29/07/2003
29/07/2003

Palais de Tokyo, Paris. 2001
Foto: (c) Mechthild Hofer

Casa Latapie, Floriac. 1993
Foto: (c) David Pradel

Casa en Coutras. 2000
Foto: (c) David Pradel

Palais de Tokyo, Paris. 2001
Foto: (c) Mechthild Hofer

Palais de Tokyo, Paris. 2001
Foto: (c) Wolfgang Reinisch

Café "Una", Wien. 2001
Foto: (c) David Pradel

"Beyond Form" - Eine Ausstellung über die Architekturen von Lacaton & Vassal im AzW Architekturzentrum Wien

Was "Jenseits der Form" aus einer immer ebenso sorgfältigen wie profunden Auseinandersetzung mit Gegebenheiten, der genauen Beobachtung, ständiger Reflexion und eingehender Kommunikation entstehen kann, zeigt derzeit eine Personale über das französischen Architektenduo Anne Lacaton und Jean Philippe Vassal: Räume.

Das klingt ebenso einfach wie selbstverständlich, würde erstens Architektur nicht häufig über die Form als maßgebliche Qualität verhandelt - bisweilen wichtigstes Kriterium der Betrachtung dessen, was gute Architektur ist und würde zweitens dem Phänomen Raum in seinen vielschichtigen Bedeutungsebenen in der Auseinandersetzung über Architektur jene Bedeutung beigemessen, die ihm eigentlich zustünde.

Lacaton & Vassal schaffen Räume von außergewöhnlicher Qualität: Vom Haus für eine Familie bis zur Universität entwickeln sie ihre Gebäude von Innen nach Außen immer auf der Suche nach bestmöglichen Lösungen im Sinne eines "Maximum an Raum für ein Minimum an Budget", die Optimierung zweier Ansätze der Moderne, wie es Ilka und Andreas Ruby formulieren - der eine "Die Wohnung für das Existenzminimum" hervorgegangen aus dem CIAM Kongress 1929 in Frankfurt "Minimal-Budget = Minimal-Raum", der andere "Maximal-Raum = Maximal-Budget" am Beispiel Mies van der Rohes "Haus Tugendhat" in Brünn (1928-30). (1)

Gebäude also mit den räumlichen Qualitäten eines "Hauses Tugendhat" zum Preis für eine "Wohnung des Existenzminimum", ein Luxus, der den herkömmlichen Aufwand überschreitet, allerdings frei von Verschwendung, es sei denn, man setzt die Großzügigkeit von Raum gleich mit Verschwendung.
Etwa am Beispiel des "Haus Latapie" in Floriac (1993), wo der als Wintergarten kozipierte Teil in Form des kostengünstigen Einsatzes von Elementen aus dem Gewächshausbau ganz selbstverständlich zum Hauptraum des Hauses wird, anstelle als Abstellplatz für Palmen zu dienen.
Elemente von vorgefertigten Gewächshäusern finden in unterschiedlichsten Ausformulierungen sowohl bei Einfamilienhäusern (zB als Ganzes in doppelter Ausführung am Beispiel des Hauses in Coutras, 2000) als auch an größeren Bauten (zb Universität in Grenoble) Anwendung und schaffen immer Räume von wunderbarer Leichtigkeit.

Ein ungewöhnliches Projekt ist das "Palais de Tokyo" in Paris, 2001: Das ursprüngliche "Museum Moderner Kunst" der Weltausstellung von 1937 beherbergte bis 1967 die Kunstwerke der Sammlung des "Nationalmuseums Moderner Kunst", bis zu deren Übersiedlung in das Centre George Pompidou.
In weiterer Folge wurde das Gebäude sukzessive ausghöhlt bis zum Versuch eines Umbaus in einen "Kinopalast", ein Unterfangen, der aus Kostengründen gestoppt wurde, woraufhin ein Wettbewerb für eine "Kreativzentrum" als Plattform für einen französischen und internationalen Dialog als Ort der kreativen Auseinandersetzung mit Minimalbudget ausschrieben wurde.
Vorhanden war die rohe Betonstruktur mit großen Räumen, die Industiehallen glichen, ein krasser Gegensatz zu den pompösen Fassaden außen.
Genau diese Qualität griffen Lacaton & Vassal auf und veknüpften es mit der Idee eines Platzes in der Stadt mit möglichst viel Außenbezug. Anleihe nahmen sie am Djema-el-Fnaa Platz in Marrakesh als idealen Ort der Kommunikation und des Austausches.
Interventionen sind ebenso sparsam wie kostengünstig, etwa ein einfacher Bauzaun als Trennung zwischen Café und öffentlichen Raum - insgesamt eine Ausnahmeerscheinung im an form- und detailvollendeten Paris wie man es kennt.
Herausgekommen ist ein sinnlicher Ort des kreativen Dialogs.

Nicht zu vergessen, die Gestaltung des Café-Restaurant "Una", das Lokal des Architekturzentrum Wien, dessen Gewölbe Lacaton & Vassal von einem in Wien lebenden türkischen Künstler in einen orientalischen Himmel verwandeln ließen als Kontrast zur unrsprünglich strengen, militärischen Archiektur, die selbst den Himmel zähmte.

(1) Ilka & Andrea Ruby, "Arquitectura naif. Notas sobre el trabajo de Lacaton & Vassal. Naive Architecture: Notes on the Work of Lacaton & Vassal", in: 2G, n.21, Revista internacional de arquitectura. International Architecture Review, S. 6f.

Verfasser/in:
ute angeringer
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