02/05/2017

Jeden ersten Dienstag im Monat veröffentlicht GAT in der Kolumne Aber Hallo! Anmerkungen von Karin Tschavgova zu aktuellen Themen von Architektur und gebauter Umwelt.

02/05/2017
©: Karin Tschavgova

Design wär fein

Seit 2011 ist Graz UNESCO City of Design und gerade jetzt findet der Designmonat statt – wir müssen nur Ja sagen und sind schon mitten drin.

Das aktuelle Programm bietet uns dazu (ein Auszug):
2 Ausstellungen. Konventionell, meinen Sie? Zugegeben, eine der beiden zeigt uns die Sammlung von 1970er Jahre Mediendesign-Artefakten des Leiters des Studiengangs Journalismus und PR an der FH Joanneum. Schön für Menschen, die das Design dieser Ära lieben (wie die Autorin dieser Kolumne). Die andere zeigt Produkt-Design an unerwarteten Orten – inmitten von Getier aller Art im Naturkundemuseum. Dann noch jede Menge Meet the Designer, Open Ateliers, Modeschauen und eine Kleidertauschbörse, Lecture Days an der FH, einige Workshops, City of Design-Kreativtouren und wie „…. die Entwicklung in Richtung Smart City vorangetrieben“*) wird, erklärt man uns in der Smartness-Konferenz. Außerdem: Smart Urban Privacy – Urbane Oasen als Rückzugsgebiete im Öffentlichen Raum – eine Kooperation von Designern und holzverarbeitenden Betrieben wird uns im Joanneumsviertel angekündigt. Mal sehen, was da kommt.

Doch was ist mit dem (Alltags-)Design im öffentlichen Raum in Graz?
Fragt mich Anita, die Freundin aus Köln, die hier mal studiert hat: Lohnt es sich, anzureisen? Design als Key Element und Bereicherung des Alltags müsste sich doch schon längst abzeichnen im Stadtraum in Graz. Immerhin ist die Stadt schon seit sechs Jahren dabei im illustren Verein mit Bilbao, Helsinki, Berlin oder Shanghai.
Ich passe, Antwort folgt. Begebe mich auf Spurensuche, setze mich aufs Rad, schaue mich um, wie Design im öffentlichen Raum unseren Alltag begleitet.

Schöne Bänke haben sie gestaltet, die Architekten der Gruppe Balloon, am von ihnen gestalteten Platz der Kunstuniversität vor dem Palais Meran. Zweifelsohne eine Bereicherung.
Was ist aus der groß angekündigten Kulturachse zwischen dem Karmeliterplatz und dem Stadtpark geworden, „mittels eines inszenierten und ins Projekt integrierten Durchstichs durch die historische Befestigungsanlage“? Dem Mauseloch unter dem Wulst der Mauer (siehe Aber Hallo 22) ist nichts hinzuzufügen und wurde auch nichts hinzugefügt. Der Übergang in den Stadtpark ist immer noch auf matschig-glitschigem Wiesengrund, vor allem nach Regen. Unbefestigt, ungestaltet, aber immer noch cirka einen Meter unter dem Niveau der großen Wiese im Park, in die er münden sollte. Vermutlich ist die Zuständigkeit der Errichter des Weges, der die Bezeichnung Kulturachse nicht verdient, dort zu Ende - die Kompetenz der Stadtplanung offensichtlich auch. Das ist ärgerlich für alle, die trotzdem diesen Weg nehmen – und ein peinliches Versagen. Schnell weg von hier.
Das gut gemeinte, aber frei von jeglichem Design errichtete absturzsichere Geländer zwischen Stadtpark und den Straßenbahnschienen am Glacis – auch schon bemängelt auf GAT, aber seitdem nicht besser geworden. Ein typischer Fall von „was die eine Hand macht, und die andere (Abteilung) nicht weiß“. Wir kennen das vom Tummelplatz, wo die Stadtgärtner liebevoll kleine Zäunchen um jeden Baum errichteten, nachdem der Architekt seine Vision der durchgehend freien Platzebene mit feiner Strukturierung durch eine einzige Baumreihe,  Lichtpunkte und ein Liniengitter mittels Fugen realisieren konnte.
Und heute? Blieb vom einst subtilen Design des Tummelplatzes nicht viel übrig. Die Leuchten - längst nicht mehr in Betrieb. Waren keine besser geeigneten, befahrbaren Bodenleuchten aufzutreiben oder wollte man nicht? Die Strukturierung durch die Platten zerstört  - aufgerissen und grob und unschön mit Asphalt/Beton zugeschmiert. Eine Schande.
Am Hauptplatz: Eine Unmenge von Fahrrädern, die kreuz und quer stehen und die Fußgänger zu Umwegen zwingen. Sie haben Recht, lieber Leser, selbst in einer Designcity muss nicht alles designt sein – aber: It’s a mass! Und hat nicht schon Herwig Illmaier, der viel zu jung verstorbene Grazer Architekt, 1991 in seinem Entwurf zur Neugestaltung des Hauptplatzes die Problematik erkannt und einen Vorschlag gemacht, wie man dieses Chaos mittels Fahrradtiefgarage in den Griff bekommen könnte? Das war vielleicht nicht probat, aber ein Denkansatz für städtisches Design allemal.
Die Bänke in den Nischen des Eisernen Hauses, die das neue Kunsthauscafè bereichern. Eine kleine, unaufwändige idee, die zeigt, dass Design auch mal nur eine gute Idee braucht.
Ich fahre weiter in Richtung Annenstraße und, herrje, Sie ahnen es schon. Dort ist Stadtmöblierung in Form der neuen Haltestellen gründlich „in die Hose gegangen“. Ein Gestaltungswettbewerb sollte die Annenstraße aufwerten. Hat die Jury damals die Schwächen des Projekts nicht gesehen? Oder das Stadtplanungsamt mit Forderungen nach Abänderung das Ergebnis schlechter gemacht? Jedenfalls: Was dort steht, ist ein Designdesaster bis hin zu den 08/15 Papierkörben, die achtlos daneben gestellt wurden. Mir reicht’s.

Das Bauamt am Bahnhof werde ich nicht aufsuchen. Auch wenn man dort die Bildung einer strategischen Gruppe anregen sollte, die sich ganzjährig um das Stadtdesign gemüht – diskursiv, anregend, spartenübergreifend durch viele Player aus den unterschiedlichsten Bereichen des städtischen Lebens, denen das Aussehen von Graz ein Anliegen ist. Was wurde eigentlich aus der Planungswerkstatt Zeit für Graz?
Es muss nicht alles designt sein, aber alles, was der Stadt hinzugefügt wird, gestaltet. Das sollte uns bewusst sein. Und jede Gestaltung entscheidet, ob Graz Designcity ist oder auch mit einem Designmonat provinziell bleibt, was Stadtdesign und Stadtmöblierung betrifft.

*) zitiert aus dem schön gemachten Sonderheft zum Designmonat.

Laukhardt

Liebe Karin! Du hättest doch ins Bauamts-Gebäude gehen sollen. Denn dort finden sich sicher die Studien oder Konzepte oder gar Entwürfe für die Gestaltung der Achse Stadtpark - Karmeliterplatz (den Begriff "Pfauengarten" verwende ich nicht mehr, weil er nur mehr historisch ist). Hier geht es ja um eine Neugestaltung des ehemaligen Stadtgraben-Bereiches, um einen vom Bauherrn des dortigen Neubaus mitfinanzierten Kinderspielplatz an der Stelle des ehemaligen Verkehrskindergartens - und um den Übergang in Richtung Stadt. Erste Vorschläge zur Sichtbarmachung der damals freigelegten Stadtmauer samt Kanonenscharten stammen von mir, als ich noch in der ASVK tätig war (2203). Das Entgegenkommen des Bauherrn gegenüber meinen Vorschlägen hat es ermöglicht, die Fehlplanung der Stadt zu korrigieren und diese Sehenswürdigkeit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Aber der Zugang zum "Loch" in der Stadtmauer ist eine für die Stadt wohl zu komplexe Aufgaben und bedarf gründlicher Vorbereitung (man faselte auch schon von "Kriegsrelikten" unter der Böschung, was ich als Zeitzeuge zurückweise). Das alles kann nicht in ein paar Jahren bewältigt werden´und benötigt jedenfalls zunächst einmal gründliches Abliegen - in einer Schreibtischlade. Und, wer weiß, ob überhaupt schon feststeht, wer zuständig ist? Ich hörte von einem Namen, aber ob es die Dame/den Herrn wirklich gibt? Vielleicht handelt es sich um einen Decknamen für Projekte, die nie fertig werden.

Di. 02/05/2017 12:54 Permalink
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+