06/12/2007
06/12/2007

1964 löste Raimund Abraham ein One-Way-Ticket nach Übersee. An der TU Graz hatte er zuvor studiert und zählte in Wien gemeinsam mit Walter Pichler, Hans Hollein oder Friedrich St. Florian schon zur visionären Avantgarde der Sechzigerjahre. In den USA widmete sich Abraham dann der Lehre, unterrichtete ab 1971 an der Cooper Union in New York und war Inhaber zahlreicher Gastprofessuren, in Harvard und Yale genauso wie in London und Straßburg. Dass er gelegentlich nach Graz zurückkehrte, ist hauptsächlich dem Architekten Günther Domenig zu verdanken, der bis heute ein Freund geblieben ist. Neben dem gezeichneten und gebauten Werk und seiner Lehrtätigkeit war es eine ganze Reihe von Ausstellungen im Museum of Modern Art New York oder auf der Architektur-Biennale Venedig, die Abraham zur charismatischen Identifikationsfigur gemacht hat, der sich auch nie ein Blatt vor den Mund genommen hat. Bis heute ist der gebürtige Lienzer, Jahrgang 1933, nicht gleichgültiger geworden.

Seine Realisierungen sind indes dünn gesät: die Siedlung Traviatagasse in Wien zählt dazu, die Hypobank in Lienz, die Rainbow Plaza in Niagara Falls, ein Wohnbau in der Berliner Friedrichstraße, seine eigene, beachtliche "Einsiedelei" in Mexiko und zuletzt das noch im Bau befindliche "Haus für Musiker" in Hombroich, wo der Anfang November verstorbene Düsseldorfer Sammler Karl-Heinrich Müller mitunter auf dem Areal einer früheren Nato-Raketenbasis ein "Museum Insel" entstehen ließ; ein erstes Einfamilienhaus - ohne Friedrich Gartler-St. Florian, mit dem Abraham seit den späten Fünfzigerjahren ein Büro in Wien betrieben hatte - im burgenländischen Oberwart für den Fotografen Max Dellacher - im Jahr 1963, als auch sein Buch "Elementare Architektur" mit Fotografien von Josef Dapra erschien. Der imposante Bau, eine Mixtur aus burgenländischem Arkadenhaus, barocker Renommieranlage und später "Moderne", steht seit Jahrzehnten leer. Ein Makler versuchte es erfolglos zu verscherbeln, das Denkmalamt ist untätig.

Abraham aber bleibt letztlich der Architekt des Ungebauten, des in kurzen poetischen Notaten Festgehaltenen und des Gezeichneten. Durch utopische Entwürfe für "imaginäre Häuser", das "universale Haus", das "Haus ohne Räume" oder aber seine Experimente mit interaktiven Räumen und temporären Installationen. Das stört ihn nicht, da ihm nicht nur Gebautes als Architektur gilt. An diesem Status vermag auch sein Opus Magnum nicht zu rütteln: das Österreichische Kulturforum in New York, das nach vielerlei Strapazen 2002 doch fertiggestellt wurde. Nicht die Skulptur Architektur interessiert Abraham, auch wenn seine strenge Formensprache das nahe legt, sondern ein elementarer Prozess: die Kollision zweier Welten, der geometrischen mit der physischen. Mag sein, dass seine Gebäude zu fordernd für ihre Nutzer sind. Etwa, wenn ein Wohn- und Geschäftshaus Abrahams wie ein verstaubtes Juwel im Lärm der Grazer Josef Huber Gasse unbeachtet vor sich hinschlummert. Man verneint es besser oder aber lässt sich auf dieses andere Wohnen ein: ein irgendwie archaisches.

Artikel, erschienen im Falter Stmk. 47/07
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