31/01/2007
31/01/2007

Der zweite Teil der Reihe AUT } { discussions findet am Freitag, den 02.02.2007 ab 19.00 Uhr im Stadtmuseum Ljublajana statt. Thema des Abends ist "MADE IN AUSTRIA: Kopie oder Innovation". (Näheres dazu finden Sie am Ende dieser Seite). Konzept und Organisation: Zentralvereinigung österreichischer Architekten – Sektion Steiermark, MONOCHROME ARCHITECTS. Durchgeführt in Kooperation mit dem Stadtmuseum Ljubljana. Medienpartner: www.trajekt.org, www.gat.st

Am Podium: Spela Hudnik (Monochrome Architects, Ljubljana), Thomas Pucher (Graz), Dietmar Feistl (Delugan Meissl Associated Architects, Wien) und Marie Therese Harnoncourt (nextENTERprise, Wien)

die zahlreich erschienenen Zuhörer verfolgten mit großem Interesse die erste Veranstaltung der Reihe AUT } { discussions in Ljubljana. Fotos: Martin Krammer

Der Architekturkritiker Roemer van Toorn (NL) moderierte die Diskussion

Kommentar von Anja Planišček zur Veranstaltung AUT } { discussions 01 "UTOPIE & KAPITAL: Wie den Klischees der Globalisierung entkommen?", am 25.01.2007 im Stadtmuseum Ljubljana.

Das erste AUT Treffen von jungen österreichischen Architekten mit dem slowenischen Publikum am 25.01.2007 im Stadtmuseum begann mit der Präsentation der Arbeiten von drei jungen österreichischen Architekturbüros und endete mit einer Diskussion, die in die Frage der Verbindung zwischen Kapital, Utopie und Architektur mündete. Die Präsentationen der Architekten Dietmar Feistl von Delugan Meissl Associated Architects, Thomas Pucher und Marie Therese Harnoncourt von nextENTERprise waren interessant und dicht und zeigten unterschiedliche Zugänge zur Architekturproduktion auf. Die nachfolgende Diskussion zum Thema "UTOPIE & KAPITAL: Wie den Klischees der Globalisierung entkommen?" , in der sich Boštjan Vuga und Aleš Vrhovec den österreichischen Kollegen anschlossen und die von Roemer van Toorn moderiert wurde, endete jedoch in einer Sackgasse. Der Ausgangspunkt Roemer van Toorns war: "Welcher Begriff von Utopie kann heute in Zeiten des Neoliberalismus und der Globalisierung überhaupt noch gedacht werden?" Diese Frage spaltete sich in zahlreiche andere Fragen auf, wie Was ist Utopie und gibt es sie überhaupt noch im Kontext der modernen Architekturproduktion, die in das kapitalistische Produktionssystem eingebettet ist? oder Sind Architektur und Utopie zwei verschiedene Dinge? oder Ermöglicht das Kapital Utopie oder macht es sie unmöglich?

Die Diskussion wäre wahrscheinlich interessanter abgelaufen, wenn sich ein Soziologe daran beteiligt hätte, und vielleicht fruchtbarer, wenn wir an Stelle von »Utopien« von "Utopisti" gesprochen hätten. Utopia ist nach Thomas Moore wortwörtlich das Nirgendwo, die Utopistik ist aber ein Begriff, den der Soziologe und Begründer der Weltsystemanalyse Immanuel Wallerstein eingeführt hat. Wallerstein sagt in seinem Werk Utopistik. Historische Alternativen des 21. Jahrhunderts, dass es "das Problem aller Utopien, die ich kenne, ist, dass sie nicht nur niemals bestanden, sondern dass es sich dabei um Träume vom Himmel handelt, die auf der Erde niemals bestehen könnten" (1). "Deshalb tauscht er Utopien – Träume vom Himmel - mit der "Utopistik" ein, die er als Einschätzung der historischen Möglichkeiten definiert, als "nüchterne, rationale und realistische Einschätzung der menschlichen Gesellschaftssysteme, ihrer Einschränkungen und Bereiche, die offen sind für die menschliche Kreativität. Das ist nicht das Gesicht einer vollkommenen (und unausweichlichen) Zukunft, sondern eine alternative Zukunft, von der wir glauben, dass sie eine bessere Zukunft sein wird und dass sie historisch möglich ist (die aber weit davon entfernt ist, absolut verlässlich zu sein)." (2)

Welche Rolle kann die Architekturproduktion in dieser alternativen Zukunft spielen?
Was sind ihre historischen Möglichkeiten der Einflussnahme auf ihre Mitgestaltung? Hat die Architektur wirklich "keine Handhabe zur Änderung der Welt und des Gesellschaftssystems", wie Thomas Pucher in der Diskussion meinte? "Ist ein Haus wirklich nur ein Haus und kein Gesellschaftssystem", wie Dietmar Feistl erklärte?

Die Architektur selbst kann die Welt wirklich nicht verändern. Schließlich ist sie ja nur eine der menschlichen Tätigkeiten und nur ein Teil des breiteren gesellschaftlichen Handlungsspektrums. Wenn wir jedoch ihre Möglichkeiten und Einschränkungen in der Gesellschaft, in der Wirtschaft und in Raum und Zeit rational bewerten und sie mit allgemeinen Zielen verbinden, kann sie ein aktives Element des Veränderungsprozesses werden.

Es ist eine Tatsache, dass der Großeil der modernen Architekturproduktion auf das Heute gerichtet ist, ohne eine Zukunft in Betracht zu ziehen. Gebäude und Räume sind Konsumwaren wie andere auch. Die Architektur hält damit den Kapitalfluss und den Zustand des gesellschaftspolitischen Systems aufrecht und verhält sich äußerst pragmatisch. Eine Utopistik ist deshalb für die zeitgenössische Architektur eine harte Nuss. Eine noch härtere allerdings ist sie für das gesamte Weltsystem, das sich in einer Zeit des Übergangs befindet und nach neuen allgemeinen Zielen verlangt. Gerade in solchen Zeiten, sagt Wallerstein, ist die Utopistik nicht nur wichtig, sondern wesentlich.
Obwohl die Diskussion am Donnerstag im Stadtmuseum keinen Abschluss fand, ist es wichtig, dass es sie gab. Es wurden Themen angeschnitten, über die sich weder österreichische noch slowenische Architekten noch zu sprechen getrauen.

P.S.:
Die Diskussion erinnerte mich an eine Stadt, die ganz anders ist als Graz, Wien oder Ljubljana. Eine Stadt, in der die Häuser traurig aussehen, ewig nur zur Hälfte gebaut oder verfallend, wo es keine asphaltierten Straßen und gepflasterten Gehsteige gibt. Eine Stadt, die für ihre Bewohner die Stadt des Schicksals war. Der neue Bürgermeister wollte sie in eine Stadt Hoffnung verwandeln und bot den Bewohnern die Möglichkeit, die Stadt mit Farben zu verändern, so dass sie wenigstens ein bisschen weniger schicksalhaft und ein bisschen näher an der Vision von einer besseren Zukunft wäre. Die Häuser bekamen Gesichter, die Bewohner strichen ihre Häuser in vielen verschiedenen Farbtönen. Obwohl es eine Kakophonie war, wurde die Stadt ein Regenbogenfeld des gemeinsamen Projektes Zukunft, das bis dahin unveränderlich schien.

Die Stadt gibt es wirklich und auch der Bürgermeister ist real. Die Aktion des Bürgermeisters von Tirana, Edi Rama, wurde vom albanischen Künstler Anri Sala auf Video dokumentiert. Das Video wurde bei der Biennale der Modernen Kunst in Venedig im Jahr 2003 in der Sektion Utopie gezeigt, die von Hans Ulrich Obrist geleitet wurde.
(Anja Planišček)(1) Immanuel Wallerstein, Utopistics or Historical Choices of the Twentieth-First Century, 1999, dt. Utopistik. Historische Alternativen des 21. Jahrhunderts, sinngemäß zitiert nach der slow. Version S. 7.
(2) Immanuel Wallerstein, ebda, S. 8.
VORSCHAU:

AUT } { discussions 02
"MADE IN AUSTRIA: Kopie oder Innovation"

Freitag, 2. Februar 2007, 18.00 Uhr
Stadtmuseum Ljubljana

Vorträge:
Marte.Marte Architekten [Architekten, AUT], querkraft [Architekten, AUT], SPLITTERWERK [Architekten, AUT]. Moderator: Špela Hudnik [Monochrome Architects, SLO]

Diskussion:
Marte.Marte Architekten [Architekten, AUT], querkraft [Architekten, AUT],
SPLITTERWERK [Architekten, AUT], Bevk Perović arhitekti [Architekten, SLO], Dekleva Gregorič arhitekti [Architekten, SLO]. Moderator: Bart Lootsma [architecture critic, NL/AUT]

Verfasser/in:
Anja Planiscek, Kommentar
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