23/10/2015

Bauherrenpreis 2015
der Zentralvereinigung der Architektinnen und Architekten Österreichs

Der Preis honoriert Persönlichkeiten oder Personenkreise, die sich als BauherrIn, AuftraggeberIn oder MentorIn in besonderer Weise für die Baukultur in Österreich verdient gemacht haben.

In Wien, Salzburg, Tirol und Vorarlberg sind die diesjährigen PreisträgerInnen zu finden. Aus 24 nominierte Bauten wurden
6 Bauten gekürt und am
23. Oktober 2015 ab 19:00 Uhr im Werkraum Bregenzerwald, Andelsbuch, gewürdigt.

23/10/2015

Bauherrenpreis 2015: Wohnzimmer Sonnwendviertel, Wien

©: Bruno Klomfar Fotografie

Bauherrenpreis 2015: Fußgängerzone, Salzburg

©: Eduard Widmann, Salzburg

Bauherrenpreis 2015: Wohnheim Olympisches Dorf, Innsbruck, Tirol

©: Lukas Schaller

Bauherrenpreis 2015: TIWAG Leitstelle mit Besucherzentrum, Silz, Tirol

©: Rasmus Norlander, Stockholm

Bauherrenpreis 2015: OMICRON Campus, Klaus, Vorarlberg

©: Dietrich I Untertrifaller Architekten

Bauherrenpreis 2015: Schaufelschluchtbrücke, Dornbirn, Vorarlberg

©: Marc Lins

Der Bauherrenpreis wird seit 1967 jährlich vergeben. Er honoriert Persönlichkeiten oder Personenkreise, die sich als BauherrIn, AuftraggeberIn oder MentorIn in besonderer Weise für die Baukultur in Österreich verdient gemacht haben. Dabei steht die architektonische Gestaltung sowie der innovatorische Charakter im Vordergrund. Die Bauten sollen einen positiven Beitrag zur Verbesserung des Lebensumfeldes leisten. Es werden beispielhafte Projekte gewürdigt, bei denen die intensive Zusammenarbeit zwischen BauherrInnen und ArchitektInnen zu außergewöhnlichen Lösungen geführt hat. Ausgezeichnet werden herausragende Bauten der letzten drei Jahre.

Am 23. Oktober 2015 wurden die sechs PreisträgerInnen präsentiert.
"Insgesamt 24 nominierte Bauten waren es dieses Mal – darunter erfreulicherweise zwei Platz- und Straßengestaltungen sowie eine Brücke – Bauaufgaben, bei denen üblicherweise die gestalterische Qualität abseits des von Wörle kritisierten „Bequemen“ und „Mode-Schönen“ zu kurz kommt. Der Hauptjury – dieses Jahr bestehend aus Walter Angonese, Hemma Fasch und Otto Kapfinger – oblag es, daraus die besten Bauten und Bauherren Österreichs zu küren. Vier Tage lang waren sie durch ganz Österreich unterwegs, um die nominierten Projekte in Augenschein zu nehmen und mit Auftraggebern und Nutzern zu sprechen ehe sie sich entschlossen, sechs Projekten einen Bauherrenpreis zu verleihen. In ihrem Resümee kommen sie zum Schluss, dass die besten Projekte öffentlicher wie auch privater Bauherrn aus Wettbewerben hervorgehen und plädieren dafür, die Vorbehalte gegenüber Wettbewerben, speziell gegenüber offenen, abzulegen. Ein Wettbewerb lohnt sich immer, auch das soll eine Botschaft an alle Auftraggeber und Auftraggeberinnen des Landes sein." (Auszug aus dem Vorwort zum Bauherrenpreis 2015 von Marta Schreieck, Präsidentin der Zentralvereinigung der ArchitektInnen Österreichs)

Die PreisträgerInnen 2015

  • Wohnzimmer Sonnwendviertel, Wien
  • Fußgängerzone, Salzburg
  • Wohnheim Olympisches Dorf, Tirol
  • TIWAG Leitstelle, Tirol
  • Omicron Campus, Vorarlberg
  • Schaufelschluchtbrücke, Vorarlberg
  • Wohnanlage Wohnzimmer Sonnwendviertel
    Sonnwendgasse 21, 1100 Wien
    Bauherr: win4wien Bauträger (Geschäftsführer Michaela Mischek-Lainer, Herwig Koppitz, Martin Orner, Heinz Honas), Wien
    Architektur: Studiovlay (Bernd Vlay) mit Lina Streeruwitz, Wien; Riepl Kaufmann Bammer Architektur (Daniel Bammer), Wien; Klaus Kada, Graz.
    Landschaftsarchitektur: Rajek Barosch Landschaftsarchitektur, Wien
    Wettbewerb: 2009 / Fertigstellung: 2014
    Sieben Komponenten beeindrucken an dem neuen Viertel am Hauptbahnhof: Erstens das Aufbrechen der im Masterplan vorgesehenen Randbebauung, um die 450 Wohnungen fassende Anlage intensiv mit den umgebenden Stadtteilen zu verbinden. Zweitens die Strategie innerhalb des Gebietes keine Grundstücksteilungen (wie üblich) vorzunehmen und damit kooperativ eine zusammenhängende, stadträumliche (!) Planung zu ermöglichen. Drittens die Integration großzügiger sozialer und öffentlicher Einrichtungen in dem auf diese Weise aktiv gemachten Binnenraum – vom Bauträgerkonsortium mit den PlanerInnen im Wettbewerb gemeinsam entwickelt, in der Finanzierbarkeit vereinbart, abgesichert. Viertens das Angebot von Schwimmbad und Sauna, Heimkino, Gemeinschaftsküche, Musikraum, Fahrradwerkstatt, Indoor-Spielplätzen, Café, Kindergarten, Martktstand, Rasen- und Terrassenflächen als bewusste Kompensation des Trends zu heute deutlich kleineren (leistbaren) Wohnungen – und als soziales Raum- und Funktionsangebot für die ganze Quartiers-Gemeinschaft. Fünftens die Situierung vieler dieser Nutzungen in den mittleren Etagen der wie große Möbel an der Südseite gruppierten Solitär-Trakte und deren Verbindung über Brücken untereinander und zu den äußeren Wohntrakten, sodass innerhalb der Anlage die Wege von unteren und oberen Etagen sich ausgleichen und sich auch eine räumlich einmalige, barrierefreie Flanierzone über den ganzen Hof eröffnet. Sechstens die Umsetzung all dessen, bei heute im sozialen Wohnbau gegebenen Limits und Reibungsverlusten, auf dem weitgehend von den Architekten definierten Detailniveau. Siebentens schließlich – bis auf das extern betriebene Bad und Café – die gemeinsame Verwaltung und „Buchung“ der Zusatzräume durch ein intelligentes, auch im Quartier verortetes Betriebssystem.
    Wenn demgegenüber anzumerken ist, dass die Baudichte im Maximum ausgereizt erscheint, deshalb einzelne Wohnungen in Souterrain- oder Ecklagen weniger attraktiv sind und der Sprecher der Bauträger bei der Besichtigung etwas „postnatale“ Ermüdung durchklingen ließ – die Jury erachtet die hier im Team formulierten Ansätze für zeitgemäße urbane Wohnquartiere städtebaulich und sozialräumlich als modellhaft und absolut weiter verfolgenswert. (Otto Kapfinger)
  • Fußgängerzone rechte Altstadt, Salzburg
    Cornelius-Reitsamer-Platz, Richard-Mayr-Gässchen, 5020 Salzburg
    Bauherren: Stadt Salzburg (Baudirektor Walter Hebsacker) und IBT Bauträger Immobilien AG (Franz Modrian), Salzburg
    Architektur: Architekt Erich Wagner, Salzburg und Architekt Eduard Widmann, WienPlanungsbeginn: 2012 / Fertigstellung: 2014
    Vor fünfzehn Jahren schon offerierten Architekt Eduard Widmann und die „Kaufmannschaft Rechte Salzachseite“ den kommunalen Gremien verschiedene Vorschläge zur Gestaltung der Linzer Gasse. Davon wurden 2002 nur die Wasserfontänen am „Platzl“ sowie neue Pflasterungen dort und im ersten Teil der Dreifaltigkeitsgasse verwirklicht. Das brachte erste, fußgängerfreundliche Effekte in der „rechten Altstadt“. Seither erhielten viele sanierungsbedürftige Häuser in der Linzer Gasse mustergültige Renovierungen, zeigte das Viertel auch im Angebot von Handel, Gastronomie und öffentlichen Nutzungen stetigen Auftrieb. Widmann, nun mit Erich Wagner als kongenialem Mitstreiter, nahm einen neuerlichen Anlauf, fand durch die Firma IBT von Dr. Franz Modrian, dessen Büro in der Linzer Gasse liegt, einen großartigen Sponsor, konnte etliche Anrainer und Hauseigentümer finanziell und ideell als Partner gewinnen. So wurde aus früheren Einzelkämpfern eine Gruppierung „von unten“, die eine gemeinsame Neuorganisation des Straßenraumes formal und funktional erarbeitete – und so überzeugte man schließlich auch die Salzburger Stadtplanung und Stadtpolitik. Unterstützung kam dazu durch die kommunale Baudirektion und die einschlägigen Stadträte bis hin zum Bürgermeister, aber auch von vielen Anrainern unter der Führung des in der Priesterhausgasse beheimateten Architekturteams Lechner & Lechner, weshalb am Cornelius-Reitsamer-Platz viel mehr Fläche als zuerst geplant (und bewilligt) realisiert werden konnte. Am Reitsamer-Platz und in der Richard-Mayr-Gasse gibt es nun erfrischende, nicht nur Kinder und Jugendliche ansprechende Brunnen- und Wasserspiele, welche die Salzburger Tradition der Wasserkunst zeitgemäß – mit ausgetüfteltem Knowhow in der Technik der Wasserkreisläufe – im urbanen Alltag weiterbilden. Daneben gelang eine räumlich verbesserte und einheitlich konzipierte Gestaltung der diversen Schanigärten und sonstigen Möblierungen, ergänzt durch weitere unspektakuläre, feine Boden- und Licht-Details, die den Stadtraum über bloßes Konsumverhalten hinaus mit nichtkommerziellen Reizen und Angeboten bereichern. All das wird sichtlich animiert von Ansässigen und BesucherInnen, Groß und Klein angenommen. Der Erfolg zeitigt Nachfolgeprojekte – Griesgasse, Hanuschplatz und Kai – und nach gewonnenem Wettbewerb zeichnen Wagner & Widmann auch für die kommende Neugestaltung der Getreidegasse verantwortlich. (Otto Kapfinger)
  • Wohnheim Olympisches Dorf, Innsbruck
    An-der-Lan-Straße 26a, 6020 Innsbruck
    Bauherren: Stadt Innsbruck (Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer),
Innsbrucker Stadtbau (GF Klaus Lugger), Innsbrucker Soziale Dienste (GF Hubert Innerebner)
    Architektur: Artec (Bettina Götz, Richard Manahl), Wien
    Landschaftsarchitektur: Atelier Auböck + Kárász (Maria Auböck, János Kárász), Wien
    Wettbewerb: 2011 / Fertigstellung: 2015
    Das Wohnheim im Olympischen Dorf entstand in einer speziellen Situation. Nach erfolgloser Suche nach Baugrund, um für die Senioren im Areal ein adäquates Quartier zu schaffen, beschloss die Stadt, eine Stelle zu bebauen, die teilweise im Bauland liegt, zum Teil aber ins gewidmete Grün am Inn hineinreicht. Für den dazu ausgelobten Planungswettbewerb war dann die größtmögliche Freihaltung der Grünbereiche gefordert. Das siegreiche Projekt von ARTEC Architekten bewältigte die kontroversielle Vorgabe mit Bravour. Das Bauwerk überspannt den Park in fünf bis acht Metern Höhe, ragt wohl weit über die „erlaubte“ Bauflucht hinaus, schafft aber für die Öffentlichkeit in einer 350 m langen Uferzone ganz neue Angebote: Einerseits überdachte Frei- und Aufenthaltsflächen an der Promenade, ökologisch revitalisierte und feinmodulierte Grünanlagen sowie einen zusätzlichen Kinderspielplatz und andererseits Verbindung in allgemeine Sonderräume des Heims – die runde Kapelle ganz vorne, das Café samt Mehrzweckraum beim Foyer, die wie Anker- oder Fußpunkte von den aufgeständerten Trakten zum Gelände herunterreichen. Um das umzusetzen waren komplexe Grundstücksregelungen nötig: der Abgleich zwischen Bund, Stadt und Neue Heimat, der Hochwasserschutz, die passgenaue Umwidmung im Grün entlang der Baukanten. Vor allem war angesichts von Protestaktionen gegen die Rodung von Bäumen und anderes enorm viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Die Überschreitung der selbstgesetzten Grenzen hat sich aber in jeder Hinsicht gelohnt und dem Projekt nachhaltige Gewinne an sozialer Relevanz gebracht. Das ursprünglich dicht verwachsene Grünland ohne Bezug zum Wasser wurde zum vielseitig nutzbaren Park für alle Bevölkerungsgruppen, ergänzt durch die Verwebung von Öffentlichkeit und Heimsphäre über die erwähnten Raumgelenke. Auch innenräumlich und energetisch setzt der Bau Maßstäbe, bietet an den Enden der im Dreieck aufgespannten Zimmerflügel lichte Allgemeinräume mit Panoramasicht zum Park, zum Inn, rundum in die Berge, mit Freiterrassen in luftiger Höhe, mit ebenso übersichtlich wie feinmaschig gestalteten Schwellen zwischen Privatem und Allgemeinem. Sogar an einem nebelverhangenen Morgen beeindruckte beim Juryrundgang die freundliche, helle Atmosphäre des Ganzen, das lebhafte Ineinander aller Ebenen, das anregenden Spiel von Innen und Außen, von Raum und Bau und einmaliger Landschaft. (Otto Kapfinger)
  • TIWAG Leitstelle mit Besucherzentrum, Silz
    Bauherr: Tiroler Wasserkraft AG (Markus Konrad, Willi Kuen, Harald Oleschko), Innsbruck
    Architektur: Bechter Zaffignani Architekten (Rene Bechter, Michelangelo Zaffignani), Bregenz
    Wettbewerb: 2011 / Fertigstellung: 2014
    Mit neun großen und mittleren sowie 40 kleinen Wasserkraftwerken sichert die TIWAG die Stromversorgung Tirols – fünf bis sechs Millionen Gigawattstunden jährlich. Das Speicherkraftwerk Silz/Oberinntal ist das stärkste, ging 1981 mit der von Ekkehard Hörmann am Hangfuß gestalteten Turbinenhalle in Betrieb. Technische Änderungen und neue Sicherheitsstandards erforderten den Bau einer neuen Leitstelle, von der zentral alle TIWAG-Werke gesteuert und kontrolliert werden – und dazu, außerhalb des hochgesicherten Werksbereiches, noch ein Besucherzentrum. Obwohl das Unternehmen nicht den Vergaberichtlinien öffentlicher Auftraggeber unterliegt, stellte sich die TIWAG der baukulturellen Verantwortung und führte ein EU-weites Bewerbungsverfahren durch. Aus 70 Einreichungen wurden zehn Teams zu konkreten Entwürfen geladen und eine überregional besetzte Jury beigezogen. Der ausgewählte Entwurf von Bechter & Zaffignani setzt die Leitstelle als „wohlgerüsteten Wächter“ der Turbinenhalle gegenüber. In kontextbezogen gefärbtem Sichtbeton ausgeführt, antwortet der Turm in Höhe, Breite und Stellung exakt auf Hörmanns große Halle, die sich ihrerseits auf die am Gegenhang, am Locherboden postierte Wallfahrtskirche ausrichtet. Notfallorganisation, Administration, Systemtechnik und Rechenzentrum sind auf minimierter Grundfläche übereinander gestapelt; Herzstück ist der doppelt hohe Kontrollraum mit riesigen Bildschirmen. Dieses Sondervolumen ragt zur Talseite aus dem Kubus heraus und ist zur Hang- und Südseite im selben Ausmaß eingerückt. Das Fensterband aus neun Zentimeter dickem Glas liegt hier talseitig unten, hangseitig ganz oben, von den Obergeschossen beschattet. So ist der Raum von beiden Seiten blendfrei natürlich belichtet. Lichttechnische Kriterien für die rund um die Uhr besetzten Kontrollräume bedingten auch, dass das Haus nach Osten und Westen hermetisch ist und nur nach Süden und Norden Fensterbänder in voller Hausbreite aufweist. Minimaler Energieverbrauch, Grundwassernutzung für Heiz- und Kühlsysteme, thermische Entkoppelung der Außenhülle von Innenwänden und Decken, Decken, strikte Klarheit und Kompaktheit aller Elemente und Details machen den Bau faktisch und semantisch zu jenem kraftvollen Monolith, als der er, speziell im Notfall, tatsächlich für das ganze Land wirken soll. Zitat aus der Wettbewerbsjury: „Die Landschaft wird maximal re- spektiert. Die Architektur interpretiert die schlichten, historischen Alpinbauten auf zeitgemäße und unabhängige Weise.“ (Otto Kapfinger)
  • OMICRON Campus, Klaus
    Oberes Ried 1, 6833 Klaus,
    Bauherr: OMICRON Electronics (Harald Rüdisser), Klaus
    Architektur: Dietrich|Untertrifaller Architekten (Helmut Dietrich, Much Untertrifaller, Projektleiter Peter Nussbaumer), Bregenz
    Freiraumgestaltung: Der Staudengärtner, Lothar Schmidt, Koblach
    Wettbewerb: 2012 / Fertigstellung: 2015
    Omicron electronics wurde 1984 von Rainer Aberer gegründet und ist heute ein global tätiges Unternehmen mit Hauptsitz in Klaus, hat 20 Niederlassungen in Europa und 600 MitarbeiterInnen. Das Unternehmen ist einer der Weltmarktführer bei Prüfgeräten für die Schutz- und Messtechnik in elektrischen Energiesystemen. Die Erweiterung in Klaus für 200 Arbeitsplätze und zusätzliche Lager- und Sonderräume folgte dem Leitbild, den Arbeitsort für national und international gesuchte MitarbeiterInnen so angenehm und attraktiv wie möglich zu machen. Der Neubau ist eine Weiterentwicklung des nördlich benachbarten „Altbaus“ von 2000/2008, der egalitäre Einzelräume um ein großes, legeres Atrium reihte. Drei sehr unterschiedliche Höfe zonieren und belichten nun das neue, dreigeschossige Karree. Foyers, Labor- und Besprechungsräume schließen erdgeschossig an die grünen Atrien an. Auf den oberen Etagen gruppieren sich die Büros – extrem flexibel für wechselnde Teamgrößen gerüstet. An den Lift- und Stiegengelenken, beiderseits transparent, liegen artifiziell möblierte Räume, welche die Etagen übergreifen und komplementär zu den Zimmern informelle Treffpunkte, Entspannungs- und Inspirationszonen bieten. Eine solche Galerie enthält eine mit Hightech-Fräsen modellierte biomorphe Groß-Skulptur aus Holzschichten, die zum Sitzen, Begehen und spiraligen Aufsteigen zur nächsten Etage einlädt; eine andere hat eine dunkle, händisch geformte Lehmkuppel, deren Inneres mit gewachsten Oberflächen und Nischen als Rückzugs-, Debattier- oder Meditationsort dienen kann. Das Haus ist sonst ein perfekt detaillierter, vorfabrizierter Holzbau; alle verwendeten Materialien sind ökologisch geprüft; speziell die Tages- und Kunstlichtqualität und das Beschattungssystem für die Arbeitszonen wurde in vielen Schritten mit mehreren Planungsteams und NutzerInnen von Grund auf konzipiert. Stoffe und Designer der erwähnten Sonderzonen kommen aus dem Umfeld von Crossing-Borders-Initiativen, mit denen die Firma seit Jahren etwa die Lehmbauprojekte von Anna Heringer in Schwellenländern oder Textilhandwerk in Afghanistan fördert. Der „Curtainwall“ der Südfassade entpuppt sich als vollflächig in die Verglasung integrierte und farbig aufgelockerte Photovoltaik. Insgesamt ein Bauherrenengagement, das weit über klassische Agenden hinausreicht und – „ohne Statuseffekt“ – dem optimalen Komfort der Belegschaft dient. (Otto Kapfinger)
  • Schaufelschluchtbrücke, Dornbirn
    Ebniterstraße, 6850 Dornbirn
    
Bauherr: Amt der Stadt Dornbirn, Abteilung Tiefbau (Hermann Wirth)
    Architektur: Marte.Marte Architekten (Stefan und Bernhard Marte), Weiler
    Statik: M+G Ingenieure (Josef Galehr), Feldkirch
    Fertigstellung: 2012
    Dornbirn ist das Handels- und Industriezentrum im „Ländle“. Drei Viertel der Gemeindefläche sind aber waldreiche Berge, vom Tal auf Mittelgebirgshöhe ansteigend, mit aktiven Weiden und Alpen, durchschnitten von pittoresken Schluchten – heute ein großartiges, wertvolles Naherholungsgebiet, früher mit den herabstürzenden Bächen die Energiequelle der die Region prägenden Textilindustrie. Seit den 1920er Jahren führt vom Ortsteil Gütle eine zehn Kilometer lange Straße hinauf zum Bergdorf Ebnit – traditionell auch ein lokaler Ausflugs- und Luftkurort. Die Route führt durch zerklüftete Felswände, schmale Tunnels, wechselt über Brücken mehrmals die Talseite. Seit 1991 nützt auch der Dornbiner Stadt-Bus im Stundentakt die Trasse. Zur Pflege dieses kommunalen Landwirtschafts- und Erholungsraumes gehört auch die Erhaltung der exponierten Strecke durch Rappenloch, Alploch und Schaufelschlucht. Diese Verbindung ist sehr gefährdet, auch durch die immer rasanteren Starkregen der letzten Jahre. Immer wieder fielen und fallen Felsen auf die Straße, beschädigten die alten Brücken, die nach fast 100 Jahren am Ende ihrer Lebensdauer sind. 2005 hatten Marte.Marte weiter oben schon die Schanerlochbrücke neu gestaltet. In der Schaufelschlucht ersetzten sie nun eine alte Rundbogen-Brücke unter noch schwierigeren Bedingungen. Der dramatischen Präsenz der Natur – ihrer „schaurigen Schönheit“ – begegnet ein präzise ausgeformtes Tragwerk aus hellem Sichtbeton. Vom bergseitigen Auflager auf einer Felsnase spannt sich ein flacher, nach zwei Seiten gekrümmter, abfallender Bogen zum talseitig in der Felswand liegenden Tunnelportal. Als heller Monolith und solide Skulptur antwortet die Brücke der Hohlform des roh aus dem Berg herausgehauenen Tunnels. Kompakteste – letztlich doch ephemere – Technik spannt sich zwischen die Steilwände und über die rastlose Dynamik des Wassers, das über Äonen diese Schlucht in die Steinmasse schnitt. Zwei weitere Brücken sind in Planung. So baut die Stadt hier eine „Familie“ kleiner technischer Architekturwerke, die der exzeptionellen Landschaft mit bestmöglichem Niveau begegnen: menschlicher Eingriff als hochkonzentriertes Reagieren auf naturräumliche Fakten. Vorbildlich, wie da eine Gemeinde auch in ihrer Infrastruktur auf gestalterische Qualität und integrative Planung Wert legt. (Otto Kapfinger)

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