26/09/2011
26/09/2011

Wolfdieter Dreibholz, seit Februar 2011 Vorsitzender der Grazer Altstadt-Sachverständigenkommission. Foto: mb

Foto: mb

Seit Februar 2011 hat die Grazer Altstadt - Sachverständigenkommission (ASVK) mit Wolfdieter Dreibholz einen neuen Vorsitzenden. Aufgabe der ASVK ist es, durch ihre gutachterliche Tätigkeit die Qualität von Bauprojekten in der Grazer Altstadt zu sichern.
GAT führte mit Wolfdieter Dreibolz das folgende Gespräch.

GAT: Wie beurteilen Sie die Tätigkeit der ASVK in der Zeit vor Wolfdieter Dreibholz?

Dreibholz: Dazu gebe ich keinen Kommentar ab. Ich habe diese Tätigkeit nicht verfolgt und kann daher weder Positives noch Negatives sagen. Das Stadtbild hat sich in den vergangenen achthundert Jahren entwickelt. Entscheidende Bautätigkeiten der vergangenen Jahre sind der Ausbau des Kaufhauses Kastner & Öhler in der Sackstraße und natürlich das Kunsthaus. Ich halte beide für gelungene Projekte, die das Stadtbild spannend ergänzen.

GAT: Sie wurden im Zuge der Neubesetzung der ASVK von LR Buchmann unmissverständlich als „Möglichmacher“ angekündigt. Den Investoren wurde ein „Anheben der Käseglocke über der Altstadt“ in Aussicht gestellt. Sehen Sie sich in dieser Rolle?

Dreibholz: Ich glaube, dass die ASVK auch vor meiner Zeit nicht als „Unmöglichmacher“ zu bezeichnen war. Der Stadtteil, für den wir verantwortlich sind, unterliegt einem ökonomischen und gesellschaftlichen Wandel. Firmen wünschen sich Um- und Aufbauten, Institutionen wollen sich verändern – das alles hat Auswirkungen. Die Frage, welche uns beschäftigt, ist die Qualität dieser Maßnahmen. Wir wollen keinen Euro Investition verhindern, wenn die entsprechende Qualität gewährleistet ist. Die Innenstadt ist ein sensibler Teil der Stadt. Hier wirken Renaissance, Gotik, Barock und die Moderne ineinander und nebeneinander. Alle diese Überbleibsel aus der Geschichte haben ihre Qualität. Es ist nun die Aufgabe der ArchitektInnen, diesem Umfeld gerecht zu werden und hochqualitative Entwürfe für das Altstadtensemble abzuliefern. Wenn wir zu Projekten „Nein“ sagen, dann hängt das nur mit einem nachvollziehbaren und begründbaren Mangel an Qualität zusammen. Sonst begrüßen wir jede mögliche Investition. Wir haben unter diesen Aspekten absolut keine Scheu vor Bauten, Umbauten, Aufstockungen und Veränderungen in der Stadt.

GAT: Eine konkrete Frage zu einem konkreten Projekt, welches in jüngster Vergangenheit zu Unstimmigkeiten geführt hat: Die geplante Solaranlage auf dem Dach der Franziskaner. Wird dieses Thema nun noch einmal aufgerollt?

Dreibholz: Die Ablehnung der Solaranlage durch die ASVK ist in der vorhergehenden Periode geschehen. Der Baubescheid wurde daraufhin trotzdem ausgestellt. Die ursprünglich negative Stellungnahme der ASVK wurde also nicht berücksichtigt. Hier sind wir als ASVK dann rechtlich am Ende. Der Altstadtanwalt hat Einspruch erhoben und es wurde in Folge eine Lösung gefunden, die es ihm ermöglicht hat, auf den Gang zum Verwaltungsgerichtshof zu verzichten. Wir haben diesen Kompromiss noch nicht zu Gesicht bekommen und kennen die formalen Auswirkungen auch nicht. Wir warten nun darauf, die formale Lösung zu sehen und werden dann eine Stellungnahme dazu abgeben. Rein rechtlich betrachtet, haben wir in der Angelegenheit aber nichts mehr mitzureden.

GAT: Wird Ihnen der Kompromiss dann tatsächlich noch einmal vorgelegt werden?

Dreibholz: Nicht mehr amtlich und offiziell, aber wir wollen ihn sehen. Wir wollen wissen, ob wir über den Tisch gezogen wurden oder nicht. Es wird sich dann zeigen, inwiefern die Politik sich einen Weg gesichert hat, in den Himmel zu kommen, indem sie es sich mit den Franziskanern nicht verscherzen.

GAT: Wirft das nicht ein negatives Bild auf die Rolle der ASVK, wenn trotz negativer Gutachten Baubescheide erteilt werden?

Dreibholz: Zufriedenstellend sind solche Vorgangsweisen nicht, das ist richtig.

GAT: Die Mitglieder der ASVK kommen fast zur Gänze aus Graz. Sehen Sie darin ein Problem betreffend die Befangenheit der Kommission?

Dreibholz: Für die konkrete Arbeit nicht, aber eine Auflockerung der Diskussion und der Betrachtungsstandpunkte durch den einen oder anderen Außenstehenden wäre kein Nachteil. Ich würde mich fast als einen solchen sehen. Ich habe natürlich eine steirische Vergangenheit im Bereich der Architektur, welche 1998 endete. Was mich unter anderem bewogen hat, die Aufgabe des ASVK- Vorsitzenden anzunehmen, ist meine, aus dieser zeitlichen Distanz entstehende Unabhängigkeit von Spannungsfeldern in Graz sowie die Möglichkeit, ohne eventuell belastende Netzwerkbeziehungen urteilen zu können. Aber – noch einmal – im Hinblick auf die Gesamtarbeit der ASVK würde ich es als Bereicherung empfinden, wenn man auswärtige Positionen einbeziehen würde.

GAT: In Graz wird nun ein Fachbeirat eingerichtet. Wie werden die Schnittstellen der ASVK zu dem Fachbeirat definiert werden? Rein geografisch oder werden Mitglieder der Beiräte im jeweils anderen Beirat vertreten sein, um die Tätigkeiten abzustimmen?

Dreibholz: Zu diesem Thema generell: Szyszkowitz und ich – ich betrachte uns beide in der Leitung der ASVK als Tandem – wir haben sofort den Stadtplanungschef Hr. Schöttli eingeladen, einmal im Monat an unseren Sitzungen teilzunehmen, um unsere Positionen abzustimmen. Es wird ohne Kontakt mit der Stadtplanung kein Gutachten von uns geben, wenn ein Thema städtebaulich relevant ist. Ebenso hatten wir Abstimmungsgespräche mit Dr. Engel von der Bau- und Anlagenbehörde und mit den Vertretern der SOKO Altstadt.
Ähnlich gedenke ich, das auch mit dem Fachbeirat zu halten – wir werden uns die gegenseitige Absprache, Akkordierung und Verstärkung zum Ziel setzen. Wenn es zu Schnittstellen mit dem Fachbeirat kommt, werden wir uns selbstverständlich abstimmen.

GAT: Wie beurteilen Sie die Einberufung des Fachbeirates für Graz?

Dreibholz: Ich habe das für nicht notwendig erachtet. Es ist eigentlich ein Abschieben der eigenen Verantwortung auf auswärtige Positionen, was nicht sehr mutig ist. Die Diskussion ist erst mit einer geänderten Beamtenschaft wieder entbrannt. Vorhergehende Baudirektoren haben noch die Ansicht vertreten, die Entscheidungen alleine treffen zu können. Selbst das Konzept der Schutzzone ist im Grunde genommen fragwürdig. Soll das bedeuten, man darf außerhalb der Schutzzone schlecht bauen?

GAT: Welche Themen sehen Sie auf sich zukommen?

Dreibholz: Ein großes Thema der nächsten Zukunft ist das Verhindern der laufenden Vermüllung der Innenstadt durch Reklamen. Diesbezüglich haben wir auch mit Hr. Schrempf von der CIS Gesprächsbedarf. Der muss den Titel „City of Design“ erklären, ihn mit Inhalt füllen. Es wäre durchaus denkbar, in diesem Kontext die Bereinigung des Reklamewahnsinns zum Thema zu machen.
Derzeit lehnen wir ca. 80 % bis 90 % der eingereichten Reklamen ab, finden diese dann aber schlussendlich trotzdem vor. Das werden wir nun verfolgen und werden selbst mit offenen Augen durch die Stadt gehen. Eine Kontrollinstanz steht uns schließlich nicht zur Verfügung.

GAT: Zeigt die ASVK solche Angelegenheiten bei der Baubehörde an?

Dreibholz: Ja, wir melden solche Vorfälle, sofern wir diese bemerken. Das ist der rechtliche Weg. Die Baubehörde kann dann Ersatzmaßnahmen einleiten.

GAT: Diesbezüglich gab es in jüngster Zeit Aufregungen um Projekte der „Grazer Schule“. Der Abbruch der Rampe von Domenigs TU-Gebäude, die Glashäuser unter Kadas gläserner Brücke der Pflanzenphysiologie. Wird die ASVK in Zukunft auch hier einschreiten bzw. verstärkt ein Auge auf diese Bauten haben?

Dreibholz: Der Abbruch von Domenigs Rampe wurde von uns bereits angezeigt. Die Verschandelung von Kadas Pflanzenphysiologie noch nicht. Wir behandeln diese Themen aber. Wir wollen uns schließlich nicht auf der Nase herumtanzen lassen.
Im Moment müssen wir erst in einen Arbeitsrhythmus kommen. Zu diesem Zweck habe ich zweimal jährlich Halbtagesworkshops eingeführt. Zur besseren Zusammenarbeit habe ich auch die Arbeitsweise der Kommission verändert. Früher wurden die Projekte den einzelnen Mitgliedern zugeteilt und die anderen wussten nichts darüber. Nun werden alle Projekte vor der gesamten Kommission präsentiert, bevor sie einem Mitglied zugeteilt werden.
Eine weitere Veränderung, die sich schon in der kurzen Zeit unserer Arbeitsperiode positiv bemerkbar macht – Sprechstunden bei dem ASVK-Vorsitzenden gibt es nicht mehr. Man kann bei der kompetenten Geschäftsstelle der ASVK seine Anliegen vortragen und dort die Sachlage sowie die weitere Vorgangsweise besprechen. Die Interpretation der Ergebnisse von „individuellen“ Sprechstunden führt im Regelfall nur zu Missverständnissen.

GAT: Abschließend noch eine Frage zu einem konkreten Projekt: Der Erweiterungsbau der Steiermärkischen Sparkasse am Andreas-Hofer-Platz von Szyszkowitz & Kowalski wurde medial teilweise heftig kritisiert. Wie beurteilen Sie persönlich den Bau, der ja immerhin aus der Hand des stellvertretenden Vorsitzenden der ASVK kommt?

Dreibholz: Ich halte die mediale Kritik für überzogen. Das Gebäude wirkt plastisch und schlüssig, wenn man über die Tegetthoffbrücke zum Anderas-Hofer-Platz kommt.

GAT: Danke für das Gespräch!

Biografische Notiz:
Wolfdieter Dreibholz war 20 Jahre (1978 – 1998) im Land Steiermark tätig, zuletzt leitete er als Hofrat die Hochbauabteilung des Landes Steiermark. Seit 2000 ist er Partner von COOP Himmelblau und war unter anderem auch drei Jahre in Mexiko. Derzeit betreut er managementmäßig alle Projekte von COOP Himmelblau.

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