15/02/2011

Wohnmodelle anderswo, komplettiert mit zwei Vertretern aus Graz, zeigt die Ausstellung Wohnmodelle. Experiment und Alltag von MVD-Austria, Oliver Elser und Michael Rieper, im stadtmuseumgraz. Bis 27. März 2011.

Am Dienstag, dem 8. März 2011, gibt es um 18.00 Uhr – begleitend zur Ausstellung – eine Kuratorenführung. Ausstellungsführungen mit anschließender Exkursion, in Kooperation mit dem HDA Graz, finden am Samstag, dem 26. Februar und Samstag, dem 26. März 2011, jeweils um 11.00 Uhr, statt.

15/02/2011

Homepage der Abteilung Wohnbauförderung Steiermark

Diskussion am 27.01.2011 im HDA, v.l.: Hans Gangoly, Wolfgang Köck, Jasmin Leb-Idris, Michael Rieper, Michael Pech, Anna Popelka

Wohnmodelle gibt es viele, in der Steiermark wird über sie gesprochen, sonst bleibt aber alles beim Alten. Gedanken anlässlich der Diskussion zum Thema am 27. Jänner 2011 im HDA Graz.

Michael Rieper versammelte anlässlich der 4. Station seiner, gemeinsam mit Oliver Elser konzipierten Ausstellung Wohnmodelle. Experiment und Alltag im stadtmuseumgraz eine illustre Runde von Expertinnen und Experten im HDA Graz, um über Wohnmodelle zu sprechen.

Anmerkungen zum Thema Wohnbau
Dem, was an diesem Abend gesagt und diskutiert wurde, kann man weitgehend zustimmen und sich weiter fragen, warum sich in der Steiermark im Wohnbau in den letzten Jahrzehnten so wenig bewegt. Liegt es daran, dass „wir das Rad nicht immer neu erfinden wollen“(1)? Schließlich haben sich unsere Wohnbedürfnisse in den letzten sechs Jahrtausenden auch kaum verändert. Vielleicht ist die Steiermark anders, weil die Menschen noch immer am liebsten im Einfamilienhaus im Grünen wohnen wollen und es hier ohnehin genug Platz dafür gibt.
Alle anderen müssen sich mit den immer gleichen, fantasielosen Grundrissen der maximal 90 qm großen Wohnungen begnügen, angelegt und festzementiert für die Familie mit zwei Kindern. Das Raumordnungsgesetz aus dem Jahr 1974 wurde im letzten Jahr mühsam erneuert und stößt als Kompromisslösung sogar seitens der Politiker auf wenig positive Resonanz, die Wohnbauförderung wurde seit 1993 lediglich geringfügig adaptiert, das „neue“ Programm zur Wohnbauförderung 2007/08 setzte kaum nennenswerte Akzente. Der „Häuslbauer“ steht wider besseren Wissens nach wie vor auf der Prioritätenliste der Politiker an oberster Stelle.
Eine vom Land Steiermark, Abteilung 15 – Wohnbaufördung, in Auftrag gegebene Studie zur Ökologisierung der Wohnbauförderung behandelt „auftragsgemäß“ lediglich die „baustoffspezifischen Aspekte der A 15-Vereinbarung, wenngleich zu deren Erfüllung noch andere Maßnahmen notwendig sind.“ (2) Diejenigen, die sich „befähigt, befugt und beeidet“, engagiert und mit viel Idealismus mit dem Thema Wohnbau beschäftigen – Architektinnen und Architekten – bleiben meist ungehört und müssen im Falle einer Zusammenarbeit mit gemeinnützigen Wohnbauträgern Nachlässe bei ihren Honoraren gewähren, wie der kürzlich im Landtag vorgelegte Landesrechnungshofbericht zum Thema Honorare gemeinnütziger Wohnbauträger (3) in der Zusammenfassung feststellt.
Empfehlungen und Lösungsansätze zur Verbesserung der Situation des geförderten Wohnbaus in der Steiermark hält die 181 Seiten umfassende Studie zur Evaluierung von 10 geförderten Geschosswohnbauten in der Steiermark aus dem Jahr 2008 bereit, die von der A 15-Wohnbauförderung beauftragt und am Institut für Gebäudelehre der TU Graz (4) verfasst wurde. Bloß scheint dieser, wie so vielen anderen Studien, auf dem Weg in die Schublade und auf die Homepage der Wohnbauforschung Steiermark wenig Beachtung zuteil geworden zu sein. Gebaut wird nach altem Muster, gesprochen wird über neue Wohnmodelle und vielleicht gilt irgendwann: Steter Tropfen höhlt den Stein!

Diskussion am 27.01.2011 im HDA
Michael Rieper nahm die Ausstellung Wohnmodelle. Experiment und Alltag zum Anlass, Experimente und Spielräume von Wohnmodellen zu diskutieren. Die geladenen Gäste – Jasmin Leb-Idris (lebidris architektur ZT), Wolfgang Köck (PENTAPLAN ZT-GmbH), Michael Pech (Vorstand des ÖSW, Österreichisches Siedlungswerk Gemeinnützige Wohnungsaktiengesellschaft), Anna Popelka (PPAG architects ztgmbh) und Hans Gangoly (Gangoly & Krister Architekten) referierten über unterschiedliche Ansätze und eigene Erfahrungen zum Thema. Mehrfach wurde der Wohnbau als eigene, abgeschlossene Disziplin infrage gestellt, ging es doch darum, Lebensbauten zu entwickeln.

Jasmin Leb-Idris – sie ist unter anderem gemeinsam mit Elisabeth Anderl und Karin Wallmüller Gründerin der Arge W:A:B / WOHNBAU : ALTERNATIVE : BAUGRUPPEN – die sich seit zwei Jahren intensiv mit dem Thema Baugruppen beschäftigt, stellte in ihrem Referat Konzepte der Züricher Bau- und Wohngenossenschaft KraftWerk1 vor, die aufzeigen, dass flexible Raumkonzepte, ein breites Angebot an Mischnutzung von Wohnen, Arbeiten und Gewerbe, eine vielfältige Infrastruktur und ein gemeinschaftliches Miteinander funktionieren können. Mittels laufender Evaluierung werden Konzepte überarbeitet und modifiziert, mitunter müssen Projekte auch fallen gelassen werden. Das Projekt KraftWerk2 wird noch in diesem Jahr fertiggestellt, Projekt KraftWerk3 musste wegen zu hoher Risiken gestoppt werden, bei KraftWerk4, einem Grundstück an exponierter Lage, geht man neue Wege hinsichtlich Minimierung von individuellem Flächenbedarf zugunsten von Gemeinschaftsräumen, ökologischer Verträglichkeit und eines nachhaltigen Verkehrskonzepts. KraftWerk1 beherbergt insgesamt über 230 Personen: Familien, Singles, AlleinerzieherInnen in Familienwohnungen und Wohngemeinschaften, ergänzt durch ein Angebot an gemeinschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten.

Wolfgang Köck wählte mit seinen Kollegen einen unkonventionellen Weg, um sich der Abhängigkeit von Genossenschaften zu entziehen: Sie wurden vor 14 Jahren selber Bauträger und vereinten Planung, Errichtung, Verkauf und Verwaltung unter einem Dach. Mit dem Tiefen Haus (1999) in Graz-Mariatrost schuf das Team einen viel beachteten Beitrag zum Wohnbau in der Steiermark. Hoch verdichtete Atrium-Reihenhäuser mit einer durchgehenden Halle im Kern als Garage schaffen für die Bewohner eine „eigene Welt in großer Dichte". Die Wohneinheiten erstrecken sich über drei Geschoße, jede Wohnung verfügt über ein „Fenster zum Himmel". „Ein ganz gewöhnliches Stadthaus" an der Ecke Felligergasse/Lendplatz mit Mischnutzung wertete den Lendplatz in Graz schon auf, als er noch nicht zu den, von der Kreativszene stark frequentierten Plätzen zählte. In insgesamt vier Bauabschnitten kommen beim Projekt Alphawolf in der Ziegelstraße/Inge-Morath-Straße in Graz unterschiedliche Wohntypologien zum Einsatz: Atrium-, Terrassen- und Reihenhäuser und Maisonetten gestalten das geneigte Grundstück „wie einen Weingarten".
Abschließendes Statement von Köck: „Vom hippodamischen Raster der Anlage von Pompeji über die Streifenhäuser im Mittelalter – eigentlich ist das ganze Mittelalter eine Reihenhaussiedlung –, von Amsterdam, Mexico City als Pars pro toto für Megacities bis Los Angeles – überall findet sich das Streifenmodell längsrechteckiger Parzellen – und bei uns?“

Michael Pech – eingeladen als Vertreter der Praxis –, der als Kenner der Härten des Marktes Visionen auf ihre Machbarkeit hin überprüft, erläutert anhand des aktuellen Projekts CITYCOM2 Möglichkeiten innovativer Ansätze aus der Sicht des Vertreters einer sogenannten gemeinnützigen Wohnungsaktiengesellschaft. Hervorgegangen aus einem Bauträgerwettbewerb mit dem Architekturbüro BEHF Architekten entsteht im 2. Wiener Bezirk ein Wohnprojekt, in dem auch 42 Wohngemeinschaften Platz finden werden. Dieses Angebot richtet sich an junge Menschen auf dem Weg in die Unabhängigkeit genau so wie an Senioren, die nicht alleine leben wollen oder an junge Familien auf der Suche nach kostengünstigem Wohnraum. Das Konzept setzt auch auf Selbstorganisation in der Verwaltung. So werden in Zukunft die User über eine Plattform im Internet die Gemeinschaftseinrichtungen eigenverantwortlich betreuen. Architektonische, ökonomische und ökologische Aspekte sowie soziale Nachhaltigkeit seien in Wien ohnehin State of the Art. In der Steiermark sei die derzeitige Situation nicht so einfach, so Michael Pech.

Dem konnte auch Hans Gangoly, Architekt, Professor für Gebäudelehre an der TU Graz und Verfasser der Studie Evaluierung von 10 geförderten Geschosswohnbauten in der Steiermark nicht widersprechen. Seit den 70er- und 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts hat sich im steirischen Wohnbau wenig bewegt. Aus der Evaluierung ließen sich keine ursächlichen Zusammenhänge zwischen Kosten und Qualität ableiten. Bereits im Rahmen von Wettbewerben beginnt der Hang zum Selbstbetrug, nämlich dann, wenn alle in der Jury wissen, dass Projekte nicht so umgesetzt werden wie im Wettbewerb vorgestellt. Die mangelnde Kommunikation unter den einzelnen am Prozess Beteiligten zieht sich durch alle Phasen der Entstehung und Umsetzung von Wohnbauten und endet mit unbefriedigenden Ergebnissen.
Bauträger und Genossenschaften müssten bereits in die Wettbewerbsphase eingebunden werden, der Wohnbautisch ist zu früh im Planungsprozess angesetzt, weil anhand von Vorentwürfen aussagekräftige Vorschläge einer Verbesserung noch nicht in ausreichendem Maße möglich seien. Allerdings: Eine Motivation, auf politischer Ebene am Status quo etwas zu ändern, ist nicht absehbar.

Anna Popelka – auch für sie ist ein Wohnmodell ein Lebensmodell – plädiert dafür, dass Wohnmodelle nicht verordnet werden, sondern im Selbstversuch ausprobiert werden sollten und spricht aus eigener Erfahrung: „Kann man auf der Gasse wohnen?", lautete die Fragestellung. Man kann! Ein Gassenlokal im 6. Wiener Bezirk diente als Versuchsanordnung, die im Laufe der Zeit immer wieder verändert und adaptiert wurde. Der spitze Winkel – absoluter Fauxpas jeglicher Planung – stellte sich als beliebtester Platz in der Wohnung heraus. Wohnmodelle entstehen aus prekären Situationen. Mitunter sei es wahnsinnig schwierig, ungewöhnliche Dinge bei Entscheidungsträgern zu erkämpfen, der Avantgardeeffekt verunsichert, beim zweiten Mal werde es schon einfacher. Mit dem Projekt Wohnen am Park – Kunst im Bau in Wien für rund eintausend Bewohner setzte PPAG ein außergewöhnliches Zeichen im geförderten Wohnbau. 22 KünstlerInnen wurden eingeladen, Arbeiten an ausgewählten Wandflächen in den für alle Mieter und Besucher zugänglichen Bereichen zu positionieren. Der überwiegende Teil der Werke entstand speziell für dieses Gebäude. „Architektur ist keine Dienstleistung, sondern ein Liebesdienst am Menschen."

 

 

(1) Siegfried Kristan (Leiter der Abteilung 15, Wohnbauförderung) im Gespräch mit GAT

(2) P. Maydl, J. Prabitz, M. Lenz, A. Passer, Institut für Materialprüfung und Baustefftechnologie, TU Graz: Ökologisierung der Wohnbauförderung, Kurzfassung,

(3) Honorare Gemeinnütziger Wohnbauträger, anonymisierter Bericht des Landesrechnungshofes

(4) Hans Gangoly, Eva Guttmann, Institut für Gebäudelehre, TU Graz: Evaluierung von 10 geförderten Geschosswohnbauten in der Steiermark, im Auftrag des Amts der Steiermärkischen Landesregierung Abt. 15 Wohnbauförderung,

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