26/11/2006
26/11/2006

sonnTAG 156

sonnTAG 156

Im Rahmen der Kinder- und Jugendworkshops in Oberwölz und Deutschlandsberg, veranstaltet im Frühjahr 2006 von der Literaturwerkstatt Graz, entstanden zahlreiche Geschichten zum Thema "Meine Stadt"......

... die im September 2006 von den jungen AutorInnen selbst im Literaturhaus Graz gelesen wurden. Anlass dafür war die Präsentation des Buches mit den gesammelten Geschichten der beiden Workshops.

Im März und April 2006 haben sich 13 Jugendliche im Alter von 8 bis 14 Jahren in zwei Literatur-Workshops in Oberwölz und Deutschlandsberg mit ihrem Lebensumfeld auseinandergesetzt. Zum Thema "Meine Stadt" sind Geschichten entstanden, die einen Einblick in die Gedanken-, Wunsch- und Fantasiewelten von Jugendlichen geben.
GAT veröffentlicht nun, mit freundlicher Genehmigung der Literaturwerkstatt Graz, an vier aufeinander folgenden sonnTAGen eine kleine Auswahl.
Das Buch mit den gesammelten Geschichten, die im September 2006 von den jungen AutorInnen im Literaturhaus Graz gelesen wurden, erhalten Sie im Kinderbüro Steiermark oder bei der Jugend-Literaturwerkstatt Graz (siehe LINK am Ende dieser Seite)."Meine Traumstadt"
Ausgedacht und schriftlich festgehalten von Antonia Kranzelbinder, 9 Jahre

Morgens wachte ich schon mit einem Gefühl der Vorfreude auf, denn heute war ein Besuch in der Stadtbibliothek geplant. Mir war wieder einmal der Lesestoff ausgegangen. Meine Mutter setzte mich Punkt halb neun vor der Bibliothek ab und fuhr dann weiter zum Einkaufen. Mit dem Hinweis „du brauchst ja sicher eh wieder lange“, verabschiedete sie sich. Ich betrat die Bücherei und ging in die letzte Reihe, wo meine Lieblingsbücher einsortiert sind. Ein Buch ohne einen Titel, nur mit einem weißen Einband, machte mich neugierig. Ich nahm es aus dem Regal, es war eiskalt. Als ich es aufschlug, klopfte mein Herz wild und ein warmer Wind strich mir übers Gesicht. Plötzlich zog es mich in das Buch.
Überall tanzten Buchstaben, die sich langsam auflösten. Das Buch lag neben mir, auf einer großen duftenden Wiese. Links von mir befand sich ein Wald, rechts von mir eine Siedlung mit kleinen bunten Häusern, die total einladend aussahen. „Was war passiert?“ fragte ich mich. Die Antwort gab mir ein Pony. Dieses Pony hatte unglaublich schöne Augen und lange Stirnfransen. Ich sah an mir hinunter, jetzt erst bemerkte ich, dass ich ein gelbes Kleid trug, mit flauschigen Federn dran. „Komm, ich führe dich in die Stadt.“ Fragend sah ich das Pony an, das sprechen konnte. „Hier kann jedes Tier und jeder Baum und jede Pflanze sprechen, du musst dich nicht wundern.“ Ich fasste sofort Vertrauen zu dem Tier und folgte ihm neugierig in die Stadt. Ich konnte nicht begreifen, dass das, was ich mir immer gewünscht hatte, Wirklichkeit wurde: meine Traumstadt lag vor mir. Das Pony lächelte mich an.
Jedes Haus sah anders aus, runde und eckige Fenster und Türen gab es und viele verschiedene Farben leuchteten von den Hausmauern. Zu jedem Haus gehörte ein Springbrunnen, aus dem das Wasser in Pastellfarben sprudelte. Außerdem gab es hier Pflasterstraßen.
Meine Bewunderung zogen die Tiere auf sich, die hier frei herumliefen. Hunde, Katzen, Pferde, Vögel, Hühner, Schweine und Kühe und das alles ohne Käfig und Stall.
Nun begegneten mir die Bewohner der Stadt. Sofort bemerkte man einen Farbstrahl so ähnlich wie ein Regenbogen, der um die Köpfe der Bewohner tanzte. Deshalb nannte ich die Bewohner Lichttänzer. In mir löste es ein Gefühl der Fröhlichkeit aus, die scheinbar von diesen Menschen ausgestrahlt wurde. Ein Hügel aus lauter Blumen, die so herrlich dufteten, lud mich zum Ausruhen ein und gab mir die Möglichkeit, diese Lichtstadt zu beobachten.
Zeit schien hier keine Rolle zu spielen, die Lichttänzer benutzen keine Uhren. Erwachsene und Kinder spielten auf den vielen grünen Plätzen und verschiedenfärbigen runden Inseln.
Jeder wurde hier wichtig genommen, als eine eigene Persönlichkeit geschätzt und nicht danach bewertet, ob er reich oder arm ist, ob er dick oder dünn ist, alt oder jung. Hier wurde nicht gefragt, ob man das neueste Handy besitzt. Hier gibt es nämlich keine Handys, auch kein Fernsehen, keine Computer, keinen Alkohol und Zigarettenqualm. Hier werden Gespräche und Gemeinschaft groß geschrieben. Jedes Tier und jeder Baum, sogar jede Pflanze kommen zu ihrem natürlichen Recht der Gleichberechtigung. Deshalb strahlt wohl alles so...Eine wahre Energietankstelle ist das hier. Ein unbeschreibliches Glücksgefühl schleicht sich an, es wird immer größer und mir laufen die Freudentränen übers Gesicht. Ein warmer Wind weht über mein Gesicht, das Buch liegt auf einmal wieder neben mir, Buchstaben fangen zu tanzen an, mir wird schwindlig und ich fühle mich schwer. Meine Augen öffnen sich, meine Hände halten wieder dieses Buch, Stimmen dringen an mein Ohr.
Die Bibliothekarin fragt mich, ob ich ein Buch gefunden hätte? Ja, das habe ich......
TeilnehmerInnen der Workshops in Oberwölz und Deutschlandsberg waren:

Lena Bodner, 14 Jahre, Graz
Sigrid Ehrenreich, 14 Jahre, Stübing
Marie Gamillscheg, 14 Jahre, Graz
Antonia Kranzelbinder, 9 Jahre, Edelschrott
Lorenz Müller, 13 Jahre, Markt Hartmannsdorf
Leonora Peuerböck, 13 Jahre, Graz
Valentina Pock, 13 Jahre, Graz
Julia Schöggl, 9 Jahre, Graz
Valerie-Therese Taus, 12 Jahre, Graz
Viktoria Urbanek, 13 Jahre, Leoben
Alexandra Weinberger, 14 Jahre, Mürzhofen
Sarah Melanie Zechner, 10 Jahre, Oberweg (Judenburg)
Iris Christina Zechner, 12 Jahre, Oberweg (Judenburg)

Werkstattleitung, Betreuung:
Martin Ohrt (Graz)
Miroslava Valentová (Bratislava)
Naa D¸ubur (Leibnitz)

Verfasser/in:
Antonia Kranzelbinder, 9 Jahre
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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