DI Walter Raiger, im KAGes-Management für den Bereich Bau, Betrieb, Umwelt zuständig.

Wie sieht es aus mit Nachhaltigkeit im Spitalsbau, was ist schon geschehen, was gibt es noch zu tun? Die Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft m.b.H. (KAGes) hat das KAGes PROgramm KLIMAschutz erstellt und setzt in Graz mit Projekten wie der neuen Zahnklinik (Architekturbüro Ernst Giselbrecht + Partner) und der neuen Blutbank (Architekturbüro Windbichler) neue ökologische Maßstäbe. gat.st sprach mit DI Walter Raiger, der im KAGes-Management für den Bereich Bau, Betrieb, Umwelt zuständig ist.

Seit einigen Jahren sieht die KAGes bei Wettbewerbsausschreibungen Umweltkriterien für den Entwurf vor. So soll bereits bei der Ausschreibung die ökologische Ausrichtung der KAGes angezeigt werden. Lösungsvorschläge von ArchitektInnen zu Umweltthemen wie etwa Fassadenausbildung, technische Gebäudeausrichtung, Umwelttechnik, Bau- und Freiraumökologie, Raumklima, Lebenszykluskosten und weitere Aspekte der grauen Energie werden von einem Vorprüfer beurteilt und Unrealistisches von Umsetzbarem getrennt. Schließlich möchte man sich beim Umweltschutz nicht nur an gültige Normen anpassen, sondern, insofern es in wirtschaftlicher Hinsicht vertretbar ist, über die bestehenden Richtlinien hinausgehen und eine Vorreiterrolle im Umweltschutz einnehmen. "Wir sind der Überzeugung, dass die externen Vorgaben an die Unternehmen noch mehr fordern werden. Wir haben das Bestreben mehr zu tun und nicht nur, was gerade gesetzlich vorgeschrieben ist", meint DI Walter Raiger.

Gebäudetechnik auf dem neuesten Stand

Einer dieser Wettbewerbe ist die neue Chirurgie des LKH-Universitätsklinikum Graz, den der Grazer Architekt Markus Pernthaler im Jahr 2008 gewinnen konnte (Baubeginn der ersten von insgesamt vier Bauetappen ist 2012). Die Photovoltaikfassade und der vorgegebene Fensteranteil mit maximal 20 Prozent der Bodenfläche machen das geplante Gebäude zum Vorzeigeprojekt. In diese Liga reihen sich auch die neue Grazer Zahnklinik mit geothermischer Tiefenbohrung und der Kindergarten des LKH Graz mit schadstofffreiem Innenausbau und Nutzung passiver Energieformen ein.

In der Frühgeburtenstation der Grazer Frauenklinik wurden die das Themen “Klimarelevanz” und “Graue Energie” in einem Pilotprojekt besonders ernst genommen. Es wurde ein HFKW (*)-, PVC- und Tropenholzverbot erteilt und von der Bauaufsicht auch genauestens überprüft.. Das Ergebnis ist eine Raumluftgüte, die nur 1/7 des Schadstoffgehalts herkömmlicher Bauten aufweist. Zudem konnten 620 Tonnen CO2 eingespart werden. In Zukunft ist dies als KAGes-weite Richtlinie für ökologischen Innenausbau geplant.

Hohe Ansprüche an Bauökologie und Behaglichkeit

Seit 2008 wurden im Rahmen des Strategieprojekts “Ökologie im Spitalsbau” zunächst spitalsspezifische Grundlagen in den Arbeitsbereichen Gebäudeplanung, Gebäudetechnik, Baustoffe und Baukonstruktion, Energieinfosystem, Energieausweis, Alternativenergien, Raumklima, Behaglichkeit, Nutzerverhalten und Medizintechnik überprüft und verschiedene Pilotprojekte dazu gestartet.

Nun in der Anwendungsphase werden zum Beispiel bei der Blutbank hinsichtlich der Gebäudetechnik allein neun Maßnahmen untersucht. Davon wird man drei auswählen - mit Investitionen von insgesamt rund 400.000 Euro -, von denen man überzeugt ist, dass sie umweltfreundlich sind, wie die Nutzung von Abwärme, von drehzahlgeregelten Antrieben, die die Heizenergie nicht ständig in den Raum abgeben, sondern nur, wenn es notwendig ist. Da man kein generelles Muster für alle Gebäude aufstellen kann, muss für jedes einzelne mit speziellen Maßnahmen auf Anforderungen, Bedürfnisse und Gegebenheiten reagiert werden.

Die Zahnklinik soll mit Erdwärme geheizt und gekühlt werden. Es werden ca. 150 Bohrungen durchgeführt, die das Grundwasser für allfällige Heizungen und Kühlungen nutzen. Bei der Ausschreibung wurde nach Alternativen gesucht und die geothermische Tiefenbohrung erwies sich als für diesen Standort am geeignetsten. Das LKH Bad Radkersburg und LKH Mürzzuschlag verwenden solarthermische Warmwasseraufbereitung, das LKH Hartberg, LKH Leoben und auch die neue Grazer Blutbank Kältemaschinen mit Wärmepumpfunktion.

Entwicklung von Technik und Bewusstsein

Im Bereich der erneuerbaren Energie rückt die KAGes dem unternehmensweiten Energieziel 2020 immer näher. So werden das LKH Stolzalpe und das LKH Bad Radkersburg von derzeit Heizöl extra leicht auf erneuerbare Energie umgestellt. Ebenfalls an das örtliche Biomassenetz angebunden werden sollen das LKH Enzenbach und das LPH Schwanberg, bei den Landeskrankenhäusern Mürzzuschlag, Weiz, Voitsberg, Feldbach und Hartberg ist dies mit unterschiedlichen Biomasseanteilen bereits umgesetzt. Damit soll eine Steigerung der erneuerbaren Energieträger von derzeit 25 Prozent auf 30 Prozent einhergehen – nicht mehr weit entfernt vom KAGes-Ziel 2020 mit 34 Prozent.

Raiger weist auch auf die Wichtigkeit der Mitarbeiter- und Betreiberfunktion hin - ein Thema, das seiner Meinung nach oft unter den Tisch fällt. Durch Infokampagnen sollen das Bewusstsein bestimmter Zielgruppen angesprochen und das Nutzerverhalten beeinflusst werden. Die KAGes führte z.B. eine Plakataktion durch, bei der es um falsches Lüften ging - gekippte Fenster statt Stoßlüften. Den Mitarbeitern sollte damit bewusst gemacht werden, dass durch richtiges Lüften sehr viel Energie gespart werden kann. Wichtig ist neben regelmäßiger Fortbildung und Information jedoch auch, dass Führungskräfte mit gutem Beispiel vorangehen.

2010 – ein erfolgreiches Jahr im KAGes-Klimaschutzprogramm

Aus dem auf den Baubereich begrenzten Projekt “Ökologie im Spitalsbau” ist inzwischen ein umfassendes KAGes PROgramm KLIMAschutz geworden (Veröffentlichung Anfang 2011), das unternehmensweite Energieziele für 2020 festlegt und für den Baubereich ein klares Umsetzungsprogramm 2010 beinhaltet. Das Jahresziel 2010 war hier die Umsetzung der laufenden Bauprojekte, die Pilotprojekte zum Thema Raumklima, Behaglichkeit, z.B. in der Grazer Neurologie, der Einsatz erneuerbarer Energie in den Häusern Bad Radkersbrug und Stolzalpe und die Energieverbrauchstudie im Bereich der Medizintechnik. Diese brachte das überraschende Ergebnis, dass die Medizintechnik nur ungefähr 21 Prozent der elektrischen Energie eines Krankenhauses verbraucht, also weitaus weniger, als ihr bisher angelastet wurde.
“Wir haben im Baubereich unser Jahresziel 2010 erreicht”, zeigt sich Walter Raiger zufrieden und zuversichtlich für die nächsten Jahre. "Die KAGes ist eine Organisation mit 20 Krankenhäusern an 24 Standorten. Wir glauben, dass wir sehr viel dezentrales Wissen in den Landeskrankenhäusern haben. Meine Zielvorgabe wird sein, dass die einzelnen Häuser in den nächsten Jahren drei Prozent ihrer Gesamtenergie einsparen. Aufgrund der Kompetenz in den LKHs bin ich überzeugt, dass jedes Haus zu den richtigen Maßnahmen greifen wird. Viele werden das Einsparungsziel von drei Prozent sogar noch übertreffen. Aus jetziger Sicht würde ich vom KAGes Energieziel 2020 nicht abweichen. Wir schaffen das - zu 100 Prozent!"

ZUR INFORMATION:
Die KAGes hat ein Klimaschutzprogramm erarbeitet, das sich an den EU-Zielen, der EnergieStrategie Österreich sowie dem Klimaschutzplan Steiermark orientiert und gemäß EU-Vorgabe auf den KAGes-Energiedaten des Jahres 2005 basiert. Die KAGes-Klimaschutzziele umfassen die Reduktion des Gesamtenergieverbrauchs sowie der Treibhausgase um jeweils 16 Prozent und 34 Prozent erneuerbare Energieträger (derzeit 25 Prozent).
Seit 1999 verfolgt die KAGes eine Umweltstrategie und hat die Umweltleitlinien zum Handlungsprinzip erhoben. So wurde eine Umweltorganisation aufgestellt, die es ermöglicht, in jedem Krankenhaus einen für die Umwelt verantwortlichen Mitarbeiter mit einem interdisziplinär zusammengesetzten Umweltteam für Umweltverbesserungsprojekte zu haben. Außerdem erstellt jedes LKH jährlich seinUmweltprogramm, das sämtliche Umweltbereiche wie zum Beispiel “Abfall”, “Verkehr” und “Energie”sowie umweltrelevante bauliche Maßnahmen beinhaltet.

(*)HFKW (Teilhalogenierte Fluor-Kohlenwasserstoffe) sind durch menschliche Prozesse hergestellte, stark klimaschädliche Treibhausgase, die als Treibmittel in XPS-Dämmplatten, PU-Schäumen und PUR-Dämmelementen verwendet werden.

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