23/10/2003
23/10/2003

"Die Räume sind eine Herausforderung"
Kunsthaus-Chef Peter Pakesch im Interview über die Tücken der "blauen Blase" und die ersten Ausstellungen

Als Intendant des Landesmuseums Joanneum ist Peter Pakesch auch Chef des Kunsthauses. Über die Tücken der "blauen Blase" und die ersten Ausstellungen, die im Konnex mit der Architektur stehen, sprach er mit Thomas Trenkler.

STANDARD: Die Architektur des Grazer Kunsthauses wurde in den Medien großteils sehr negativ beurteilt, vor allem was die Ausgestaltung der Innenräume anbelangt. Und gerade die müssen Sie als Chef des Kunsthauses bespielen. Kein leichtes Unterfangen, oder?

Pakesch: Aber eine große Herausforderung - und von Tag zu Tag spannender! Bisher lassen die Räume sehr viel Spielraum zu und eröffnen ungewohnte Möglichkeiten. Ich glaube, wir können für Überraschungen sorgen.

STANDARD: Inwiefern? Um Tafelbilder präsentieren zu können, brauchen Sie doch Stellwände, weil es keine einzige plane Wand gibt. Wie viele Laufmeter mussten Sie denn für die erste Ausstellung in den Kuppelsaal und die darunter liegende Ebene aufstellen?

Pakesch: Leider habe ich die genaue Zahl nicht parat. Der untere Raum wird durch die Wände strukturiert. Im oberen Raum kommen wir mit ganz wenig Elementen aus. Dieser Bereich eignet sich ohnehin mehr für Skulpturen und Rauminstallationen. Glücklicherweise haben wir für die erste Ausstellung spektakuläre große Werke von Liz Larner, Anthony Caro und Ernesto Neto bekommen können.

STANDARD: Das Kunsthaus sollte eigentlich eine semitransparente Hülle haben. Doch der Kuppelsaal ist alles andere denn lichtdurchflutet: Trotz der "Nozzles", die den Raum dominieren, herrscht eine recht düstere Stimmung vor.

Pakesch: Ja, ohne zusätzliche Beleuchtung geht es nicht. Das Kunsthaus ist kein Tageslichtmuseum. Eine transparente Hülle hätte kein akzeptables Raumklima gestattet. Und die Bauzeit hätte viel länger sein müssen. Technologisch war man offenbar noch nicht so weit. Und man hätte sich noch weiter von einer Verwendbarkeit des Raumes für Ausstellungen entfernt.

STANDARD: Gerade der "space 01" soll in der Anfangsphase von Künstlern wie Sol LeWitt vermessen bzw. erprobt werden. Welche Erkenntnisse schweben Ihnen denn vor?

Pakesch: Sol LeWitt wird eine große Skulptur oder Installation schaffen. Er ist zeitlich durchaus mit der Idee der Architekten verbunden, aber er besetzt nicht eine idealistisch-utopistische Position, sondern eine sehr pragmatische, fast materialistische. Für beide Ebenen gilt, dass ich den Künstlern und ihren Werken besonders vertraue. Derzeit kann man erleben, wie sehr sich der Raum durch die Präsenz von Liz Larners 2001 verändert hat. Hier spielt eine große Skulptur die Decke an die Wand. Für den unteren Raum erhalten wir in Einbildung mit den Bildern von Sarah Morris, Richard Kriesche, Bridget Riley und einer Installation von Angela Bulloch bestimmte Durchblicke, die den Raum richtig verändern. Das soll sich danach mit der Personale Vera Lutter fortsetzen: Ihre raumgroßen Lochkamera-Fotos geben der Architektur neue Dimensionen.

STANDARD: In der Ausstellung "Einbildung" werden auch Werke der im Jahr 2001 verstorbenen Helga Philipp zu sehen sein, die seit den 60er-Jahren ihrem Weg treu blieb. Wollen Sie mit dieser Op-Art auch eine Verbindung zur Architektur herstellen, die ebenfalls auf Konzepten der 60er fußt?

Pakesch: Natürlich gibt es hier eine starke Verbindung zu den 60er-Jahren. Das wird von der Architektur vorgegeben, aber auch von der Logik der Grazer Kunstsituation. Mit Wilfried Skreiner, dem langjährigen Leiter der Neuen Galerie, und vor allem mit seiner Ausstellung trigon'67 wurden wichtige Schritte in die Internationalität gesetzt. Ganz stolz bin ich darauf, dass wir den spazio elastico von Gianni Colombo aus der trigon'67 rekonstruieren konnten. Dabei handelt es sich um ein ganz bedeutendes Werk. Von hier die Verbindung zu den Jungen wie Esther Stocker, Olafur Eliasson, Sarah Morris und so weiter zu schließen ist spannend.

STANDARD: Sie erhalten 4,2 Millionen Euro jährlich vom Land Steiermark und der Stadt Graz - für alles: Gebäudeerhaltung, Betriebskosten, Personal und Ausstellungen. Wird das Budget ausreichen?

Pakesch: Bezüglich der Betriebskosten gibt es zwar recht präzise Schätzungen, aber natürlich noch einige Unsicherheitsfaktoren. Wenn wir eine gute Zahl an Sponsoren finden, wird das Budget ausreichen. Ich würde mir wünschen, ich hätte in den anderen Abteilungen des Joanneums ähnliche finanzielle Möglichkeiten und einen ähnlichen Zugang zu Sponsoren.

STANDARD: Die Kinderzone "space 03" ist ein mit dunklem Kunststoffboden ausgelegtes, beinahe fensterloses und recht niedriges "Loch". Werden genervte Eltern ihren Kindern künftig nicht drohen: "Wenn du schlimm bist, kommst du ins Kunsthaus!"?

Pakesch: Ich glaube, es wird das Gegenteil der Fall sein: "Wenn du schlimm bist, darfst du nicht ins Kunsthaus!" Der Raum bietet ein hohes Maß an Geborgenheit, viele Besucher sind begeistert. Wir sind eben dabei, diesen Bereich einzurichten und eigene Programme zu entwickeln. Für Kinder gibt es aber auch einiges in der Ausstellung Einbildung zu sehen und zu entdecken.

STANDARD: Mit Peter Weibel, dem Chefkurator der Neuen Galerie, kuratieren Sie eine Schau über kinetische Kunst.

Pakesch: Ja, für den Herbst 2004 als zweite große Ausstellung über beide Ebenen in Zusammenarbeit mit dem Musée Jean Tinguely in Basel: Nach der Wahrnehmung wird es um die Bewegung gehen. Wir wollen einen Bogen von den späten 60ern bis in die Gegenwart spannen und haben bereits einige Künstler mit Projekten beauftragt, zum Beispiel Thomas Baumann und Jeppe Hein. Aber natürlich wird Tinguely eine wichtige Rolle spielen. Parallel dazu ist auch eine Ausstellung zum Thema in der Neuen Galerie geplant.
(DER STANDARD, Printausgabe, 23.10.2003)

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