28/11/2007
28/11/2007

Tagungsort, Kloster der Franziskaner in Graz, 5 Stunden Workshop, 10 Minuten Pause (ohne Wasser und Brot)

Josef Rogl - lebendes STEK - referiert das bis 2010 aktuelle STEK 3.0

Thomas Madreiter beeindruckt mit strategischer Planung in Wien

Gunther Kolouch zeigt, wie Linz seine Zukunft plant

Michael Roemer aus Hannover überzeugt, dass Planung funktionieren kann.....

.....von der Analyse des Bestandes bis zum Planungsleitbild einzelner Stadtteile

Marija Kuhar erläutert die Bemühungen Maribors um eine geordnete Entwicklung......

.....auch in den Industriegebieten

Daniel Kampus steht zu den Anforderungen aus Sicht des Landes.....

...... empfiehlt......

.......und wünscht sich für Graz........siehe Bild. Fotos: kw

Das Stadtplanungsamt Graz ist bemüht, im Vorfeld der Überarbeitung des Stadtentwicklungskonzept STEK 3.0 unterschiedliche fachliche und methodische Ansätze für dieses Planungsinstrument zu beleuchten und veranstaltete dafür am 22.11.07 einen Workshop im Franziskanerkloster Graz.

Als Referenten waren in der Reihenfolge der Referate Josef Rogl für Graz, Thomas Madreiter für Wien, Gunther Kolouch für Linz, Michael Roemer für Hannover, Marija Kuhar für Maribor und Daniel Kampus für das Land Steiermark geladen. Nach den bisherigen Erfahrungen (Neuauflage alle 10 Jahre) wird STEK 4.0 in Jahre 2010 aufgelegt werden und den Weg für die zukünftige Entwicklung regeln.

So sollen aus heutiger Sicht zum Beispiel die äußeren Siedlungsränder trotz Bevölkerungswachstum nicht mehr erweitert werden, was mit einer Verdichtung des vorhandenen Raumes mit weiterer Urbanisierung und in der Folge mit vermehrt auftretenden Konflikten einhergehen wird. Graz geht davon aus, dass eine detaillierte Festlegung der Nutzung des Stadtgebietes diese Problematik bewältigen wird. Andererseits machen Entwicklungen in boomenden Stadtteilen eine eher strategische Vorgehensweise notwendig.

In diesem Punkt kann Graz von Wien lernen. Was Graz von Linz lernen kann betrifft den Umgang mit einer dynamischen Entwicklung. Viel hat Graz und das ganze Land von Deutschland, dem Musterland der Raum- und Stadtplanung zu lernen - auch was Partizipation, die Graz in Zukunft vermehrt anwenden will, betrifft. Was kann von Maribor, der zweitgrößten Stadt des südlichen Nachbarlandes Slowenien, gelernt werden? Wie baut sich eine Stadt, wenn Investoren sie bedrängen?

Graz ist nicht allein und hat – im Gegensatz zu Wien - die Aufsichtsbehörde des Landes Steiermark über sich und Rahmenbedingungen nach dem neuen Raumordnungsgesetz einzuhalten. Diese umfassen beispielsweise das regionale Entwicklungsprogramm für Graz-Umgebung mit verbindlichen Entwicklungszielen für die Region und die Landeshauptstadt Graz, die unter anderem den Grünraum und die Siedlungsschwerpunkte in Abhängigkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln betreffen.

Wien, das - anders als alle übrigen Landeshauptstädte - keinen Raumordnungsgesetzen unterliegt, ist mit der veränderten geopolitischen Lage, mit Wanderungsbewegungen und mit der Kehrtwende von Wien als „alte“ Stadt mit dem genauen Gegenteil konfrontiert. Starke Partizipation zur Abstimmung der Inhalte des Stadtentwicklungsplanes in allen Phasen - von der Grundlagenforschung über die Entwurfs- bis zur Umsetzungsphase - mittels zielorientierter Klein- und Fachgruppenarbeit in den Bezirken, dient einerseits als Instrument zur Problemlösung, andererseits zur größeren Akzeptanz durch die Bürger. Der STEP selbst ist mit dem Strategieplan (Zonen mit bestimmten Akzenten, wie Bahnhof Wien-Mitte oder Flugfeld Aspern), dem Masterplan Verkehr, dem Klimaschutzprogramm und dem Konzept zur Kooperation mit dem Umland (unterschiedliche Raumordnungsgesetzte!) abgestimmt. Der Strategieplan, ein interdisziplinäres Elaborat des Magistrats Wien, ist von gesellschaftspolitischer Relevanz und wird politisch – da gewollt – getragen.

Linz – mit dem litauischen Vilnius 2009 Kulturhauptstadt Europas – macht gerade eine dynamische Entwicklung von der Industrie- zur Kulturstadt durch und beginnt, nach der Stadterweiterung (Solar-City) wieder in innerstädtischen Bereichen zu verdichten. Dabei sollen die Potenziale in ehemaligen Gewerbegebieten ausgeschöpft und umgenutzt werden, ehe es wieder in die Erweiterung der Stadt gehen wird. In der Stadtentwicklung entpuppt sich die N-S-Achse entlang der Straßenbahn als besonders entwicklungsfreudig. In den Stadtteilen Linz-Nord, Linz-Mitte, Linz-Ost und Linz-Süd hat sich die Stadt in den letzten Jahren unterschiedliche Verordnungen mit detaillierten Vorgaben für die Bebauungsplanung gegeben, jedoch werden allzu genaue Festlegungen für die Zukunft durchaus kritisch gesehen. Bürgerbeteiligungsprozesse werden seit 1998 praktiziert.

Hannover, doppelt so groß wie Graz, ist schon in den 1960er Jahren eine regionale Zusammenarbeit mit seinem Umland (über 500.000 EW) eingegangen. Das eigens eingerichtete und direkt gewählte Regionalparlament (!) stellt ein Raumordnungsprogramm auf, das zum Beispiel die Ansiedlung von Handelsunternehmen in der Region dialogisch regelt. Das Stadtentwicklungskonzept ähnelt mehr dem von Wien, ist also ohne parzellengenaue Festlegungen, weil sich bereits Ende der 1970er Jahre herausstellte, dass nicht alles planlich festlegbar ist, sondern eher partnerschaftliche, partizipatorische Prozesse zum Ziel führen. Ziel ist seit den 1980er Jahren die Entwicklung inhaltlich (z.B. ökologisch) und projektorientiert voranzutreiben. Die Ostöffnung und die damit einhergehende Wanderungsbewegung brachten die Auseinandersetzung mit stark steigender Bevölkerungsbewegung innerhalb der Stadt mit sich und die Gefahr einer auseinander brechenden Stadtgesellschaft. Mit dem Programm „Die Stadt als sozialer Lebensraum“ wirkt man der Segregation durch Programme zur sozialen Integration entgegen. Im aktuellen Programm „Hannover +10“ wird die Stadt bis 2015 in 10 Bereichen weiterentwickelt, wobei Integration, familienfreundliches Wohnen (gegen Abwandern ins Umland > urbanes Einfamilienhaus) und lebendige Stadtteile (nach Leitbildern für 50 Bereiche) unter Anderem eine Rolle spielen. Gekonnt, weil seit 40 Jahren geübt, wird in basisdemokratischer Arbeit der Rückhalt in der Stadtgesellschaft gesucht.

Maribor, 50 km südlich von Graz, arbeitet seit 1995 am Stadtentwicklungskonzept. Man bemüht sich dabei um Kooperation mit dem überwiegend landwirtschaftlich genutzten Umland. Die Stadt selbst wird durch die Drau und die Infrastrukturen in vier Bereiche mit unterschiedlichen Nutzungen und Wohndichten geteilt. Im Altstadtkern befinden sich 80% der Zentrumsfunktionen, am rechten Drauufer leben 2/3 der Bevölkerung ohne ausreichende infrastrukturelle Einrichtungen. Der Prozess der Erstellung des STEK wird infolge der Staatsgründung vor allem durch die Umwandlung von staatlichen Eigentumsverhältnissen auf private geprägt. Aktuell beschäftigen die Raum- und Stadtplaner die zunehmend räumliche Mobilität der Bevölkerung, deren steigender Bedarf an Wohnqualität, der Ausbau der Verkehrsinfrastrukturen und anhaltender Druck von Investoren, dem mit Bebauungsplanung und Architekturwettbewerben begegnet wird. Der Einbeziehung der Bürger zur Revitalisierung des Zentrums und der Sanierung der Stadtränder wird in Workshops nachgegangen, die sich einer regen Beteiligung erfreuen. In Zukunft will man auf Wunsch der Bevölkerung mehr Ökologie und Erhaltung der Grünräume im STEK berücksichtigen.

Schlusspunkt des Workshops bildete die Darstellung der Anforderungen des Raumordnungsgesetzes durch die Aufsichtsbehörde des Landes Steiermark (zuständig für 542 Gemeinden). Allzu gerne würden sich Graz und alle anderen österreichischen Landeshauptstädte dieser Einschränkung entziehen, obwohl das bis dato von keiner Stadt vollzogen wurde. So muss das STEK 4.0 nach dem neuen ROG (Raumordnungsgesetz), das voraussichtlich 2008 in Kraft treten wird, den Landesgesetzen in Form des örtlichen und regionalen Entwicklungskonzeptes entsprechen. Neu und herausfordernd wird dabei die Verpflichtung zur Kooperation mit den Nachbargemeinden, die Einhaltung der Umweltstandards – von der EU übernommen – und von Entwicklungsgrenzen und Entwicklungsrichtungen sein. In Zukunft wird es im ROG die Empfehlung geben, eher mehr Entwicklungs- und Bebauungsplanung und weniger Flächenwidmung zu praktizieren.

Resümee: Detailplanung braucht über sich die Ebene der strategischen Überlegungen. Strategische Planung ist - ohne starr zu sein - interdisziplinär und langfristig zu betreiben. Partizipation ist nur sinnvoll, wenn sie zielorientiert über Kleingruppenarbeit bis zur Umsetzungsphase verfolgt wird. An Kommunikation top_down mangelt es in Graz ebenso wie an Stadtforschung. Ein gemeinsames räumliches Entwicklungsleitbild Graz_Maribor wäre eine willkommene Vision.

Die 20-minütigen Referate stehen demnächst auf der Homepage der Stadt Graz zum Download bereit.

Verfasser/in:
Karin Wallmüller, Nachlese
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