20/06/2008
20/06/2008

Bevor es auf die Baustelle ging, erläuterte Ben van Berkel in einem Kurzvortrag den Entwurf des MUMUTH

Blick zum Mumuth von der Leonhardtstraße (Süden) kommend

Schaubild des Wettbewerbentwurfs für das Mumuth aus dem Jahr 1998. Planung UNStudio, Amsterdam. Das Konzept sieht eine transparente Plane als Hülle vor, um den Blick auf das Innenleben freizugeben. Ob es sich umsetzen ließ, zeigen die folgenden Bilder.

v. li.: Robert Hödrich (Vize-Rektor der KUG), Hannes Pfau (Projektleiter, UNStudio), Georg Schulz (Rektor der KUG), Ben van Berkel (Architekt, UNStudio) und Otto Kolleritsch (Rektor der KUG bis 2007) bei der Baustellenbesichtigung.

v. li.: Robert Hödrich (Vize-Rektor der KUG), Hannes Pfau (Projektleiter, UNStudio), Georg Schulz (Rektor der KUG), Ben van Berkel (Architekt, UNStudio) und Otto Kolleritsch (Rektor der KUG bis 2007) bei der Baustellenbesichtigung.

Außenhülle (Blick vom SO) mit Verschattungselement. Ein ausgeklügeltes Kühl- und Wärmerückgewinnungssystem soll die Temperatur in den Räumen regulieren.

Blick von Norden auf die Längsfassade. Hier deutlich zu sehen: das Muster, das in die Fassadenelemente eingearbeitet wurde. Es verdichtet sich von Süd (öffentlicher Bereich) nach Nord (Probebereich) und soll zum einen das Sonnenlicht dämpfen, zum anderen im Innenraum, je nach Tageslicht, verschiedene Stimmungen erzeugen.

Im Norden zeigt sich das Mumuth verschlossen. Im EG befinden sich Proberäume, im OG der große Bühnenraum (die s. g. Black Box)

Das Herzstück des Gebäudes ist der s. g. Twist, eine spiralförmig gewundene Stahlbetonkonstruktion, die den Publikumseingang im Süden mit den darüber liegenden Musikräumen verbindet.

Das Herzstück des Gebäudes ist der s. g. Twist, eine spiralförmig gewundene Stahlbetonkonstruktion, die den Publikumseingang im Süden mit den darüber liegenden Musikräumen verbindet.

Der Twist ist ein räumlicher Träger, der die Hauptlasten des Gebäudes aufnimmt. Er erscheint als eine überdimensionale, fotogene Skulptur.

Der Twist ist ein räumlicher Träger, der die Hauptlasten des Gebäudes aufnimmt. Er erscheint als eine überdimensionale, fotogene Skulptur.

Der Twist ist ein räumlicher Träger, der die Hauptlasten des Gebäudes aufnimmt. Er erscheint als eine überdimensionale, fotogene Skulptur.

Blick zum großen Konzertsaal im 1. OG

Einzigartig in Österreich: Je nach Anforderung (Kammerkonzerte, Orchesterkonzerte, Musiktheater, versch. Szenen) kann die Raumakustik im Konzertsaal per Knopfdruck geändert werden. Auch der Standort der Bühne ist veränderbar, ebenso der Zuschauerraum - von der Reihenbestuhlung bis zur Arena ist jede gewünschte Nähe zum Publikum wählbar.

Blick aus dem Konzertsaal zum Foyer

Die raumhohe Verglasung gibt auf allen Seiten großzügige Blicke auf die Umgebung frei. Bilder und Bildtexte: Redaktion GAT

Blick von der Lichtenfelsgasse Richtung Norden

Das MUMUTH, das Haus für Musik und Musiktheater der Kunstuniversität Graz (KUG) wird am 13. August 2008 von der BIG Bundesimmobiliengesellschaft an die KUG übergeben. Die offizielle Eröffnung geht am 1. März 2009 mit einer Aufführung von W. A. Mozarts „Die Zauberflöte“ - im wahrsten Sinne des Wortes - über die Bühne. Seit 1963 besteht die Idee für ein Musiktheater in Graz, eine experimentelle Plattform für zeitgemäße und innovative Kunstformen im Bereich Musik. Im Herbst 1998 gewann der niederländische Architekt Ben van Berkel (UNStudio, Amsterdam) unter dem Juryvorsitz des international renommierten Architekten Daniel Libeskind den dafür EU-weit ausgeschriebenen Wettbewerb. Der Entwurf sieht neben Proberäumen, Werkstätten und Lagerräumen einen multifunktionalen Bühnenraum vor, der bei Aufführungen rund 500 Menschen Platz bieten soll. Seit 2000 war das Projekt baureif, mit der Umsetzung konnte wegen Finanzierungsproblemen erst 2006 begonnen werden. Dem kämpferischen Geist von Otto Kolleritsch ist es zuzuschreiben, dass das MUMUTH letztendlich doch realisiert wurde.

Am 18.06.2008 lud Georg Schulz, Rektor der KUG, zu einer Baustellenführung ein, bei der auch der planende Architekt Ben van Berkel und sein Projektleiter Hannes Pfau (beide UNStudio, Amsterdam) anwesend waren, um das Gebäude vorzustellen.

GAT zeichnet anhand von ein paar Schnappschüssen und kurzen Statements des Architekten den Rundgang durch das Haus nach.

Entwurfsaspekte:
„Die Beziehung von Architektur und Musik ist eine klassische. Zu klassisch für unsere Zeit, mögen viele gegenwärtige Architekten denken. Doch das ist nicht unsere Ansicht; UNStudio mag das Klassische mit „Verdrehungen“…. Das Thema des akustischen Raumes als dramatische Wirkung, von Le Corbusier und Xenakis erforscht, ist für uns noch immer ein Thema der Faszination und unglaublicher Wirkungsmöglichkeiten. Und als das MUMUTH für die KUG entworfen werden sollte, ein Haus, in welchem junge MusikerInnen und SängerInnen ihre Künste erarbeiten, schien es uns um so angemessener, mit der Architektur auszudrücken, dass dies ein Haus ist, in dem Musik lebt“….

Das Konzept:
“…Seit Beginn der Überlegungen blieben zwei grundsätzliche Themen und haben alles überdauert: Das erste Thema ist die so genannte „Spiral-Struktur“, welche die direkteste Beziehung zur Musik birgt…..Im ersten Wettbewerbsabschnitt sahen wir die Spirale als organisierendes Element im MUMUTH, etwa so wie die Reihentechnik in der zeitgenössischen Musik wirkt; die Spirallinie absorbiert und reguliert Zwischenräume und Unterbrechungen, Richtungs- und Maßstabwechsel ohne ihre Kontinuität zu verlieren. An der Spirallinie hängen Dinge wie an einer Wäscheleine: Glas, Beton und Installationen….Das Design für die zweite Wettbewerbsphase zeigt ein verfeinertes Konzept, welches, einfach wie ein Octopus, orthogonal und horizontal auf der einen Seite verläuft und sich auf der gegenüberliegenden Seite zu einem komplizierten engmaschigen Prinzip entwickelt. Dieses Prinzip der Spirale, welches sich selbst in zahlreiche miteinander verbundene Spiralen unterteilt, die vertikal und diagonal angeordnet sind, wurde für uns ein wichtiges Design-Modell, das wir „blob-to-box“-Modell nannten. Es zeigt, wie ein Gebäude strukturiert sein könnte, um in einer einzigen Geste einen strikten mehrgeschossigen Raum (die black-box des Theaters) und eine Reihe ineinander fließender Räumen (Foyer und öffentliche Räume) miteinander zu verbinden. Wegen dieses Organisationsprinzips der Konstruktion wurde ein frei fließendes Raumarrangement aktualisiert, sodass nun Volumina geschickt miteinander verbunden sind. Und wie die Spiral-Struktur, so ist auch das „blob-to-box“- Motiv als zentrales Prinzip für das Gebäude geblieben. Das Theater hat einen öffentlichen Charakter, der dynamisch ist und es dem Publikum bei Veranstaltungen erleichtert, sich durch die Räumlichkeiten zu bewegen; zugleich gibt es Stille und Ruhe, aber auch einen Charakterzug der Flexibilität und Rationalität, der den spezifischen Anforderungen an das Auditorium und die Probesäle Rechnung trägt.“

Das Raumprogramm:
“Der frei fließende Raum des Foyers ergibt sich durch ein tragendes Spiral-Element (räumlicher Träger in Stahlbeton; Anm.), das den Publikumseingang mit den darüber liegenden Musikräumen verbindet, sodass mit einem „twist“ – einem Drall, einer Drehung – die drei Ebenen des Gebäudes auf dieser Seite verschweißt sind. Der „twist“ ist eine massive Beton-Konstruktion…..Die Spiraldrehung prägt den Charakter des öffentlichen Raums, um sie dreht sich alles. Das Licht und eine besondere Materialwahl verstärken einen Welleneffekt. Der „twist“ wird zudem noch durch ein Dachfenster mit dunklen Holzlamellen bestrahlt, die die Spiraldrehung wie einen Fächer erscheinen lassen.“

Die Hülle
"Mit der offenkundigen Präsenz der Spirale im Inneren wurde die äußere Haut eine blanke Plane. Das ergibt die Möglichkeit, zum Thema Musik zurückzukehren. Unser Interesse, die Beziehungen von Musik und Architektur aufzuzeigen, war von Beginn an auf bestimmte Aspekte, wie Rhythmus, Kontinuität, Richtungen fokussiert. Durch das Studium der Schriften des Philosophen Gilles Deleuze begriffen wir, dass es da noch ein weiteres Element gab, welches wir nicht ernsthaft berücksichtigt hatten: die Wiederholung. Wiederholung erzeugt Verdichtung, Intensivierung und Periodizität. Wiederholung bewirkt Klangfülle. Sie lässt Spielraum für Improvisation, sie grenzt Spielräume ab, sie kodiert Milieus. Wir entschieden uns für ein sich wiederholendes Muster und verwendeten es auf verschiedenste Weise für die Fassade, um einige der genannten Effekte zu erzielen. Das Muster, ausgeführt in gedämpften Tönen von Bühnenschminke, findet sich überall am Gebäude in verschieden dichter Anordnung. Die Wirkung des MUMUTH wird vergrößert durch die wechselnden Lichtverhältnisse bei Tag und Nacht und auch durch die verschiedenen Blickwinkel von nah und fern, da die äußere Schicht der Fassade aus einem glänzenden Netzwerk besteht.“

PROJEKTDATEN:

Planung: UNStudio, Amsterdam
Ben van Berkel. Caroline Bos, Hannes Pfau und Miklos Deri, Kirsten Hollmann, Markus Berger, Florian Pischetsrieder, Uli Horner, Albert Gnodde, Peter Trummer, Maarten van Tuijl, Matthew Johnston, Mike Green, Monica Pacheco, Ger Gijzen, Wouter de Jonge.

Auftraggeber: BIG Bundesimmobiliengesellschaft
Nutzer: KUG Kunstuniversität für Musik und Musiktheater

Planungsphase 1998 (Wettbewerb) – 2003
Umsetzungsphase 2006-2008
Bauübergabe: 13. August 2008
Eröffnung: 1. März 2009

Tragwerksplanung: Arup London
Örtl. Bauaufsicht: Peter Mandl und Partner, Graz

Akustik und Bauphysik:
ZT Tomberger, Graz
Pro Acoustics Engineering, Graz

Bühnentechnik: e.f.f.e.c.t.s. techn. Büro, Klosterneuburg

Gesamtnutzfläche: ca. 2.800 m²
Baukosten: ca. 14 Mio Euro

Verfasser/in:
Redaktion GAT Graz Architektur Täglich
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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