13/02/2018

Wolkenschaufler _ 07

Kolumne Wolkenschaufler – Bemerkungen zu Lebensraum, Kunst und Kultur(-politik) von Wenzel Mraček – jeden 2. Dienstag im Monat

13/02/2018

Franz E. Kneissl, Menschenteppich im Sterz Nr. 112

Franz E. Kneissl, Menschenteppich im Sterz Nr. 112

Franz E. Kneissl, Menschenteppich im Sterz Nr. 112

Franz E. Kneissl, "Ein Stück Menschenteppich, bequem in einem Lehnstuhl liegend" im Sterz Nr. 112

Franz E. Kneissl, Text zu Menschenteppich im Sterz Nr. 112

Cover Buch

Cover Sterz 112

©: Zita Oberwalder

Kein Himmelskörper

Vor einer Woche passierte der Asteroid Florence (3122) die Erdbahn. Mit einem Durchmesser von 4,4 Kilometern gehört der 3122er zu einer Gruppe von Himmelskörpern, die bei einem Einschlag massiven Schaden anrichten würden. Diesmal zog er im Abstand von rund 7,7 Millionen Kilometern an der Erde vorbei, dennoch war das seine größte Annäherung seit 1890. Und so nah wird uns 3122 wieder kommen, nämlich im Jahr 2500.
So geht die Zeit. So könnte man über den Lauf der Zeit diskutieren. Sollte man – hinsichtlich 2500 – irgendjemanden benachrichtigen? Wie?

Nicht ganz soeben ist der Sterz Nr. 112 unter dem Titel Menschenteppich erschienen, dem Leben und Werk des Architekten, bildenden Künstlers und Schriftstellers Franz Eberhard Kneissl gewidmet. Im Wissen um Kneissl unbedarft, konsultiere ich die üblichen Informationsmittel und erfahre, dass Kneissl 1945 in Judenburg zur Welt gekommen ist, in Klagenfurt aufgewachsen ist und sein Architekturstudium in der Wiener Meisterklasse von Ernst Anton Plischke absolviert hat. Mit Elsa Prohazka und Werner Appelt gründete er dortselbst das Architekturbüro IGIRIEN und lebte ab 2008 wieder am See in Krumpendorf, wo er 2011 verstorben ist.
Im rezenten Sterz schreibt Otto Kapfinger, dass Franz E. Kneissl über die „Gabe des Registrierens“ verfügte, „der Beschreibung feinster Nuancen und Verhaltensmuster im Alltagsleben, im ‘Ballett’ der öffentlichen, halböffentlichen und privaten Raumnutzungen, in den grotesken Abläufen von Politik und Medien …“. Kneissl, könnte man allein daher schließen, war offenbar versiert in den Soziologien des Architektonischen. Ein nachgerade sprechendes Beispiel dafür sollte die zwischen 1988 und 1991 realisierte Siedlung Simmeringer Haide sein. Unter Einhaltung geforderter hoher Dichte vervielfältigte Kneissl einen einzigen Haustyp zu einem Gefüge von Wohnraum, privaten Hof- und halböffentlichen Gassenräumen und berücksichtigte dabei auch die klimatische Lage und spezifische Situation des Objekts. (siehe Link nextroom.at)

In dieser Zeit, geschuldet offensichtlich den Auseinandersetzungen um Fragen des Individuums inmitten realer und medial erzeugter Massen, entstand ein umfassendes, bildnerisches Werk, das zum großen Teil anmutet wie die Umsetzung permanent geführter Notizen oder des Briefverkehrs, den Kneissl mit ProtagonistInnen verschiedener Kulturszenen unterhielt. Kapfinger verweist darauf, dass Kneissl sich zusehends auf das Schreiben konzentrierte und dass der 2001 erschienene Roman Eine Ratte namens Apfel (Sonderzahl Verlag) auch in literarischen Kreisen Anerkennung fand. Darin spielen die „intime Kenntnis der Abläufe von Planungen und baulichen Realisierungen“ maßgebliche Rolle, private oder städtebauliche Kooperationen „durchwirkt mit Reflexionen über Pop- und E-Musik, Mode, Medien, Marketing“. Alles also, was das immer Gegenwärtige so (un)erträglich macht.

Im Prolog zum Sterz Nr. 112 vermeint man, dass Herausgeber Gernot Lauffer, wenn auch gewissermaßen hintergründig formuliert, in der Person Franz E. Kneissls etwas wie den prototypischen Architekten beschwört: „Es ist eine Profession mit notwendigerweise vielfältigsten Bezügen: Sozio- wie Psychologie in Theorie und Praxis, Technik wie Ökonomie, bildende wie Darstellende Kunst samt Musik … Gesellschaftsentwürfe, Ideologien, Utopien und andere Modelle der Menschheitsbeglückung sowohl im Bauausdruck wie in Vorstellungen vom Zusammenleben.“ Vor den Vorhang gebeten wird nun Franz E. Kneissl, während andere Vertreter der Zunft automatisierte Tiefgaragen im Stadtzentrum planen.

Buchempfehlung

  • Franz E. Kneissl
    Der Praterstern ist kein Himmelskörper

    Gesammelte Texte, hg. von Martina Pfeifer-Steiner
    mit Beiträgen von Otto Kapfinger und Gottfried Pirhofer.
    Sonderzahl Verlag, Wien 2017.

Sterz-Empfehlung

  • Sterz 112
    Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kulturpolitik
    hg. von Gernot Lauffer
    siehe Link sterz.mur.at

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