01/08/2019

Starker Antritt?

Kommentar von Sigrid Verhovsek zur Diskussion Let´s go! Fahr Rad! am 17. Juli 2019 im Haus der Architektur Graz, wo noch bis 14. August die Ausstellung Fahr Rad! Die Rückeroberung der Stadt läuft.

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01/08/2019

Interessierte GrazerInnen beim Vortrag von Wolfgang Feigl (designierter Leiter Verkehrsplanung Graz) im Rahmen der Ausstellung "Fahr Rad! Die Rückeroberung der Stadt" ...

©: Thomas Raggam

... und bei der Podiumsdiskussion mit Wolfgang Feigl, Gerald Winter Pölsler (Moderator) und Verkehrsplaner Markus Frewein (v. l.)

©: Thomas Raggam

Am 17. Juli 2019 wurde im Rahmen von Fahr Rad! Die Rückeroberung der Stadt der designierte Leiter der Abteilung für Verkehrsplanung der Stadt Graz vorgestellt: Bauingenieur DI Wolfgang Feigl, bis dato Leiter der Bereiche Radwege, Lärmschutz und Unfallhäufungsstellen im Land Steiermark, referierte im HDA über die geplanten Maßnahmen in Hinsicht auf zweirädrige Mobilität.

In der Steiermark sind derzeit etwa 6% der Verkehrsteilnehmer per Rad unterwegs; in Graz, einer Stadt, die schon allein aufgrund ihrer Dimension zum Radeln einlädt, sind es immerhin knapp 15%. Erstes Ziel wird also die Steigerung auf zumindest 20% in den sogenannten Potenzialräumen sein, und dafür ist zunächst ein lückenloses Radnetz Voraussetzung. Für dessen weitere Entwicklung wurde 2016 vom Land Steiermark die Initiative Radverkehrsstrategie 2025 ausgerufen, deren Broschüre Starker Antritt einige ambitionierte Projekte vorstellt. Zudem wird derzeit im Kernballungsraum Graz eine Radnetzstudie verfasst. Diese Potenzialstudie zielt darauf ab, unter Berücksichtigung von Start-Ziel-Prognosen mittels kurzen Wegen durch attraktive Stadt-Räume ein „ideales“ Velo-Netz für den Großraum Graz zu ermitteln.
Die Studie sollte Ende 2019 fertig sein und damit die Grundlage für einen zielgerichteten Ausbau bieten.

Einige eigentlich selbstverständliche, unbedingt umzusetzende (Erfolgs-)Faktoren für das zukünftige Rad-Erleben wurden genannt:
Wichtig ist zunächst eine gute Orientierung, bzw. klare Wegweisung. Die Beschilderung in Graz ist schon auf einem guten Weg, bei der Orientierung werden die RadfahrerInnen am Ende so manchen Radweges aber einfach auf der Straße stehen gelassen...
Die leidige Erfahrung, dass bei Baustellen nicht an die RadfahrerInnen gedacht wird, kennt ebenfalls jeder, der in Graz mit dem Bike unterwegs ist – auch dies soll anders werden. Zudem sollte das Bewusstsein dafür geschärft werden, dass der Radweg keinen gemütlichen Abstellplatz für City-Logistik-LKWs darstellt.
Mit gewisser Verblüffung hörte das zahlreiche Grazer Publikum, dass bei der Neuerschließung von Stadträumen oder Quartieren das Rad nun immerhin „mitgedacht" werden soll.

In der auf das Referat folgenden, von Gerald Winter Pölsler moderierten Podiumsdiskussion mit Verkehrsplaner Markus Frewein wurde schnell klar, dass der begrenzte Raum in der Stadt heiß umkämpft ist, und man nicht nur von den eigenen Vorgaben und Zielvorstellungen, sondern z. B. auch von der STVO oder dem Grünraumschutz (Wurzelschutz) abhängig ist. Um zu einer wirklichen Flächengerechtigkeit zu kommen, wird es also noch dauern.

Eine Möglichkeit, die Langwierigkeit dieser Prozesse zu umgehen, bieten einerseits gerade die Baustellen, die oft zu pop-up-Versuchsmodellen im Straßenverkehr werden, andererseits die Ausweisung von Fahrradstraßen, die ohne große Umbauten vor sich gehen kann, und die bei weiterhin bestehendem Tempo 30 den RadfahrerInnen den Vorrang vor dem MIV einräumen. Konsens besteht darüber, dass dies eine gute und scheinbar einfache Lösung darstellt, aber wenn man hört, dass Fahrradstraßen von Seiten der STVO seit 2013 grundsätzlich erlaubt sind, aber die erste (und bisher einzige!) der Steiermark erst 2018 in Bad Radkersburg eröffnet wurde, fragt man sich doch, wie stark der politische Wille wirklich ist – und wie viele PolititkerInnen auf ihr Dienstauto verzichten und sich als gutes Beispiel aufs Rad schwingen. Vom Publikum wird zudem eingefordert, dass für eine gute (sinnvolle!) Verkehrsplanung alle Abteilungen, die mit dem öffentlichen Raum zusammenhängen, enger zusammenarbeiten.

Zum Schluss, nachdem viel von bestimmten persönlichen Anliegen und kleinteiligen Streckenabschnitten die Rede war, deren Problematik vielleicht eher via Sprechstunden abgelagert werden sollten, fordert Heidrun Primas (Leiterin des Forum Stadtparks Graz) den Mut zu umfassenderen stadträumlichen Visionen, wie zum Beispiel, die Stadt des 21. Jahrhunderts autofrei zu denken.

Klare Prioritäten bringen mehr als Kompromisse, wo sich unter Umständen jeder zurückgesetzt fühlt.

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