05/10/2007
05/10/2007

Margareth Otti (li.) und Eva Tropper auf dem Schlossberg

Margareth Otti (li.) und Eva Tropper auf dem Schlossberg

In einem Essay mit dem Titel „Hier ist es schön“ machte sich Robert Musil Gedanken über Form und Funktion von Ansichtspostkarten. Speziell die kolorierten Ortsansichten „sehen in der ganzen Welt einander ähnlich“. Sie würden mit lapidaren Kommentaren ihrer Adressaten versehen, in der Art „Hier ist es unbeschreiblich schön“. Und man glaubte sozusagen dem erstandenen Bild und dem selbst beigefügten Kommentar, was schließlich der einzige Grund sei, selbst (nochmals) an den Ort zu reisen, von dem man die Ansichtskarte gekauft hat. Ansichtskarten, müsste man Musil interpretieren, stellten somit ein überhöhtes Bild wirklicher Orte dar, über die Distribution, entständen infolge unwirkliche Orte als Utopien des Fremdenverkehrs. „Wenn die Welt so aussähe, könnte man wirklich nichts Besseres tun, als ihr eine Marke aufzukleben und sie in den nächsten Kasten zu werfen.“

Eva Tropper und Margareth Otti borgten sich Musils Titel und erstellten mittels 1400 Exemplaren aus der 8000 Ansichtskarten umfassenden Sammlung des Grazer Stadtmuseums ein über drei Räume verteiltes Panorama in solcherart 1400 Blicken auf Graz. Wichtig war den Kuratorinnen die Häufung von Bildmotiven zu verschiedenen Zeiten und dabei fällt auf, dass das einzelne Motiv seit der Wende zum 20. Jahrhundert eine Tendenz vom Quer- zum Hochformat zeigt. Am Beispiel des Uhrturms, im zweiten Raum der Ausstellung, wird deutlich, dass dieser zunächst – und zur Orientierung für Ortsunkundige – zumeist vor dem Hintergrund einer Teilansicht der Stadt abgebildet wurde. Mit der Zeit und wachsender Motivverbreitung wird er im Hochformat zum Solitär.

Die Schau besteht aus drei Installationen, deren erste einen Standpunkt auf dem Schlossberg simuliert, um den in konzentrischen Kreisen weitere topografisch korrekt zugeordnete Ansichten auf Postkarten angeordnet sind. Der zweite Raum beschäftigt sich mit diversen Ansichten des Uhrturms bis in die Gegenwart und der dritte Raum führt an alphabetisch geordnete Blicke auf Straßen und Plätze der Stadt, womit auch die Veränderung des Stadtbildes über mehr als ein Jahrhundert vorgeführt wird.

Individuell und persönlich werden die Ansichtskarten durch die lesbaren Mitteilungen, und damit einher geht auch ein über den touristischen hinausreichender Verwendungszweck, wenn Adressanten etwa aufgefordert werden, etwas zu erledigen oder ein Treffpunkt vereinbart wird. Hiermit wird auch plausibel, dass diese billige, schnelle und öffentlich einsehbare Post wohl bald ein Vorgänger unserer inzwischen alltäglichen Kommunikationsmittel von Telefon bis SMS gewesen sein wird. Der Katalog zur Ausstellung versammelt Beiträge von Margareth Otti, Eva Tropper, Anton Holzer und Otto Hochreiter.

Die Ausstellung "Hier ist es schön. Grazer Ansichtskarten" ist bis zum 6. April 2008 im Stadtmuseum Graz, Sackstraße 18, zu sehen. Di-So 10.00-18.00 Uhr, Do bis 20.00 Uhr.

Verfasser/in:
Wenzel Mracek, Empfehlung
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