dass man bei Ihnen in Wien (?) den Begriff „Bildhauer-Architekt“ sofort mit Wotruba assoziiert, mag sein, im Rest der Welt ist das jedenfalls nicht so und das Argument, ich habe Wotruba mit Förderer gleichgesetzt, steht damit nur auf Ihren persönlichen Assoziationsbeinen.
Was Ferdinand Schuster betrifft, haben Sie offenbar meinen Text nicht gelesen, sondern nur die Bilder durchgeblättert, sonst wären Sie nämlich nicht auf die Idee gekommen, ich würde Schuster mit Michelucci in einen Topf werfen. Ich wiederhole deshalb die wesentlichen Passagen zu Schuster, in denen ich sein Verhältnis zum Brutalismus dargelegt habe: „Die Schlüsselfigur für den steirischen Proto-Brutalismus, der vor allem den Kirchenbau betrifft, ist Ferdinand Schuster (1920–1972), der für die steirische Architektur eine ähnliche Rolle spielt wie Alison und Peter Smithson für Großbritannien. Ausgehend von der reduzierten Formensprache Mies van der Rohes, die er ohne den in den 1950er-Jahren verbreiteten Hang zum Dekorativen weiterentwickelt, verbindet Schuster einen hohen ethischen und sozialen Anspruch mit einer lakonischen, elementaren Behandlung von Raum, Material und Struktur. […] Sein Werk bietet sowohl Anknüpfungspunkte zum ‚New Brutalism‘ der Smithsons als auch – wenngleich in geringerem Maße – zum ‚béton brut‘ Le Corbusiers. Für Letzteres liefert der kleine Glockenturm aus Sichtbeton am Mahnmal des Friedhofs Kapfenberg-St. Martin (1954–1955) das früheste Beispiel, dessen Schalungsstruktur als Ausdrucksträger dient. Beim kreuzförmigen Zentralbau der Pfarrkirche Kapfenberg-Walfersham (1957–1962) […] realisiert Schuster erstmals einen Sichtbeton-Skelettbau, dessen nördliche und südliche Außenwände zwar komplett mit Betonschalsteinen und farbigen Glasfenstern ausgefacht sind, die aber mehr als Struktur denn als Muster wirken und die lapidare Schlichtheit der Gesamterscheinung unterstreichen. Freilich, mit dem späteren Brutalismus als einem ‚style of mass, weight, roughness, and solidity‘ hat dieses noch in der Tradition der Klassischen Moderne stehende Gebäude mit seinen als dünne Haut interpretierten Wänden noch nichts zu tun.“ (S. 158)
Bildhauer-Architekt und Ferdiand Schuster
Sehr geehrte(r) Herr oder Frau Stadtwanderer,
dass man bei Ihnen in Wien (?) den Begriff „Bildhauer-Architekt“ sofort mit Wotruba assoziiert, mag sein, im Rest der Welt ist das jedenfalls nicht so und das Argument, ich habe Wotruba mit Förderer gleichgesetzt, steht damit nur auf Ihren persönlichen Assoziationsbeinen.
Was Ferdinand Schuster betrifft, haben Sie offenbar meinen Text nicht gelesen, sondern nur die Bilder durchgeblättert, sonst wären Sie nämlich nicht auf die Idee gekommen, ich würde Schuster mit Michelucci in einen Topf werfen. Ich wiederhole deshalb die wesentlichen Passagen zu Schuster, in denen ich sein Verhältnis zum Brutalismus dargelegt habe: „Die Schlüsselfigur für den steirischen Proto-Brutalismus, der vor allem den Kirchenbau betrifft, ist Ferdinand Schuster (1920–1972), der für die steirische Architektur eine ähnliche Rolle spielt wie Alison und Peter Smithson für Großbritannien. Ausgehend von der reduzierten Formensprache Mies van der Rohes, die er ohne den in den 1950er-Jahren verbreiteten Hang zum Dekorativen weiterentwickelt, verbindet Schuster einen hohen ethischen und sozialen Anspruch mit einer lakonischen, elementaren Behandlung von Raum, Material und Struktur. […] Sein Werk bietet sowohl Anknüpfungspunkte zum ‚New Brutalism‘ der Smithsons als auch – wenngleich in geringerem Maße – zum ‚béton brut‘ Le Corbusiers. Für Letzteres liefert der kleine Glockenturm aus Sichtbeton am Mahnmal des Friedhofs Kapfenberg-St. Martin (1954–1955) das früheste Beispiel, dessen Schalungsstruktur als Ausdrucksträger dient. Beim kreuzförmigen Zentralbau der Pfarrkirche Kapfenberg-Walfersham (1957–1962) […] realisiert Schuster erstmals einen Sichtbeton-Skelettbau, dessen nördliche und südliche Außenwände zwar komplett mit Betonschalsteinen und farbigen Glasfenstern ausgefacht sind, die aber mehr als Struktur denn als Muster wirken und die lapidare Schlichtheit der Gesamterscheinung unterstreichen. Freilich, mit dem späteren Brutalismus als einem ‚style of mass, weight, roughness, and solidity‘ hat dieses noch in der Tradition der Klassischen Moderne stehende Gebäude mit seinen als dünne Haut interpretierten Wänden noch nichts zu tun.“ (S. 158)
Mit freundlichen Grüßen
Anselm Wagner