Workshop im Steinhaus: "Räumlichkeit und inspirierende Arbeitsumgebung für Architekturworkshops"

Workshop im Steinhaus mit zehn Studierenden des kalifornischen SCI-Arc sowie sieben Studierenden der TU Graz.

Workshop im Steinhaus

Workshop im Steinhaus: "...Gebäude, in dem nahezu alle Themen der Architektur durchdekliniert wurden und das daher als Anschauungsobjekt unmittelbar zur Verfügung steht und wirksam wird."

Workshop im Steinhaus

Präsentation im MAK

Präsentation im MAK mit Direktor Peter Noever (li). Fotos: © TU Graz, Institut für Gebäudelehre

Projektbeispiel: A PILE OF STONES, Verfasser: Matthias Jäger, Martin Kern, Markus Stangl. © TU Graz, Institut für Gebäudelehre

Projektbeispiel: A PILE OF STONES, Verfasser: Matthias Jäger, Martin Kern, Markus Stangl. © TU Graz, Institut für Gebäudelehre

Projektbeispiel: A PILE OF STONES, Verfasser: Matthias Jäger, Martin Kern, Markus Stangl. © TU Graz, Institut für Gebäudelehre

Workshop
Vom 20. bis 23. November fand in Günther Domenigs Steinhaus am Ossiacher See ein international besetzter Architektur-Workshop statt. Zehn Studierende des SCI-Arc, des Southern California Institute of Architecture, unter der Leitung von Marcelo Spina, Alexis Rochas und Elena Manferdini sowie sieben Studierende der Architekturfakultät der TU Graz, begleitet von Michael Zinganel und Markus Bogensberger vom Institut für Gebäudelehre und Christian Fröhlich vom Institut für Architektur und Medien beschäftigten sich mit dem Thema “The House as Manifesto”.

Aufgabe
Den Studierenden wurde die Aufgabe gestellt, sich mit dem Thema „The House as Manifesto“ auseinanderzusetzen. Ausgehend von der These, dass in der Architekturgeschichte einige bedeutende Gebäude (meist Villen) gebauten Manifesten gleichkommen und von ihren Verfassern auch als solche intendiert waren, sollte versucht werden, das Steinhaus auf seine „Manifesthaftigkeit“ zu untersuchen und damit gleichzeitig die jeweils individuelle Haltung zur Relevanz von Architektur zu hinterfragen.

Spannungsfeld der Kulturen
Ein Kommentar von Michael Zinganel

„Besonders interessant erschienen die signifikant unterschiedlichen Reaktionen der Studierenden aus Los Angeles und Graz auf die konkrete Aufgabenstellung:

Die Studierenden der SCI-Arc hatten sich schon vor der Anreise - so weit es die sehr knappe Vorbereitungszeit zuließ - kurz mit Architektur- oder richtiger Architekten-Manifesten beschäftigt. Die englische Übersetzung des Büchleins "Programme und Manifeste", Bauwelt Fundamente Band 1, lag dann auch demonstrativ auf den Arbeitstischen. Die Studierenden fanden sich sofort - wie von den Betreuern gewünscht - zu 2er-Gruppen zusammen, richteten sich überraschend schell Arbeitsplätze in den attraktivsten Zonen des Steinhauses ein, um sich dann ehest möglich mit Kameras auf die Suche nach den für ihre Recherche interessantesten Gebäudeecken zu machen.

Die Grazer Studierenden hingegen bildeten - bis auf eine Ausnahme – eine gemeinsame Großgruppe, die sich im Untergeschoß wie eine Untergrundgruppe zusammenrottete, um zuerst die Aufgabenstellung, den Sinn, die geografische und zeitlich nachhaltige Wirksamkeit von Manifesten in Frage zu stellen und dem Steinhaus - als gebautem Manifest - die Bedeutung für aktuell sinnvolle oder gar notwendige Diskurse erst einmal generell abzusprechen. Gefordert wurde stattdessen eine Konzentration auf elementare Gestaltungselemente aber auch ein Eingehen auf relevante soziale Fragen, die - ihrer Meinung nach - eben von Domenigs skulptural überdeterminierter Architektur nicht geleistet werden können.

Interessant auch die unterschiedliche Betreuungsmodi: Die Studierenden der SCI-Arc zeigten sich in den öffentlichen Zwischenpräsentationen sprachlich sehr geschult, aber auch sehr gleichförmig geschult und bedankten sich jeweils artig für die durchaus auch harte Kritik. Unmittelbar nach der Zwischenkritik wurde jedes Team von den BetreuerInnen zudem auch noch einzeln beraten, um die Qualität des Projektfortschritts zu garantieren. Unter Qualität wurde dabei aber ein dem Computerprogramm konformes Handeln verstanden - sowie ein für uns etwas diffus gehaltener Innovationsfaktor.

Die Studierenden aus Graz sahen die Präsentationen eher als provokative Konfrontationen, sie fragten keineswegs freiwillig um Rat, hatten aber gleich einen der Betreuer in ihre vermeintlich subversive Gemeinschaft integriert, mit dem sie sich in einen Abgrenzungs-Wettbewerb gegen Domenigs Steinhaus, gegen Manifeste, aber auch gegen die Workshop-Partner aus den USA hineinsteigerten.

Verständlich daher dann auch die unterschiedlichen Ergebnisse: Die Studierenden der SCI-Arc zeigten sich sehr routiniert in der formalen Analyse des Bauwerkes. Auch wenn der Übergang von den durchwegs präzisen Analysen zum Entwurf nicht immer klar nachvollziehbar waren, erstellten sie danach - ohne jeglichen Widerspruch - auch sehr rasch und effizient in dem von ihnen virtuos beherrschten Computerprogramm Maya visuell attraktive 3-D Animationen von potentiellen Architektur-Fragmenten, die sich aber von den programmatischen und emotionalen Anrufungen des Steinhauses möglichst weit entfernt hielten. Ihre Ergebnisse wiesen daher weder einen inhaltlichen Zusammenhang mit der Entstehungsgeschichte des Steinhauses noch einen erkennbaren Nutzungszusammenhang auf.
Die Studierenden aus Graz benötigten hingegen Tage, um sich endlich zu ermächtigen, von ihrer geradezu aggressiven Rebellionspose in eine produktive Arbeitsphase zu wechseln. Sie produzierten schlussendlich kurze Low-Tech Animationen, in denen die tatsächlichen Probleme der jeweiligen Raum-Aneignung im Steinhaus (als choreographierte Performance an Raumeinfassungen mit gekippter Videokamera) oder der Neuzusammensetzung von für erträglich gehaltenen Raumelementen (als Scheinanimation einer Collage in Photoshop) zum Thema gemacht wurden. Damit haben sie aber auch tatsächlich einen der wichtigsten Aspekte – aus unserer eurozentristischen Workshop-Erfahrung - in den Mittelpunkt gerückt: die Schwierigkeiten, sich gegen Dominanz der Domenig'schen Architektur und ihrer Narrative im Raum so einzurichten und ein Gleichgewicht zu finden, damit sich auch tatsächlich sinnvoll arbeiten lässt. Damit haben sie Günther Domenigs Arbeit eine Ehre erwiesen, die ganz im Gegensatz zu ihren zu Beginn ausgesprochenen Willenserklärungen stand. Domenigs Architektur ständig im Nacken, ließ er selbst die jungen Grazer Studierenden von heute nicht los...

Für die Studierenden der SCI-Arc schien das aber ganz und gar nicht zuzutreffen, diese könnten wohl an jeder Stelle des Globus ihren Laptop aufklappen und jedes beliebige Detail zum Anlass nehmen, einen Entwurfsprozess in Gang zu setzen.

Für eine vertiefende Auseinandersetzung über die vorrangig autobiografischen Narrative, die dem Entwurf von Günther Domenig zu Grunde liegen und die spezifischen Ursachen seiner gestalterischen Obsession und Aggression blieb leider zu wenig Zeit. Denn dabei käme diesem markanten Gebäude als Symptom der Eruption in einer von Verdrängung gekennzeichneten (Nachkriegs-)Kultur in Kärnten durchaus eine politische Dimension zu, auch wenn sie Günther Domenig sprachlich nie zu artikulieren im Stande war. Das sind Aspekte, die über die Fachwelt hinaus interessieren sollten, aber selbst bei den Grazer Studierenden viel zu wenig bekannt sind.“

Abschließende Präsentation
Die abschließende öffentliche Präsentation fand in den Räumlichkeiten des Museums für Angewandte Kunst unter Anwesenheit von Direktor Peter Noever statt. Präsentiert wurden eine Videoinstallation, deren Inhalt die Verlesung der von den sieben Teams verfassten „Steinhaus Manifeste“ war, sowie die einzelnen Arbeitsergebnisse der Gruppen, in Form von Videos (die Mehrzahl durch 3-D Modellierung computergeneriert).

Möglichkeiten des Steinhauses
Das Steinhaus hat sich im Rahmen dieser, auch als Testlauf zu verstehenden Veranstaltung als Räumlichkeit und inspirierende Arbeitsumgebung für Architekturworkshops bestens bewährt. Die auf vier Ebenen verteilten Räumlichkeiten ermöglichen sowohl Rückzug als auch informelle Kommunikation und eignen sich besonders für Gruppenarbeiten. Die Infrastruktur für Workshops ist vollständig vorhanden. So gibt es zwei mit Videoprojektoren ausgestattete Räume für Präsentationen und alle notwendigen technischen Einrichtungen (von Funknetzwerk bis zu Drucker und Fax).

Unvergleichbar mit anderen Räumlichkeiten ist allerdings, wie bereits beschrieben, die Präsenz eines Gebäudes, in dem nahezu alle Themen der Architektur durchdekliniert wurden und das daher als Anschauungsobjekt unmittelbar zur Verfügung steht und wirksam wird.

Matthias Martin Evi & Eva

Der von Michael Zinganel für seinen Kommentar zum Workshop im Steinhaus gewählte Titel "Spannungsfeld der Kulturen" verspricht einiges.
Ließt man jedoch durch den Artikel, wird keine der Erwartungen erfüllt. Viel mehr wird man den Eindruck nicht los, dass seine Meinung durchwegs aus mehr oder weniger untergriffigen Seitenhieben in Richtung der Studenten beider Nationen besteht.
Die Studierenden der TU Graz werden als unproduktive Verweigerer mit mangelndem Kommunikationswillen bezeichnet, die Studenten aus LA wiederum als unreflektierte Formenkünstler.
Deshalb haben wir uns veranlasst gefühlt unsere sicht der Dinge zu beschreiben.
Workshop im Steinhaus -
Die Sicht der Studenten.
So wie im abstract beschrieben, wurde von den Grazern eine theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema „The House as Manifesto“ erwartet, und zwar in Zusammenarbeit mit den amerikanischen Studenten.
Deswegen war die Überraschung umso größer, als eine Unterteilung in 2er Gruppen vorgeschlagen wurde, um „just an image“ zu kreieren. Die Verwirrung war groß, es mussten viele Fragen geklärt und diskutiert werden.
Im weiteren Verlauf des Workshops haben sich die Grazer Studenten theoretisch mit der Thematik und Günther Domenigs Steinhaus auseinandergesetzt. Während die Studierenden aus L.A. von der ersten Sekunde an ihre Laptops angeworfen haben und virtuos, aber doch wenig reflektiert, 3D-Formen generierten, die nur sehr schwer mit dem Steinhaus in Zusammenhang gebracht werden konnten, fuhren die Grazer fort, die Hintergründe zu erfragen.
Bei den Zwischenpräsentationen stieß man auf Widerstand. Man solle nicht so pathetisch sein, nicht dauernd alles in Frage stellen und endlich zum Arbeiten anfangen. Die rebellische Haltung der Grazer war nur verständlich.
Die unterschiedlichen Methoden der zwei Architekturschulen wurden dann schlussendlich bei den Endpräsentationen im MAK augenscheinlich.
Die Studenten der SCI-Arc präsentierten ihre gekonnt generierten Images. Bilder in Maya geformt. Schöne, abstrakte Impressionen.
Die Grazer Studenten hingegen zitierten Künstler und Domenigs Gebäude, um fundiert recherchierte Präsentationen zu zeigen. Videos und Animationen waren die Endergebnisse dieser intensiven Tage, die das Steinhaus neu interpretieren, Fragen aufwarfen und neue Blicke auf das Gebäude zuließen.
Die drei Tage im Steinhaus verlangten von den Studenten alles ab. Es wurde um eine gute Idee und Umsetzung gekämpft. Die Unterstützung der mitgereisten Betreuer, mit einer in die „vermeintlich subversive Gemeinschaft integrierten“ (Zitat Zinganel) Ausnahme, ließ zu Wünschen übrig. Input gab es, wenn überhaupt nur bei den Zwischenpräsentationen. „Unmittelbare Betreuung nach den Zwischenkritiken, um die Qualität des Projektfortschritts zu garantieren“ (Zitat Zinganel), wären wünschenswert gewesen.
Die Arbeit im Steinhaus war nicht nur wegen der Thematik schwierig, das Gebäude selbst hat einiges dazu beigetragen. Es ist eine Extremsituation in diesen Räumlichkeiten zu arbeiten, ein Experiment, dem man sich stellen muss und das einen ständig begleitet.
Die Studenten versuchten in diesen drei Tagen sich dieser Situation zu stellen und es in ihren Projekten zu verarbeiten.
Matthias Martin Evi & Eva

Do. 18/12/2008 6:45 Permalink
Christian Fröhlich

Kommentar von Christian Fröhlich zum Kommentar von Michael Zinganel
Ein Großteil der Studierenden der TU Graz (sechs von acht wurden vom Institut für Architektur und Medien nominiert), die am kollaborativen Workshop zwischen SCI-Arc, L.A. und TU Graz teilgenommen haben, wurde eingeladen - nicht zuletzt weil sie aufgeschlossen, kommunikativ und überdurchschnittlich talentiert sind. Das Workshopthema "House as Manifesto" wurde von der SCI-Arc ausgewählt und formuliert - unglücklicherweise aber nicht(!) von jenen BetreuerInnen, die auch tatsächlich ins Steinhaus kamen. Das "Unwohlsein" mit der Thematik wurde dann auch gleich bei der ersten Programmvorstellung offenkundig. Wichtiger für uns Grazer, die sich natürlich auch schon vor der Anreise mit "Häusern als Manifest" - wenn auch nicht mit "Bauwelt Fundamente Band 1" - beschäftigt haben, was der obengenannte Kommentator natürlich nicht wissen konnte, weil er sich in die Vorbereitung nicht eingeschaltet hat - wichtiger war uns also, der aus L.A. vorgeschlagene Workshop-Modus: "As a result, instead of having a number of projects, we would have an overall manifesto articulating a set of specific issues."
Teamarbeit war also angesagt. Die Studierenden aus Graz - selten gewöhnt mit mehr als einem oder zwei Partnern zusammenzuarbeiten - wurden also im Vorfeld ordentlich ge-"briefed": Keine Einzelprojekte, sondern gleich in der internationalen (Groß-)Gruppe arbeiten! Umso überraschender klang es dann am ersten Workshoptag: Aus dem "overall manifesto" und einer (theoretischen) Auseinandersetzung wurde gleichmal: "Suche dir eine Gebäudeecke" und: "Just create an image!"...und das Ganze bitte in zweier Teams! Viele (Bau-)Steine aus dem Abstrakt "House as Manifesto" blieben also nicht übrig im Steinhaus am ersten Tag. Zu alledem wurde eine beginnende recht lebhafte Diskussion über Häuser, Manifeste, Steine, Kräfte, u.ä. unmißverständlich abgewürgt mit dem (wiederholten) Hinweis: "Just an image, please!"
Die "Grazer Gruppe" "rottete" sich also "im Untergeschoß wie eine Untergrundgruppe" (Zitat: Zinganel) zusammen und beging einen folgenschweren Fehler: Sie dachte zuerst nach und dann erst an ein "image". Der "outcome" daraus überforderte vielleicht manchen Betreuer und Kommentator, sonst liesse sich nämlich nicht erklären, wie man auf die absurde Formulierung: "Dem Steinhaus wurde die Bedeutung für aktuell sinnvolle oder gar notwendige Diskurse erst einmal generell abgesprochen.", kommt.
Das genaue Gegenteil war der Fall. Während des Workshops wurde professionell recherchiert. Nahezu alle veröffentlichten Medien zum Steinhaus - Bücher, Filme, Skizzen, Plakate, etc...dienten als Quellen. (Anm.: Ein Hauptgrund für das "zusammenrotten" im Untergeschoß war: Dort gibt es eine Videoprojektion..!) Das "Manifest Steinhaus" wurde untersucht, "skelettiert" und als Workshophaus ausprobiert. Und das fast rund um die Uhr, drei Tage lang. Daraus lassen sich nachhaltig Erkenntnisse ableiten, die für zukünftige Workshops im Steinhaus inspirierend wirken könnten, wie bereits die abschliessende Diskussion mit Peter Noever im MAK gezeigt hat. Aber das hat der betreuende Kommentator (oder kommentierende Betreuer?) wahrscheinlich nicht ganz mitbekommen.
Ein Spannungsfeld der Kulturen kann also offensichtlich nicht nur zwischen L.A. und Graz entstehen, sondern auch zwischen Graz und Graz...
Wer an den tatsächlichen Ergebnissen des Workshops "House as Manifesto" interessiert ist, dem seien zwei Hinweise gewidmet:
http://iam.tugraz.at/houseasmanifesto/
Der Website-Blog zum Workshop, aufgesetzt von den grazer Studenten Matthias Jäger und Martin Kern.(Dieser Link fehlt leider im Artikel!).
Und zur Überprüfung des oben Formulierten: eine DVD mit allen Präsentationen, Installationen, Kritiken und jeder Menge Eindrücke vom Steinhaus als "Architekturschule"...
Die DVD erscheint im Jänner 2009 am Institut für Architektur und Medien.

Do. 18/12/2008 6:42 Permalink
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