13/06/2014

Das Gerhard-Hanappi-Stadion in Wien-Hütteldorf wurde 1977 nach Plänen von Gerhard Hanappi, Fußballer und Architekt, fertiggestellt.

2014 soll es einem Neubau weichen

Entwurf: ARC Architektur Concept, Pfaffhausen + Staudte

Totalunternehmer: Strabag

Mittlerweile hat die Tageszeitung Die Presse eine Stellungnahme von Georg Pendl, dem Präsidenten der Bundeskammer der Architekten, eingeholt, worin dieser betont, dass an der architektonischen Form des Stadions großes öffentliches Interesse bestünde und ein derartiges Projekt für die Stadtentwicklung so bedeutend sei wie etwa ein Bezirkszentrum. Schon aus diesem, aber auch aus anderen Gründen wäre ein Wettbewerb angebracht gewesen. (s. Link Kritik an Vergabe)

13/06/2014

Im Kulturland Österreich herrscht Verwirrung in Sachen VergabeKULTUR. Anlässlich des in den letzten Tagen kolportierten geplanten Abrisses des Gerhard-Hanappi-Stadions in Wien-Hütteldorf und dessen Ersatz durch einen Neubau gehen die Wogen in der Architektenschaft des Landes hoch.


Kein Wunder, liegt doch ein Projektentwurf eines Architekturbüros aus Deutschland (ARC-Architektur Concept) vor, bei dem es immerhin um eine Bausumme von 53 Mio Euro gehen soll. Zuvor war vonseiten des Sportklubs Rapid von einer Sanierung und Modernisierung des St. Hanappi die Rede. Dafür waren sogar schon Mittel seitens der Stadt Wien, die bis dato die Eigentümerin des Stadions und des Grundstücks darunter ist, reserviert.

Der Architektenschaft stockt der Atem und Ernst Hanappi, Architekt und Fußballer, dreht sich im Grab um.

Fragen türmen sich auf:
_ Muss sich die Stadt Wien als Eigentümerin des Stadions und des Grundstücks nicht an die Vergabegesetze halten?
_ Fühlt sie sich nicht der Wettbewerbs- bzw der Baukultur verpflichtet?
_ Welche Interessenslagen werden mit diesem Projekt bedient?
_ Wer prüft das bereits abgewickelte Totalunternehmerverfahren?
_ Wer erwirkt bei den politisch Verantwortlichen ein Umdenken und rollt das Projekt nochmals auf?

Und weil wir schon beim Wünschen sind: Wann bitte wird eine Kontrollinstanz eingerichtet, die unabhängig genug ist, die Einhaltung der Vergabegesetze kompromisslos bereits im Vorfeld von Verfahren selbsttätig zu prüfen?

Johannes Zeininger hat die Causa zu folgendem Essay inspiriert:


Ex-Hanappi-Stadion Wien _ Totalunternehmervergabe

... es ist an der zeit, dass alle teilhaberinnen am staatkörper die begriffe gemeinwohl und privatwirtschaftliches gewinnstreben für sich auf eigenständige weise und alltagstauglich mit einigermaßen klaren konturen zurechtlegen und mit der begrifflichkeit klarkommen. 

gemeinwohlaufgaben sind anscheined zu fett herausgebrutzelt, der staat muss sparen, sagen die weight watcher! also gegensteuern, also maastrichtabkommen, denn es geht alle in der EU an, also schuldenobergrenzen, also schlanker staat, damit mehr überbleibt. aber wozu? aber für wen? aber für welchen sektor?

schulen und sonstige gemeinwohlaufgaben nur mehr in PPP. da sind sich unsere stadtregierung aus rot-grün wie die staatslenkerinnen in der EU im gleichklang fast unisono einig. wegen maastricht und den erdrückenden schulden in dieser stadt. steuerberatung muss her! die investitionskosten sind bilanztechnisch als schulden bei den privatwirtschaftunternehmen geparkt, das gemeinwohl behält die weiße weste.  s c h u l d e n f r e i e   i n v e s t i t i o n  2.0 !

am besten auch die lehrerschaft gleich dazu schuldenfrei organisieren? welcher druck kann da von der geprügelten politik abfallen, endlich weiße weste, schwarze zahlen! am besten über eine personal-leasingfirma mit schwerpunkt education. price waterhouse und ähnliche kaliber haben da sicherlich bereits internationale erfahrungen und erfolgsstatistiken. oder zumindest als übergangslösung die auslagerung in eine bildungsagentur. 100% shareholder bleibt vertraglich in bis ins kleinste ausverhandelte verträgen die öffenliche hand, oder vielleicht besser doch mit beteiligung von strategischen partnern? 
anfänglich still und natürlich nur bis zur alles absichernden sperrminorität, später dann, wenn der fachliche kompetenzapparat der gemeinwohlstrukturen abgeschichtet wurde und die öffentliche figur slim ins auge sticht, geht es partnerschaftlich um die operativen vollmachten im fachlichen bereich.

herr dieter hoffmann-axthelm hat unlängst einen vortrag bei der ÖGFA gehalten, der aus meiner sicht wie eine verschlüsselte botschaft in die räume der IG Architektur, gumpendorfer straße 63 b, eingesickert ist  und dort das gemäuer infiltriert hat. sie ist jetzt dort! 

der vortrag war eine aufforderung, über den begriff gemeinwohl und seine organisations-  und interaktionsstrukturen nachzudenken. ein nettes anschauungsbeispiel bildete dabei der historische diskurs über das steuerneinsammeln. bis 1918 waren die steuerbefugten die kommunen. die haben das, was sie nicht zu ihrem eigenen wohlergehen gebraucht haben bzw. was nicht auf deren kommunaler agenda stand, an den übergeordneten staat abgeliefert. inhaltlich wurde das mit den bürgerinnen im gemeinderat ausgemacht. wahrscheinlich geht das seit der florentinischen renaissance so. nach den revolten 1918 und der neuaufstellung vieler staatswesen in der EU wurde die steuerhoheit ausschließlich dem staat zugeordnet, der dann die steuerlichen vorgaben zentral festlegte und die ergebnisse nach unten hierarchisch bis heute verteilt. hoffmann-axthelm konstatiert daraus eine reale entfremdung der bürgerin zum etat und deren verschwindende anteilnahme an gemeinwohlorientierten aufgaben im bereich des täglichen lebensumfelds. eine abstrahierung von kalkül und effizienzüberlegungen ist die folge, eine schnäppchenjagd nach förderungen hat sich dafür breit gemacht. wir wollen/können nicht mehr mitreden, wir wollen nur mehr kriegen, wie die tigerente, und zwar das größte stück.

österreich hat bei extremer umverteilungsquote (fast 50%) auch die höchste förderungsquote. jede und alles wird gefördert. auch die IG Architektur. 

wieso fördert die stadt wien mit angeblich 27 mio. den sk rapid? man braucht sich nur die funktionäre und deren umfeld anschauen, dann weiß man es als gelernte österreicherin. damit will ich nichts gegen rapid gesagt haben, toll wie die ihre nachwuchsförderung aufgezogen haben, das ist echte gemeinwohlarbeit, von der wir alle profitieren.

was wir erst lernen müssen – bei energiefragen wurden wir bereits hellhöriger – ist, was österreich eigentlich mit dem geld einer umverteilungsquote von annähernd 50% macht und ob wir das auch so wirklich wollen.
strom kommt aus der steckdose und gemeinwohl aus .... 



Johannes Zeininger, Dipl.-Ing. TU-Wien, Lektor für Gebäudelehre und konstruktiven Entwurf im Studienzweig Bauingenieurwesen-Baumanagement, FH-Campus Wien

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