anGedacht 013

Neulich in einer geladenen Diskussion zum Klärung der Frage, wie man ein Anheben der Baukultur erreichen könne. Der Schlusssatz in einem der drei Eingangsstatements gibt ein Stichwort: „Die Spitze kann man künstlich hinauftreiben, die Breite muss aber wachsen“. Der Massensport Fußball wird in seiner Bedeutung für die Gesellschaft mit dem Bauen verglichen.

Vorarlberg wird als Modell zitiert. Ein kleines Land, in dem die Qualität des Gebauten, flächendeckend sichtbar bis in die kleinsten Dörfer und auf die steilsten Hänge hinauf, bemerkenswert hoch ist. Ein Land, in dem zeitgemäßes energiesparendes Bauen mittlerweile zum gesellschaftlichen Prestige geworden ist.

Das stößt auf heftigen (Einzel-)widerstand. Die Meinung eines Gastes, dass das Beispiel Vorarlberg kein Weg sei, weil es zu wenig und außerdem selbstverständlich sei, Architektur energetisch und in ihren Funktionen gut zu lösen, stößt auf Unverständnis. Da setzt der Gast nach: Architektur sei eine künstlerische Leistung, und Sinn ergäbe einzig das Fördern von Spitzenleistungen, weil die in die Mitte ausstrahlen.
Dieser Auffassung können in diesem Kreis offensichtlich wenige etwas abgewinnen. Auch, als ein anderer behauptet, dass Qualität zwar selten , aber kein „weiches“ Maß ist, die Masse aber immer Mittelmaß, entwickelt sich daraus keine Diskussion.

Angesichts dessen, was wir draußen auf dem Land sehen, scheint eine solche Diskussion ziemlich akademisch.
Wie dort gebaut wird, zeigt, dass es kaum oder noch zu wenig wirksame Vorbilder gibt, die den/die NachbarIn zu einer Auseinandersetzung mit heutigen Bauweisen animieren und zu einer modernen Interpretation, etwa des Wohnens, führen würden. Ob die Breitenwirkung durch wenige Spitzenleistungen oder den gehobenen Durchschnitt kommt, ist doch egal. Vorbilder müssen her.

Man muss sie ermöglichen – etwa, indem Bausachverständige und Bürgermeister, oft in enger Allianz, geschult darin werden, Qualität erkennen zu lernen.
Man muss sie fördern – etwa, indem man Fördermittel bindet an Entwurfsqualität. Die zu definieren, ist zugegebenermaßen schwer, aber nicht unmöglich. Denken wir an den „Wohnbautisch“ oder an Gestaltungsbeiräte.
Man muss sie auszeichnen - Preise heben nicht nur die Akzeptanz dem Bauwerk gegenüber, sie sind auch Anreiz zur Qualitätsarbeit, etwa für Bauausführende (siehe Holzbaupreis).

Und - nicht zuletzt, muss man Bauqualität vermitteln. ZEIGEN UND ERKLÄREN. Bewusstseinsbildung schaffen, auch wenn das ein langfristiges Ziel ist. Vorträge halten, Seminare, zu Exkursionen einladen – immer wieder volkshochschulartig hinausgehen. Das ist harte Arbeit und verlangt langfristige Konzepte, Zähigkeit und Ausdauer, garantiert aber am ehesten Nachhaltigkeit. Weit über eine Wahlperiode hinaus.

Verfasser/in:
Karin Tschavgova

Datum:

Wed 12/05/2004
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