03/03/2004
03/03/2004

"Der Blick auf’s Kleine, Feine" - von Karin Tschavgova

In der Welt der grell inszenierten Architekturspektakel sind sie nicht zu finden, den „best of “-Nominierungen von neuer Architektur sind sie allenfalls eine Randbemerkung wert und in Fachmagazinen verbannt man sie auf die vorletzte Seite: Die kleinen architektonischen Interventionen, denen wir im Alltag – selten, aber doch - en passent begegnen. Sie wahrzunehmen erfordert genaues Schauen, sind es doch oft nur Kleinigkeiten, mit Können und Sorgfalt gestaltet.
Geschäftsportale, zart gerahmt aus edlem Chrom, fern jeder Protzigkeit, feinabgestimmt bis zum bedienungsfreundlichen Türgriff. Sie stammen aus einer Zeit, in der der Portalbau noch ein eigener, gekonnt gemeisterter Zweig der Stahlbauer war, geprägt von großer Materialkenntnis, dem Wissen um Verarbeitbarkeit und Wirkung und Gespür für Proportionen.
Oder: Wandlampen aus nicht mehr als gebogenem Rundrohr, einer schönen Fassung und nackter Glühbirne. Zu sehen im Santa Clara, einem Innenstadtrestaurant, das vom Betreiber eigenhändig, mit viel Liebe zum Detail bei gleichzeitigem Mut zur Reduktion, gestaltet wurde. Ganz einfach mit erstaunlichem Feingefühl.
Ein Café, stimmig in der Farb- und Materialwahl bis hin zur Beleuchtung, dem Sitzkomfort und der Qualität des kleinen Braunen. Ohne Trara im Windschatten des Kunsthauses am Grazer Grieskai eröffnet - ist Ihnen das Tribeca aufgefallen? Es hat den Bestand des Portals aus den 70er Jahren - ja, genau! ein Beispiel jener obengenannten - klugerweise belassen. Das erlaubt dem urbanen Flaneur, seinen Kaffee unmittelbar an der raumhohen Scheibe, am Hocker sitzend, einzunehmen und das zu tun, was diese Stadtlage anbietet: das Wogen der Massen über die Brücke zu beobachten. In sich vertiefte Zeitungsleser oder Gruppen bei Kleinkind-Mütter-Treffen sitzen an ganz normalen bequemen Tischen, Bänken, Stühlen, die von der Architektin sorgfältig ausgesucht und fein abgestuft angeordnet wurden. Die Theke, gekonnt in Größe und Material, sympathisch die wandfüllenden handbeschriebenen Kreidetafeln mit dem kulinarischen Angebot – c’est tout. C’est beaucoup!
Gemeinsam ist jeder dieser Beglückungen, dass sie - nie modisch und immer unaufgeregt - einfach da sind. Eine kleine, feine Selbstverständlichkeit - oder doch nicht?
Die letzte Jury der Geramb-Rose hatte genau solche Preziosen ausgewählt, unabhängig davon, ob sie mit einem Architekten entstanden sind. Die Vorbildwirkung dieser Nominierungen, Ihr Aufforderungs- oder Ermunterungscharakter für künfige Bauherren wurde von den Auslobern dieser Bauherrenwürdigung leider nicht erkannt, die Empfehlung der Jury nicht angenommen.

Verfasser/in:
Karin Tschavgova
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16. + 17.11.2023
 
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