28/10/2016

Die Leerstandskonferenz 2016 fand diesmal unter dem Titel Zimm r f ei! von 13.-14. Oktober in St. Corona am Wechsel statt und widmete sich dem Tourismusleerstand.

Leonhard Müllner, Künstler und Architekturvermittler, kommentiert zwei Tage Therapie für leere Betten.

28/10/2016

Roland Gruber, Anne Krämer (nonconform)

©: Leonhard Müllner

Die zweitägige Tagung von nonconform möchte die leeren Betten in der Region befüllen. Oder fragt zumindest nach der Notwendigkeit neuer Bettburgen, die sich mit Schneekanonen vor dem Wegschmelzen zu schützen versuchen.

Kurz nachdem die Ebenen Niederösterreichs auf einen Gebirgsstock treffen, drückt sich kurz vor St. Corona ein Knolle aus Holz und Stahl in eine ehemalige Kuhweide; die Wechsel Lounge. Das von Georg Driendl gezeichnete Gebäude wurde gerade erst fertiggestellt. Es wurde mit seinem multifunktionalem Erlebnischarakter als Defibrillator der siechenden Gemeinde geplant. 

St. Corona steht bildgebend für viele Orte, die mit einer Vielzahl an Häuserhülsen und Abwanderung zu leiden haben. Hier begann vor hundert Jahren der Wallfahrtstourismus, der dann durch Sommerfrischler angereichert und viel später dann, vom Wintertourismus aufgesucht wurde. Doch seit Jahren werden Schilifte abgebaut, zahlreiche rustikale 80er Jahre Hotels reihen sich wie Bauzombies gastlos aneinander. 

Je mehr leer, desto idealer für die Leerstandskonferenz. Zum fünften Male findet sie statt, dieses Jahr konzentriert sie sich mit Zimm r f ei! auf den Tourismusleerstand und somit einem besonders wirtschaftspolitischen Gegenstand. 

Das interdisziplinäre Planungsbüro nonconform hat dazu verschiedene AntwortgeberInnen kontrovers kuratiert. Der Bürgermeister der gastgebenden Gemeinde Michael Gruber sieht den Ganzjahrestourismus mit Fokus auf junge Familien als Öl für den stotternden Motor. Die Wechsel Lounge ist Ausdruck dieses Ansatzes, sowie die Sommerrodelbahn dahinter, aber auch ein kafkaeskes Fließband mit Komplettüberdachung für Downhillfahrräder. Ein weiterer Ansatz neben Freizeitsport ist no na: Kultur. Die Pianistin Uta Hielscher initiierte mit ihrem damaligen Partner ein Konzerthaus in Blaibach, dessen Ausführung von Peter Haimerl so weit strahlte, dass sich zu den MusiktouristInnen noch ArchitekturfreundInnen dazuaddierten. Ein bekannter aber leider zu wenig praktizierter Dorf-Revitalisierer wurde von der Raumdesignerin Corina Forthuber vorgestellt: Der/Die Künstlerin. Kunststudierende der Linzer UFG wurden in die dörfliche Postapokalypse einer hessischen Gemeinde geladen und stachelten die BewohnerInnen zu Initiativen und gemeinsamen Projekten an.
Doch muss man frisches Blut in totes Gewebe pumpen? Sind Abwanderung und Dorfsterben nicht auch Ausdruck einer am Land unterforderten Gesellschaft, die sich von Provinzialität und Autoabhängigkeit lösen wollen? Der niederösterreichische Regionenentwickler Wolfgang Alfons betont, dass die Finanzierung des zweiten, dritten PKW pro Haushalt nicht nur die Atmosphäre vergiftet, sondern auch nach Jahrzehnten die Ersparnisse billiger Grundstückskäufe relativiert. Zu viel Tourismus wie in Dürnstein vertreibt und verärgert die BewohnerInnen. Der Fliesser Bürgermeister Hans-Peter Bock sekundiert dem niederösterreichischen Beispiel mit der Ischgler Dystopie, in der 1500 Gemeindemitglieder 15 000 Betten richten. Und dann kommt da noch die Bauwut dazu. Der deutsche Autor Daniel Fuhrhop betont, dass es einen Konkurrenzkampf zwischen Bestand und Neubau gäbe. In seinem Buch Verbietet das Bauen führt er an, dass alle Bestrebungen Leerstand und Altbestand wieder beleben zu wollen, unfruchtbar bleiben werden, wenn man nicht aufhöre, neu zu bauen, wie wir das bisher getan haben. Er zitiert den Westfälischen Ort Herford, der mit dem Projekt Jung kauft Alt Förderzuschüsse und Informationskampagnen lostrat und somit als Leuchtturmprojekt für 50 andere Gemeinen diente, die wieder erblühen durften. 

Viele der weiteren Beiträge waren Best Practice Beispiele und Start Up Erfolgsgeschichten. Am Land ist Leerstand der Ausdruck von Abwanderung und zu wenig Investition. In der Stadt ist der Leerstand oft Ausdruck von geplanter Investition, also Spekulation. Trotz hervorragender Zusammenstellung und Abwicklung der Konferenz, blieb den Teilnehmenden die Kritik an neoliberalen Entwicklungen aufgrund des regionalistischen Fokus großteils leider erspart.

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