27/05/2007

Bernhard Hafner zum
New Yorker Architekten Shadrach Woods
 
BERNHARD HAFNER
wurde 1940 in Graz geboren. Er studierte an der Technischen Universität Graz und an der Harvard University. Hafner war Professor und Gastprofessor an der University of California, Los Angeles (bis 1974), Cornell University (1974), University of Texas, Arlington (UTA, 1977-79) und am New Jersey Institute of Technology (2000, 2005). Er ist seit 1976 als freischaffender Architekt tätig und betreibt seit 1980 ein Architekturbüro in Graz. Außerdem ist er Verfasser zahlreicher wissenschaftlicher Arbeiten und theoretischer Texte zur Architektur.

HINWEIS: sonnTAG 175 "Words and Pictures – The Designer’s Dilemma" - Vortrag von M. Shadrach Woods, Symposion 64, Paris. Ausgewählt von Bernhard Hafner

sonnTAG 176 ist erstmalig am 27.05.2007 in der Reihe "sonnTAG"  erschienen.

27/05/2007
©: Bernhard Hafner

Abb. 1: Zentrum Frankfurts vor der Zerstörung

Abb. 2: Zentrum Frankfurts nach der Zerstörung

Abb. 3: Candilis, Josic, Woods, Wettbewerb Frankfurt-Römerberg, 1963

Abb. 4: Candilis, Josic, Woods, Wettbewerb FU Berlin, Konzept, 1963

Abb. 5: Candilis, Josic, Woods, Wettbewerb FU Berlin, Konzept, 1963

Abb. 6: Frischenschlager, Fritz, Hafner, Projekt Uni Salzburg, Konzept und Lage, 1963-64

Abb. 7: Frischenschlager, Fritz, Hafner, Projekt Uni Salzburg, Strukturplan

Abb. 8: Frischenschlager, Fritz, Hafner, Projekt Uni Salzburg, Schnitte

Abb. 9: Hafner, Projekt Uni Salzburg, Grundriß OG2

Abb. 11: Hafner, Projekt Flußüberbauung, 1965

Arch. DI Bernhard Hafner, Graz

Der New Yorker Architekt Shadrach Woods

In diesem Text geht es um Shadrach Woods, einem New Yorker, der als einer unter vielen im Atelier Le Corbusiers gearbeitet und dann zusammen mit Candilis und Josic ein vor allem städtebaulich erfolgreiches Büro führte. Der Lebensabschnitt, über den ich schreibe, beginnt um 1960, als er das damals mit großer Aufmerksamkeit bedachte Projekt für die neue Stadt Toulouse-le-Mireille geistig schon hinter sich gelassen hatte. Erst hier beginnt für mich seine Bedeutung. Ich schreibe nicht aus der Distanz, sondern aus der persönlichen Begegnung mit ihm, zuerst 1964 und dann 1967. Deshalb die Ich-Form.

Um 1960 war das Berufsbild des Architekten und seine Welt noch gefestigt aber schal geworden. Wandel lag in der Zeit. Das Team X hatte in der CIAM-Bewegung die Führung übernommen und damit das Spektrum verengt und individualisiert. Neue drängen hinein: Peter und Allison Smithson, JB Bakema, Aldo van Eyck, O M Ungers, um einige zu nennen. Hollein präsentiert sein Kerzengeschäft; John Volcker fungiert als Schriftführer. Damit ist immerhin eine Avantgarde des Berufsstandes versammelt. In der Öffentlichkeit aber wurde vielfach ein Abklatsch von dem gebaut, als was für den unbedarften Geist als das Moderne galt: mit Schachteln samt Fens-terbändern meinte man im deutschsprachigen Raum in der Tradition des Bauhaus zu stehen. Die Diskussion kreiste um Flachdächer.

Es ist zugleich eine Zeit des Aufbruchs jüngerer, von den Kriegsjahren und der dabei verlorenen Zeit nicht oder kaum Belasteten, die die Tradition der Moderne aufnahmen und ihre Beiträge als Architekten, nicht Denker, leisten konnten. In Wien etwa die Dreiviertler (Holzbauer, Kurrent, Spalt), die einen räumlich schönen Umbau einer kleinen Kirche und dann ein Kloster bei Salzburg bauten, Gsteu und, erfolgreich aus dem Baltikum wiedergeboren, Roland Rainer.

In Graz die Werkgruppe mit dem Studentenwohnheim am Hafnerriegel (wo ich als Student den Dachaufbau entwarf) und der Mensa der Karl-Franzens-Universität; die Gruppe Ilgerl, Peneff, Walch mit der Eishalle und der Autobahnmeisterei und in der Folge die Partnerschaft Huth-Domenig mit der Pädagogischen Akademie in Eggenberg. Sie brachten einen in der Schweiz von Förderer skulptural geprägten Gestaltungswillen nach Graz und personalisierten die Architektur damit mehr als alle anderen auf eine Art, die im deutschsprachigen Raum auf mehrere Jahre sehr erfolgreich war, dem aber zugleich der theoretische Unterbau fehlte, der ihm zu einer Breitenwirkung hätte verhelfen können: So richtig reif für den Persönlichkeitskult war die Architektenschaft damals noch nicht.

Einflußreicher war der Bau der Siedlung Halen bei Bern des Atelier 5. Sichtbeton war jetzt das neue Material, Verputz war out – das stärkste Zeichen, daß man über das Bauhaus und den LC der Vorkriegsjahre hinaus war. Die Smithsons und Ungers aber verwendeten auch den Ziegel als Ausfachung oder skulptural (Haus am Hansaring in Köln).

Das Wirken von Persönlichkeiten wie Bakema, Aldo van Eyck, den Smithsons und Ungers ist Beispiel dafür, daß die Weiche für eine Architektur abseits der aus der frühen Moderne kommenden Hauptstrecke gestellt war. LC hatte einen Altersstil vervollkommnet, der aber keinen Ansatzpunkt für eine allgemeine Richtung bot: Wer war schon ein Le Corbusier? Man war also entweder ein nachschöpferischer Gefolgsmann, der ein gewisses Vokabular beherrschte, wie Wogenscky, oder man suchte Halt, wie man in der Straßenbahn nach der Halteschlaufe greift. Wie Bermoser meinte: „Was willsch machen, Kas mit Löchern, Fenschterbänder oder Vorhangfassaden?“

Kahns Einfluß, des zweiten großen Architekten neben Le Corbusier, zeigte sich sporadisch unter Studenten, in Graz in der Arbeit von Gartler und Rieder qualitätvoll, im allgemeinen aber eher als zeichnerischer Stil und gedanklich mißverstanden. Der Ausweg aus Richtungslosigkeit schien, die Architektur der Person zu unterwerfen, sie zu individualisieren und zu personalisieren, ohne einen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit zu erheben. Die Theorie ging ins Abseits. Ganz ähnlich wie jetzt in der Postmoderne die Macher das Sagen haben, nachdem Derrida und Baudrillard, die Auslöser und Denker, ihre Schuldigkeit getan haben, Gehry und Hadid als Prima-donnen kaum Vorbilder sein können und das gilt, was in Photo oder Schaubild aufregend anzuschauen ist, stand auch damals im Berufsbild das Machen im Vordergrund, das Aufholen von in Kriegsjahren verlorener Zeit. Heute spricht Achleitner davon, daß Architekturkritik nicht mehr möglich sei. Böckl meint, Architekten läsen nicht, also wozu was schreiben. Man wolle was sehen.

Aber so schlimm stand es um die Architektur um 1960 noch nicht, denn es gab eine Architektur abseits der leidenschaftlichen Genies mit (Bakema) oder ohne Herz (die Smithsons). Es gab die Utopisten: Yona Friedman, Constant / New Babylon, Kenzo Tanges Tokyo-Bucht Plan, Gartler-Rieders Vertikale Stadt und Hafners City-in-Space 1966. Zuvor hatten Absolventen der Technischen Hochschule Graz, wie Rai-mund Abraham, Friedrich St. Florian – beide waren bald in die USA gegangen -, „Idealprojekte“ verfaßt und, wie Hans Ilgerl, an internationalen Wettbewerben teilgenommen und auch gewonnen. Ideen herrschten hier in einem von Kriegsheimkehrern und dem Geschäft – man nannte es „Wiederaufbau“ – oktroyierten Bereich von Hof- und Un- und Kammer- und anderen Räten. Das war vielleicht eine andere Welt! Man hätte die Thesen, wie einst Luther, an die Türe der Architektur schlagen müssen. Ich tat dies in der Ausstellung „Architekturalternativen 1 - Struktureller Städte-bau“, 1966, in der Neuen Galerie in Graz. Man liebte uns mehr oder weniger, denn wir waren keine Konkurrenz fürs Geschäft. (Ich wäre allerdings beinahe vor Gericht gekommen.)

Aber es gab in der ersten Hälfte der sechziger Jahre auch im Beruf so etwas wie eine Revolution. Sie war gegen all die Städte- und Architekturbauer gerichtet und war im Stillen gereift. Sie wurde von Shadrach Woods getragen, der sie mit seinen bahnbrechenden Wettbewerbsarbeiten für Frankfurt-Römerberg [Abb.1-3] und die Freie Universität Berlin [Abb. 4,5] der Öffentlichkeit präsentierte. Die erstgenannte war abgelehnt, mit der zweiten hatte er den ersten Preis gewonnen. Nichts schien mehr so, wie es war. Obwohl selbst bei der CIAM Team X Parade in Otterloo 1959 dabei gewesen, war Woods keines der sich in „ihrer“ Architektur in Sicherheit wägenden Mitglieder der Gruppe; kein Bakemascher Draufgänger sondern eher ein Denker. Vernunft, Konsistenz des Denkens, „warum?“ zu fragen anstatt „warum nicht?“ liegt, so wie ich ihn erlebte, seiner Welt zugrunde. Raum, beginnend als Stamm, der zum Web wird. Außen- und Innenraum sind als unterschiedliche Sicht- und Erlebniswelten aufgehoben. Es gibt Architektur, in der das Innen zugleich das Außen ist, außen drinnen ist und umgekehrt. Vor allem aber gibt es Ordnung. Die Erschließung, das Netz, wird zum Objekt, an dem Architektur kristallisiert.

Mir war diese Architektur eines offenen, in Ausbau und Komplettierung veränderbaren Systems sofort bewußt, traf es doch, wie ich meinte, genau mein erstes Netzwerkprojekt aus 1962-63, einen Wohnbau mit externen, volumetrisch angeordneten Erschließungen von unterschiedlich ausbaubaren Zonen in Abständen, die von der Besonnung abhängig sind. Jung wie ich war, war ich bereit zu lernen, Woods zugleich abzuändern und zu ergänzen. Beispielsweise erschien mir das Prinzip, Baukörper unterschiedlicher horizontaler Ausdehnung dem gleichen statischen System zu unterwerfen, falsch: größere Weiten mit höheren Balken zu überspannen statt zu einem anderen Tragwerk zu greifen, beispielsweise zu einem Faltwerk oder einer Schale für einen Hörsaalkomplex.

Woods sah diese Uniformität wohl als Klarheit und Ausdruck von Stringenz, ich als mangelnde Vielfalt und Abwechslung, wenn nicht Eintönigkeit. So entwarf ich das strukturale Projekt einer Universität für Salzburg am Fuße des Mönchsbergs (Abb.6-9), eine Flußüberbauung als kleine, nach allen Koordinaten offene Stadtzelle [Abb.10,11] und, parallel dazu, die Utopien der Ausstellung 1966. Dann folgte, unter dem Kammerdiktat sich der Ausweglosigkeit auf Jahre hinaus nichts planen und bauen zu können, mein Umzug in die USA. Statt untätig Zeit zu dienen, schon eher an sich selbst arbeiten und die Schaffenskraft, Beharrlichkeit und Leidensfähigkeit der Jugend einsetzen. Den eigenen Weg gehen und nach Möglichkeit in Gebiete vorzudringen, die einem hier verschlossen waren (und sind).

Woods’ Einfluß blieb zeitlich beschränkt. Richtig Fuß fassen konnte er nicht. Wer wollte schon einen Führer, zumal einen, dessen Arbeit zwar stringent, schlüssig, fokussiert und gedanklich aufregend war, nicht aber spektakulär im Sinne von LC oder Kahn - und selbst diese hatten kaum mehr oder schon Einfluß. Er nahm sich selbst sehr zurück. Ich konnte mir keinen größeren Gegensatz zu mir vorstellen: während ich jedermann überzeugen wollte und besessen war vom Neuen, das ich später eine parallele Moderne nennen sollte, war Woods zurückhalten, mit wenig Glanz in den Augen. Er schien alles auf den Inhalt konzentrieren zu wollen, nicht auf den Eindruck. Wenn Bakema auf mich zuging, um mich zu umarmen, trat Woods eher einen Schritt zurück. Er schien mir mehr Philosoph zu sein, denn Architekt (– kein Philosoph wie Konrad Ließmann selbstverständlich; Woods hätte sich nie dazu hergegeben, im Rundfunk eine halbe Stunde über die Bedeutung einer an den Lenker klemmbaren Fahrradlampe zu reden). Vielleicht war auch sein jüdischer Hintergrund maßgeblich dafür, aber darüber machte ich mir damals noch keine Gedanken.

Der Weg, den er zurückgelegt hatte, war weit, ohne daß er die Stationen je verleug-net hätte. Zu so unterschiedlichem Ergebnis er nun gelangt war, blieb die Größe LC’s für ihn unbestritten. Er hatte für ihn als Bauleiter an der Unité d’Habitation in Marseille gearbeitet und mit Soltan im Atelier. Das Ergebnis, zu dem er nun gelangt war, war so weit davon entfernt! War es möglicherweise auf seinen Einfluß zurückzuführen, daß das großartige, unrealisierte Projekt für ein Krankenhaus in Venedig so ganz anders und Woods-artig war, als alles was LC zuvor gebaut hatte, oder war es doch ein Eingehen auf die räumliche Struktur Venedigs (wogegen spricht, daß die Anlage eineinhalbgeschoßig ist)? War sich Kahn der Arbeit von Woods bewußt? Etwas Gemeinsames ist jedenfalls vorhanden: Ordnung; order is.

Wesentlich ist, daß Woods, wie die meisten Mitglieder der Architektenelite damals, vom Städtebau her kamen und über ihn referierten. Wie hat sich die Lage geändert. Von Städtebau spricht man nicht mehr und wenn man in den USA urban design studierte, so studierte man städtebauliche Architektur; heute versteht man auch in den USA darunter Straßenpflasterungen, Straßenmöblierung etc. Ich will diese Orientierung auf den Städtebau in der Folge in einem Artikel von Lucius Burckhardt, ebenfalls aus dem Jahr 1964, fortsetzen. Woods starb zu früh, um nachhaltigen Einfluß zu haben. Er erlag 1973 fünfzigjährig einem Krebsleiden und konnte die Fertigstellung der Feien Universität Berlin nicht mehr erleben.

Ohne Hochbauausbildung Denker zu sein hat Nachteile. Der Bau für die FU endete schließlich beinahe als Ruine. Was bei einem Architekten, der mit seinen Partnern eine große Anzahl von Bauten verwirklicht hatte – wenn auch technisch weniger an-spruchsvolle -, die Ursache dafür war, weiß ich nicht. Der große Erweiterungsbedarf und die programmatische Umstrukturierung der FU wurden nicht mehr im ursprünglichen Sinn der Vernetzung befriedigt sondern eher konventionell mit einem Zugang-Stiegenhaus-Gebäude Konzept. Jedes Gerüst hat Grenzen der Flexibilität, es überfordern zu wollen, ist nicht ihm anzulasten; es konzeptionell aufzugeben jedoch ein Zeichen, daß die Reaktion immer stärker ist im Umgang mit Neuem als das sich der Herausforderung Stellen. Heute ist das ursprüngliche Konzept in der „Rostlaube“ – wegen des verwendeten Cor-Ten Stahls so genannt – erhalten und von Studierenden gut angenommen; in der „Silberlaube“, dem eher konventionellen Erweiterungsbau, nicht. Hier kann ich das ursprüngliche Projekt nicht mehr erkennen. Anbau, Umbau, Erweiterung ja, aber gestalterische Destruktion?

Tatsächlich ist mit Woods’ Beitrag die traditionelle Auffassung von Architekturästhetik in Frage gestellt, nämlich die der unveränderlichen Komposition. Dies war mir damals vollkommen bewußt und das ist auch einer der Gründe, warum ich im Projekt der Flußüberbauung die baulich-konstruktive Struktur als „Fassaden“ verwendete und ästhetisch wirken ließ. Ich meine, auch darin liegt ein Grund für die wenig nachhaltige Wirkung von Woods, will der komponierende Architekt doch das Werk in seiner ästhetisch komponierten Integrität erhalten sehen. Es ist dies zugleich ein Beweis für das Beharrungsvermögen, das so radikalen Änderungen entgegenwirkt.

Verbeulen, Durchdringen und schief Hineinfahren, Zerreißen, Gebrauch und Nützlichkeit in Frage stellen ja, aber eine grundsätzlich andere Ästhetik, die das Unfertige enthält? Dies nein. So ist es verständlich, daß sich in den siebziger Jahren vom frühen LC her kommende Traditionalisten unter den New York Five wie Richard Meier und Charles Gwathmey durchsetzten und der Strukturalismus auf der Strecke blieb, bevor die postmoderne Beliebigkeit ihren Triumphzug begann.

Ich habe Woods zuerst aus Zeitschriften kennengelernt. Dies zu einer Zeit, als diese noch nicht Bilderbücher mit Fotos von Häusern waren und es noch einen Diskurs theoretischer Natur mit nicht gebauten Projekten gab. Persönlich traf ich ihn beim Studentensymposium „Synposion 1964“ in Berlin, wo er den im letzten sonntag im GAT publizierten Vortag hielt. Zum letztenmal sprach ich ihn 1967 an der Harvard, als er schon von seiner Krankheit gezeichnet schien und ich ihn stur und seiner eigenen Theorie gegenüber unflexibel fand. Ich hielt ihn damals und halte ihn auch heute noch für einen großen Mann, sozusagen meinen Mitkämpfer. Seine Stärke war weniger das entwerferische Talent als gedankliche Klarheit, Konsistenz und Tiefe, was er mit Stringenz vertrat. Was er vertrat, war eine Herausforderung an die Zeit: den Berufsstand und die Gesellschaft mit ihrer begrenzten Vorstellung von Architektur, von der man damals schon wußte, daß sie städtebaulich gescheitert war.

Beim neuerlichen Lesen der Aufsätze aus 1964 ist es vielleicht die größte Offenbarung, daß alle Vortragenden Architektur immer im Zusammenhang mit der Stadt betrachteten, nicht als Nabelschau eines Gebäudes. Nicht auf bauliche Realisierung zurechtgemachte Entwürfe hatten vor der Mitte der sechziger Jahre auch Raimund Abraham, St. Florian, Gartler-Rieder und ich verfaßt, schließlich auch Huth-Domenig, als diese schon praktizierende Architekten waren. Welch ein Kontrast zu den heute erfolgreichen Vertretern dessen, was sich immer noch „Grazer Schule“ nennt, die allesamt nie, weder in ihrer Studienzeit noch danach, irgendein theoretisch bedeutsames oder Idealprojekt verfaßten und sich ausschließlich auf Bauen im gegebenen, geistigen Umfeld konzentrierten oder, wie Domenig, als eine Art von Architekturkamäleon bei jedem gegebenen Anlaß die Farben wechselte, bis er in Thom Mayne sein Vorbild fand. Welch ein Kontrast zur Theoriefeindlichkeit und Selbstzufriedenheit von heute und zum geistigen Provinzialismus von Hochschulen: 1964 organisierten Studierende an den Hochschulen von Delft und Berlin, Symposien mit international prominenten Architekten oder Lehrern, die etwas zu Architektur oder Stadt zu sagen hatten: Leute wie Woods, Bakema, Aldo van Eyck, Stirling, Burckhardt, Giancarlo di Carlo, aus allen Teilen der Welt. Können Sie sich vorstellen, wen man heute dazu beriefe? Ich sage es Ihnen: Leute, die über kaum etwas anders reden können als über sich selbst.

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