23/12/2009
23/12/2009

In Eberau wurde in einer politisch umstrittenen Blitzaktion ein Asylerstaufnahmezentrum geplant und baurechtlich eingereicht, welches formal frappant an Lagerbauten der Nationalsozialisten erinnert. Es wurde im Zuge der Vorbereitung des Projektes nicht nur die Informationspolitik sträflich vernachlässigt, auch die Vergabe der Planung sowie die Umstände der behördlichen Einreichung scheinen fragwürdig.
Der Bezirkshauptmann von Güssing, Hr. Mag. Johann Grandits, hat gestern, am 22.12.2009, die durch die Gemeinde erteilte Baugenehmigung per Bescheid aufgehoben. Die Bezirkshauptmannschaft ist damit ihrer Aufgabe als Aufsichtsbehörde nachgekommen. Grandits gibt nach Prüfung des Aktes an, es hätte zwar eine Bauverhandlung stattgefunden, für die Form dieser Verhandlung gebe es allerdings keine passenden rechtlichen Begriffe. „Turboschnell“ sei das Projekt verhandelt worden, so Grandits. Als Antragsteller für das Projekt fungiere keine öffentliche Körperschaft. Laut Bezirkshauptmannschaft sei der Antragsteller zugleich Grundbesitzer und Planer.

Der Bürgermeister von Eberau, Hr. Walter Strobl, gibt die Baukosten für das Projekt mit 17 Millionen Euro an. Die Nutzfläche umfasst 11.000 m², das Grundstück 2,5 ha. Eine öffentliche Bauverhandlung sei für das Projekt nicht nötig gewesen, meint Strobl, da es nicht von öffentlichem Interesse sei und es außerdem im Burgenland keine öffentlichen Bauverhandlungen gebe.

Hr. Mag. Csillag, Baurechtsexperte der Burgenländischen Landesregierung, relativiert diese Aussagen. Laut AVG (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz), Paragraph 41, hätte eine solche Verhandlung durch Anschlag in der Gemeinde oder Verlautbarung in der Zeitung kundgetan werden müssen. Es ist unklar, ob dies tatsächlich stattgefunden hat. Die Teilnahme an der Verhandlung beschränke sich auf die Parteienöffentlichkeit, das bedeute aber, dass z. B. der Umweltanwalt geladen hätte werden müssen.

Hr. Mag. Sandro Huber, Vergaberechtsexperte an der Architektenkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland, sieht die Vorgangsweise der Auftragserteilung zur vorliegenden Planung kritisch. Geht man von einer Auftragssumme in der Höhe von etwa 10 % aus, so würde das Planungshonorar ca. 170.000 Euro ausmachen und unter dem Schwellenwert für einen EU-weiten Wettbewerb liegen. Ein zumindest geladener, österreichweiter Wettbewerb wäre aber voraussichtlich durchzuführen gewesen. Über einen derartigen Wettbewerb ist nichts bekannt und auch die vorliegende Planung lässt vermuten, dass keiner stattgefunden hat.
Wenn der Auftraggeber keine öffentliche Körperschaft wäre, so wäre eine Umgehung des Bundesvergabegesetzes auch nicht automatisch zulässig. Das Vergabegesetz wäre auch in diesem Fall schlagend, sobald Gelder aus öffentlicher Hand für das Projekt bereitgestellt würden.

Laut Grundbuch sind die Grundstücke im Besitz eines Salzburger Architekten (Name der Redaktion bekannt), welcher telefonisch keine Auskunft zu dem Projekt geben will. Er bestätigt aber, mit der Planung vom „Bundesministerium für Inneres“ beauftragt worden zu sein.

Im Fall Eberau haben letztlich die Ängste der Bevölkerung dazu geführt, dass nun die Unstimmigkeiten der Vergabe sowie eventuelle Fehler im Bauverfahren ans Tageslicht kommen. Nachdenklich stimmt, dass die Errichtung eines Kindergartens, Rüsthauses oder Amtsgebäudes auf dieselbe Art und Weise kaum Aufsehen erregt hätte. Die Vergabe öffentlicher Aufträge muss vor allem dann gesetzeskonform durchgeführt werden, wenn die höchsten Ämter des Staates als Auftraggeber fungieren.

Verfasser/in:
Martin Brischnik, Bericht
wolfgang feyferlik, architekt u. bundeswettbewerbsausschussv

es ist immer der versuch der öffentlichen aufttraggeber, ein zahlenspiel daraus zu machen, aber bei einer bausumme von 17mio € ist die auftragsvergabe der planung ohne wenn und aber immer einem, dem bundesvergabegesetz konformen verfahren zu unterziehen. die diskussion der prozentsätze innerhalb dieser leistung ist nett, aber rechtlich nicht möglich. es ist nicht erlaubt, die leistung so lange zu zerstückeln (entwurf, einreichung, etc...), bis man endlich unter der vergabeschwelle angelangt ist. hier wurde wider besseren wissens eindeutig zumindest ein gesetz gebrochen, nämlich das bundesvergabegesetz. der ausnahmeparapgraph, den das gesetz wohl auch zulässt, wenn nämlich die aufgabe oder der inhalt von höchster geheimhaltungspriotität oder ähnlichem ist, kann ausnahmen ergeben. das trifft hier wohl nicht zu.
man kann das schreiben an das bm von michael wildmann und irene prieler (grundstein) nur unterstützen. allem voran müsste aber die rücktrittsforderung an die bundesminsterin stehen, denn sie hat im gegensatz zu landeshauptmann dörfler "bei vollem bewusstsein" das gesetz gebrochen.
die öffentliche hand ist aufgefordert, im aktuellen fall wie im übrigen auch bei allen anderen öffentlichen und im öffentlichen interesse stehenden projekten endlich alle regeln - nicht nur die gesetzlich verpflichtenden - einer projektentwicklung und projektumsetzung beispielgebend einzusetzen und einzuhalten. = > Frau Minister treten Sie sofort zurück!!!

Do. 24/12/2009 2:59 Permalink
Tschavgova Karin

Wieso meinst du, Wolfgang, dass das Bundesvergabegesetz "wider besseren Wissens" verletzt wurde? Es wurde wohl in voller Absicht, also im "besseren Wissen" ignoriert? Und warum, lieber Martin Brischnik, wird der Name des Salzburger Architekten, der diese architektonische Schande verbrochen hat, nicht offen und in voller Länge genannt? Immerhin gibt es Standes-Anstandsregeln, die haben bis vor gar nicht so langer Zeit dem Architekten sogar verboten, Werbung für sich zu machen, eine vergleichsweise mehr als harmlose Sache, wenn man dagegen diese Scheiße, mit der der Typ einen ganzen Berufsstand in Misskredit bringt, betrachtet. Wenn man auch konzidieren muss, dass es begabtere und weniger begabte Architekten gibt, so lässt sich sagen, dass hier vorsätzlich schlecht entworfen wurde, dass dies ein grober Akt von Anbiederung und (beruflicher) Fahrlässigkeit ist - und so einen würde ich aus der Kammer ausschließen. Aber vielleicht ist der Typ ja nur ein "vorgeblicher" Architekt und es ist in Wirklichkeit jener Salzburger Friseur oder besser: ehemaliger Haardesigner, der angeblich in Österreich (insbesondere im Tourismus) so gefragt ist als Architekt, dass er seine bestbezahlte Scheiße nicht nur in Salzburg hinterlässt (sondern auch z.B. in Schladming). Und, liebe Eva Mohringer: schämen werde ich mich sicher nicht deswegen und müssen es auch nicht die österreichischen Architekten tun, nur wehren sollen sie sich gegen solcherart Verunglimpflichung.

Fr. 25/12/2009 1:30 Permalink
Matthias Kahlert

Kleiner Rechenfehler: 10% von 17 Mio sind 1,7 Mio.
Reines Architektenhonorar ca. 17 x 5,5% ~ 900.000,- jedenfalls eindeutig Oberschwellenbereich.

Do. 24/12/2009 1:34 Permalink
martin brischnik

tatsächlich hat sich im zuge der eiligen recherchen am vorweihnachtstag ein rechenfehler das honorar betreffend eingeschlichen. ich ersuche um verzeihung. die problematik der vergabe ist dadurch nur noch schlimmer.

Do. 24/12/2009 11:01 Permalink
Martin Brischnik

liebe karin, der kammer ist der name des "architekten", so viel ich weiss, bekannt und ich denke die wird auch reagieren. über die grundstücksnummern ist der name auch leicht ausfindig zu machen.
wirklich interessant wäre ja die dunkle vorgeschichte. der salzburger "kollege" wurde ja immerhin auch als strohmann zum kauf der grundstücke eingesetzt, sodass alles über "einen privaten" lief - bis hin zur einreichung, auf welcher auch er als antragsteller fungiert. die nutzung des "lagers" schien dort dann erstmals offiziell auf. beteiligt an dem clou waren aber noch viel mehr. den bürgermeister hat man, so wie es aussieht, mit einer studie zur wirtschaftlichkeit geködert (erstellt von einem univ. prof. aus klagenfurt in auftrag eines wiener unternehmensberaters). der aus protest zurückgetretene ebenauer gemeinderat stefan bock hat die vorgeschichte vielsagend als "mafiösen sumpf" bezeichnet. lg, martin

Sa. 26/12/2009 9:15 Permalink
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