08/08/2007
08/08/2007

„Wir haben nur mehr Massenware“, sagt Gerhard Mitterberger vom Wohnbauausschuss der Kammer (und Architekt in Graz, Anm.; im Bild rechts). „Und dann versucht man, mit einem speziellen Wettbewerb permanente Fehlentwicklungen zu korrigieren“, setzt Kammerkollege Wolfgang Feyferlik (Architekt in Graz, Anm.; im Bild links). Foto: Zita Oberwalder

Der Falter Steiermark erscheint wöchentlich, jeweils am Mittwoch.

Mit starren Förderrichtlinien verhindert das Land Steiermark innovative Wohnbauten. Die heimischen Planer wollen das nicht länger hinnehmen.
GERLINDE PÖLSLER

„Dieses ständiges Blockieren von Ideen geht mir schon seit dreißig Jahren auf die Nerven“, schmetterte der renommierte Grazer Architekt Klaus Kada in den voll besetzten Generalihof, in dem sich die Prominenz der Grazer Bau- und Planerszene versammelt hatte. Wohnbau-Landesrat Johann Seitinger hatte zur „Soirée“ anlässlich eines neuen, vom Land finanzierten Architektur-Themenwettbewerbs geladen, für den sich Planer seit vergangener Woche bewerben können. Doch auch andere von Kadas Berufskollegen gaben Seitinger Stoff. In dessen Büro ist man seitdem aufgebracht. „Der Landesrat war über den Auftritt mancher Architekten sehr entsetzt“, sagt Gerhard Uhlmann, der für Wohnbauförderung zuständige Sekretär. „Man muss sich ernsthaft überlegen, ob man mit bestimmten Herren überhaupt noch etwas macht.“

Dabei ist der aktuelle Konflikt nur ein Symptom für einen größeren, schon länger schwelenden. In den Achtzigern machte sich die „Grazer Schule“ und mit ihr der soziale Wohnbau dieser Zeit einen Ruf – es entstanden Projekte wie Volker Gienckes verdichteter Wohnbau in der Carl-Spitzweg-Gasse sowie die Terrassenhaussiedlung in St. Peter. Doch mittlerweile sind Experimente rar. „Wir haben nur mehr Massenware“, sagt Gerhard Mitterberger vom Wohnbauausschuss der Kammer. „Und dann versucht man, mit einem speziellen Wettbewerb permanente Fehlentwicklungen zu korrigieren“, setzt Kammerkollege Wolfgang Feyferlik nach.

„Man geht fast immer von der Startwohnung für die Jungfamilie aus, die meisten Wohnungen werden in einer Größe von 60 bis 70 Quadratmetern gebaut“, sagt Mitterberger. Die Grundrisse weichen wenig voneinander ab, Hundert-Quadratmeter-Domizile werden kaum je errichtet. Zwei Kinder sind da schon schlecht einzuquartieren, und auch den vielen Lebenskonstellationen, die die Menschen heute durchlaufen – als junger oder hochbetagter Single, als (Patchwork-)Familie oder mit Büro zu Hause – wird das nicht gerecht. Die Schuld daran geben die Architekten dem Fördersystem. Es sei so starr, dass es jeglichen erfinderischen Umgang mit Veränderungen verhindere.

Was die Planer besonders wurmt: dass es für ökologische Goodies wie Wärmedämmungen „Ökopunkte“ und damit Extra-Euros gibt, für architektonische Güte aber nicht. Nun ist Ökologie zweifellos wichtig – allerdings, halten die Architekten dagegen, treibe das unflexible Wohnbausystem die Leute dazu, reihenweise Einfamilienhäuser in die Speckgürtel rund um die Städte zu setzen. Und das ist ökologisch gesehen problematisch, da kann man das Haus selbst noch so warm einpacken: Bringt es doch zersiedelte Landschaften, neue Straßen und Kanäle und lange Verkehrswege zur Arbeit und zum Einkaufen mit sich. „Doch die Förderung von Einfamilienhäusern ist nicht und nicht diskutierbar in diesem Land“, ärgert sich Gabu Heindl, Vorstandsmitglied im Grazer Haus der Architektur. Alle Politiker wissen: Beim Eigenheim etwas zurückzuschrauben bringt nur Feinde.

Was viele Architekten außerdem ärgert, ist die Quasi-Monopolstellung der Gemeinnützigen Gesellschaften: Neben Gemeinden dürfen nur sie soziale Wohnbauten errichten, eingebunden sind sie praktisch immer. Viele von ihnen, besonders die großen, sind parteipolitisch klar zuordenbar. Ohne ihr Placet wird also kein Ziegel auf einen anderen gestellt. Meist haben sie ihre eigenen Planungsabteilungen, was eine gewisse Reserviertheit gegenüber Ideen externer Architekten, die alles neu und anders machen wollen, erahnen lässt. Die Genossenschaften sind auch bei den Wettbewerben mit an Bord und setzen sie um.

Der neue Bewerb steht nun unter dem Motto „Gesellschaft und Ökologie. Generationen Wohnen“. Er soll in Gleisdorf realisiert werden, eines der Ziele lautet, - längst fällige – neue Ideen für die alternde Gesellschaft zu bringen. Damit hat er ein ähnliches Thema wie der Bewerb des Vorjahres mit dem Titel „50+“. Dessen Ergebnis wird gerade umgesetzt – allerdings in stark zusammengestutzer Form. Für viele Architekten ist er geradezu das Negativbeispiel dafür, wie das Ressort gute Ideen in den Sand setze. Mitterberger: „Das Land bestellt Experimente, lässt diese aber dann am Fördersystem scheitern.“

Gewonnen hat den Vorjahresbewerb das Büro Pentaplan um Architekt Wolfgang Köck. Sein Konzept sah eine ebenerdige Bebauung ebenso wie eine Art „Hauptplatz“ als Treffpunkt für die Bewohner vor – unüblich im geförderten Wohnbau. Das Projekt hätte ein bisschen Einfamilienhaus-Feeling als Alternative für alle, die vom eigenen Häuschen träumen, vermittelt, meint Mitterberger. Gebaut wird es nun wieder nach der gewohnten Fasson – mit mehreren Geschoßen, und auch von anderen Ideen ist nichts mehr übrig. Köck: „Wir haben unsere Kerngedanken aufweichen müssen.“

Das Problem: Bei den Wettbewerben gibt es, gleich wie im geförderten Routine-Wohnbau, eine Obergrenze an förderbaren Baukosten. Köck gewann also, erarbeitete den Vorentwurf, und schon hieß es: Das wird zu teuer. Obwohl die endgültigen Kosten erst nach Detailplanung und Ausschreibung feststehen. „Wir haben es aber gleich umstoßen müssen“, so Köck. Die Planer kämen hier in eine „Zwangssituation“: Hätten sie beim Verwässern des Entwurfs nicht mitgespielt, „hätten wir ja gar kein Honorar bekommen“. Für Neuentwicklungen müsse das Land Extra-Geld in die Hand nehmen und das Risiko der Planer absichern, fordert Mitterberger: „Sonst braucht man ja keinen forschungsorientierten Wettbewerb veranstalten.“

Uhlmann vom Referat Wohnbauförderung argumentiert auf die Vorhaltungen mit Wirtschaftlichkeit. Weder die späteren Bewohner noch das Ressort könnten viel mehr zahlen: „Unsere Förderungen richten sich nach dem verfügbaren Budget.“ Tatsächlich wurde gerade der Wohnbautopf in den letzten Jahren immer wieder ausgeräumt, um andere Löcher zu stopfen. Die Kritik an der Eigenheimförderung lässt er gar nicht gelten: Diese sei so gering, „das ist eine Finanzierungshilfe, mehr nicht“. Und halte auch die ländlichen Gebiete am Leben. Der Sekretär ist sauer auf die Architekten: Schließlich nehme Seitinger immer wieder Vorschläge von diesen auf, und in anderen Bundesländern werde noch viel sparsamer gebaut. Auch sei „die Qualität der bei Themenwettbewerben und Gutachterverfahren abgegebenen Projekte nicht immer das Gelbe vom Ei“. Man wolle deren Ergebnisse aus den letzten Jahren nun „evaluieren“.

Wie soll es nun weitergehen? Für die Mitauslober des neuen Bewerbs, Artimage und Europan, führen Charlotte Pöchhacker sowie Bernd Vlay ins Treffen, dass sie für diesen einige Verbesserungen ausverhandeln konnten. So gibt es diesmal Extrapunkte und damit -geld für innovative Ansätze. „Außerdem bleibt das Preisgeld anders als sonst hundertprozentig bei den Preisträgern und ist kein Honorarvorschuss“, sagt Vlay.

Kammervertreter Feyferlik und Mitterberger wissen die Fortschritte dieses Bewerbs zwar zu schätzen. „Die Diskussion um die Wohnbauförderung aber“, sagt Mitterberger, „ist alles andere als abgeschlossen“.
Der Falter Steiermark erscheint wöchentlich, jeweils am Mittwoch.

Verfasser/in:
Gerlinde Pölsler; erschienen im Falter Stmk. Nr. 32/07
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