17/12/2006
17/12/2006

Raumdarstellungen mit dem eigenen Körper...

...und was passiert, wenn Räume zu eng werden.

...aus der Natur oder aus Verpackungsmaterial...

...gestaltet mit unterschiedlichsten Materialien

Ganz persönliche Wohlfühlräume...

sonnTAG 159

Nordamerika

Stadtplanungsprozesse

Der Turnsaal wird zur Weltkarte: Südamerika

Australien

Asien

Afrika

Nach den Besprechungen wird gearbeitet...

"World City" mit dem geschichtenerzählenden Reiter am Hauptplatz

Abschließende Besprechung der Arbeiten Projekt: "Shopping City Stari Grad"

...aber diskutiert wird bis zum Schluss

Projekt: "Nature City"

"Raumreisen"
Von inneren Landschaften über Ozeane, durch Wüsten und Städte bis in die Weiten des Weltalls.
Ein fächerübergreifender Workshop mit der 1.b Klasse der Roseggerhauptschule Knittelfeld im Rahmen des Programms „RAUM spüren - (be)greifen - bauen“ des ZIVILTECHNIKER-FORUM für Ausbildung und Berufsförderung Graz

„Raum ist ein Existential des Menschen. Wir kommen nicht irgendwie in Raum und Zeit vor, sondern wir sind selbst räumlich und zeitlich. Wir existieren räumlich und zeitlich. Das ist eine fundamentale, unsere gesamte Existenz betreffende Tatsache. Wir müssen Sein und Zeit und Raum durch unsere Existenz leisten. Wir müssen uns räumlichen und zeitigen.“ (1)
Dieser philosophische Ansatz Franz Xaver Baiers zum Phänomen Raum beschreibt eigentlich nichts anderes als jenen Prozess, den wir in den ersten Lebensjahren vollziehen: Von der Geburt an und die ersten Jahre unseres Lebens verbringen wir die meiste Zeit damit, uns die umgebenden Räume anzueignen, uns zu orientieren; vom ersten Drehen des Kopfes, über das erste Raumgreifen mit den Händen und Armen, bis zur Drehung des ganzen Körpers als Voraussetzung dafür, Positionen zu finden, die eine Fortbewegung ermöglichen. Zuerst im Kriechen, dann im Gehen bis zum Laufen, Hüpfen und Springen. Die vollständige Entwicklung des gesamten Bewegungsspektrums ist Voraussetzung für eine Weiterentwicklung, sowohl auf emotionaler als auch auf intellektueller Ebene, für die Identifikation und Orientierung des erwachsenen Menschen in Raum und Zeit.

Aus diesem Selbstverständnis erschließt sich der Sinn von Architektur als Gestaltung von Raum von selbst und damit auch die Notwendigkeit, dieses in der Schule zu lehren.
„Der Raum ist der dritte Lehrer“; ein schwedisches Sprichwort, das auch auf unsere Breitengrade anwendbar ist.
Im Rahmen des Programms „RAUM spüren - (be)greifen - bauen“ des ZIVILTECHNIKER-FORUM für Ausbildung und Berufsförderung Graz war es möglich, gemeinsam mit zwei engagierten Lehrerinnen, Friedburg Kowatsch und Helga Schaflechner, an der Roseggerhauptschule mit der 1.b Klasse ein Modul des Programms in den Lehrplan zu integrieren. Der Workshop umfasste 10 Unterrichtseinheiten an drei Vormittagen und neben Leibesübungen und Bildnerische Erziehung wurden auch Lehrinhalte der Fächer Geographie und Deutsch miteinbezogen.
Ziel des Workshops war es, den Schülerinnen und Schülern das Phänomen RAUM bewusst zu machen, die Wahrnehmung für Raumqualitäten zu sensibilisieren und diese auch zu auszudrücken: sprachlich, schriftlich und künstlerisch mit unterschiedlichen Materialien.

AUFWÄRMEN MIT RAUMÜBUNGEN

Die Annäherung an das Phänomen Raum erfolgt über die Raumwahrnehmung mit allen Sinnen sowie Raumerfahrungen mit dem eigenen Körper.
„Auch Tiere, Pflanzen, Landschaften, Farben, Düfte, Geschmack, Sprache haben räumliche Wirkungen. Und wir können davon ausgehen, dass das Zusammenwirken verschiedener Elemente unter bestimmten Voraussetzungen Zustände schafft, die etwas völlig Neues erzeugen.“ (F.X. Baier)
Welche Sinne haben wir eigentlich? Mit Tast- Hör- Seh- Geruch- und Geschmacksinn nehmen wir den Turnsaal bewusst wahr. Es ist ganz erstaunlich, welche Eigenschaften ein an sich „fader“ Raum besitzt: glatte und warme, glatte und kalte, harte weiche und raue Oberflächen. Und was wir hören, wenn wir selbst ganz leise sind und dem Raum lauschen: Geräusche von draußen, eine Lüftung? Gerüche, die uns sonst noch nie aufgefallen sind wie Verbranntes (von den Heizkörpern), Treibstoff von Draußen, Parfum, Waschmittel...
„(Räume) können tragen, angreifen zärtlich werden. Sie können ambulant, flüchtig, stark und beständig werden. Sie können sich dehnen, strecken, runden, abheben, fliegen und uns mitnehmen.“ (F.X. Baier)
Der eigene Körper ist die erste Bezugsgröße für den Raum. Durch die Arbeit mit dem eigenen Körper wird dieser als Wahrnehmungsinstrument begriffen und erforscht. Mit unserem Körper können wir gebauten Raum – Architektur darstellen und spüren:
- wir bauen Plätze, quadratisch, rechteckig, rund, dreieckig mit unterschiedlichen Grenzen
- wir bauen Wände, Täler, weit, eng, gerade, gebogen
- wir bauen einen Himmel
Was passiert, wenn Räume zu eng werden? Die unmittelbare Raumerfahrung, die sich aus einem immer enger werdenden Kreis um die Schülerinnen und Schüler in der Mitte ergibt, wenn Panik ausbricht und deren mögliche Folgen, diskutieren wir ausführlich.

REISE ZU DEN GANZ PERSÖNLICHEN RÄUMEN

Eine stabile Innenwelt ist für den Menschen wichtig, um Äußeres aufzunehmen, zu verarbeiten, zu strukturieren und zu größeren Lebenseinheiten zusammenzubauen. Sie ist Voraussetzung für den individuellen Lebensraum.
So schwierig es im Turnsaal war, eine Minute lang dem Raum zuzuhören, so konzentriert begeben sich die Schülerinnen und Schüler im zweiten Teil des ersten Vormittags auf die Reise zu den inneren Bildern und Landschaften und lassen ihrer Phantasie freien Lauf. Die Umsetzung der ganz persönlichen Wohlfühlräume mit gesammelten und mitgebrachten Materialen unterschiedlichster Art, viele stammen aus der Natur, aber auch Knopfgläser der Großmütter wurden geplündert, gewähren kleine Einblicke in die Innenräume der jungen Architektinnen und Architekten.
Im Deutschunterricht beschreiben die Schülerinnen und Schüler ihre Räume als Ergänzung zu ihren persönlichen Steckbriefen, die sie bereits verfasst haben.

ORIENTIERUNG ODER FÜNF KONTINENTE IN EINEM TURNSAAL

Warum brauchen wir Orientierung? Warum sehen Landschaften in Europa im Norden anders aus als in Afrika, das im Süden liegt?
Wir diskutieren die Abhängigkeit der Erde ist von einem größeren Raum, der sie umgibt: dem Weltraum und verwandeln anschließend den Turnsaal in eine sehr große Weltkarte, nachdem wir uns zuerst Orientierung verschafft haben. In fünf nach dem Zufallsprinzip eingeteilten Gruppen zeichnen die Schülerinnen und Schüler den ihnen zugeteilten Kontinent mit Baustellenband nach, um anschließend auf dem jeweiligen Kontinent eine Mindmap zum Kontinent zu erstellen: Welche Landschaften prägen den Kontinent, welche Tiere, Blumen, Bäumen, Wälder kommen auf diesem Kontinent vor...
Aus einem Pool aus unterschiedlichsten Landschaften suchen sich die Schüler jene Bilder aus, die für Sie zu ihrem Kontinent passen.
Die Grenzverhandlungen zwischen Europa und Asien gestalten sich schwierig, Europa hat zudem mit inneren Konflikten zu kämpfen, da es Unterschiede im Engagement gibt. Nord- und Südamerika trennen sich sofort – nach Buben und Mädchen. Australien und Afrika konzentrieren sich unabhängig von den anderen auf ihren Kontinent. Für manche Kontinente reicht ein großes Plakat nicht aus und alle Kontinente geben „eine Vielzahl verschiedener Raumstrukturen wieder, in denen wir uns zugleich aufhalten: geometrischer Raum, geschichtlicher, sozialer, dinglicher, allgemeiner, privater,“ um es in Baiers Worten auszudrücken. Die Armut Afrikas und das gleichzeitige Vorhandensein von Arm und Reich in Südamerika werden genauso angesprochen wie die beeindruckenden Wüstenlandschaften Afrikas und die außergewöhnlichen Formen der Reisfelder Asiens.

WENN SICH VIELE MENSCHEN AN EINEM ORT ANSIEDELN ENTSTEHT EINE STADT

Jeder Schüler schreibt für sich auf, was alles zu einer Stadt gehört. Gemeinsam diskutieren wir, was eine Stadt ausmacht und schreiben die Begriffe auf die Tafel. In Fünfergruppen werden die Schülerinnen und Schüler zu Planern ihrer eigenen Stadt.
Wo kommt das Wasser in eurer Stadt her? Welche Verkehrswege gibt es? Wie sieht das Zentrum aus? Wo gibt es Plätze? Und welche Gebäude sind für euch wichtig? Findet auch einen Namen für Eure Stadt. Wie schwierig es sein kann, einen Konsens zu finden, zeigen die mitunter heftig und laut geführten Diskussionen. Und dennoch entstehen fünf völlig verschiedene Städte: von der „Nature City“, die naturnahe am Meer liegt und deren Menschen hauptsächlich von Fischfang leben bis zur „Shopping City Stari Grad“, die fast ausschließlich auf Konsum ausgerichtete Stadt.

AUSSTELLUNG UND REFLEXION

In der abschließenden zweistündigen Einheit gestalten wir mit allen Werken eine Ausstellung und besprechen die einzelnen Arbeiten in der Gruppe.
Das Feedback der Schüler: Der Workshop war cool, lässig und anstrengend.
Für mich war es eine wertvolle Erfahrung, wie lustvoll Lernen sein kann.Das ZT-FORUM der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Steiermark und Kärnten bietet unterschiedliche Module der Architekturvermittlung für Schulen zum Thema "RAUM spüren – (be)greifen – bauen" für steirischen Pflicht- und höheren Schulen an. Die Projekte werden von Kultur Kontakt Austria finanziell unterstützt.

Nähere Informationen und Kontakt:
ZT-FORUM
Michaela Grössing,
T 0316/811802, F DW- 5
zt-forum@arching.at

Verfasser/in:
Ute Angeringer-Mmadu
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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