undeutlich verstand, brach die Band ihr Offen-Luft-Konzert ab und fischte im Inneren weiter. Alles war wieder im Fluss.

Laut 
Privatissimum von Matthias Grilj: Von Terror und ... und von meiner Zerknirschung 

Leiser
Daniel Leising: SonnTAG 243 – Die Macht der Räume

Still 
Ruth Scheuer: SonnTAG 245 – Der Geist des Hauses. Feuerlöscher

Video
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