11/04/2008
11/04/2008

Kein Platz für Fahrradwege UND Gehsteige entlang der Reihenhaussiedlung in der Wetzelsdorfer Straße.

Barackenstimmung

Barackenstimmung

Eine neue Einfamilienhaussiedlung am Rande des größten städtebaulichen Entwicklungsgebietes in Graz. Ein wenig erfreulicher Lokalaugenschein.

„Grätzel der Visionen“ liest man am 8.4. 2008 im Standard und weiter: „Der Investor Ernst Scholdan will hier (ehem. Gründe der Brauerei Reininghaus im Westen von Graz; Anm. d. R.) mit seiner Asset One Immobilienentwicklungs AG auf 540.000 Quadratmetern - einer Fläche die jener der Grazer Innenstadt samt Schlossberg gleicht - ein visionäres Stadtviertel, wo 12.000 Menschen wohnen, lernen, lehren forschen und arbeiten sollen, errichten. Grünraum, Mobilität, Bewohnervielfalt und Energie sollen auch dort in die Zukunft weisen.“ (DER STANDARD, Chronik, S. 9, 08.04.2008)

Die Bebauung der Reinighausgründe ist eine städtebauliche Herausforderung für Asset One und die Verantwortlichen der Grazer Stadtplanung. Jedenfalls handelt es sich um ein viel versprechendes Vorhaben. Wie es nicht gemacht werden sollte, zeigt eine Realisierung auf einem angrenzenden Grundstück. Im Jahr 2005 ersuchte die Fa. Kohlbacher mit Vollmacht der Brau Union AG das Stadtplanungsamt um die Erstellung eines Bebauungsplanes für das Grundstück Ecke Brauhausstraße / Wetzelsdorferstraße (Gst. Nr. 572/1 KG Wetzelsdorf; Anm. d. R.) zur Errichtung einer Reihenhaussiedlung auf einem 24.636 m2 großen Areal. Im Flächenwidmungsplan 2002 ist das Grundstück als „Allgemeines Wohngebiet - Aufschließungsgebiet 10.02“ mit einer Bebauungsdichte von 0,2 bis 0,6 ausgewiesen. Auf Basis eines Entwurfes von zwei Architekturbüros beschließt das Stadtplanungsamt im April 2005 einen Bebauungsplan für 78 Reihenhäuser. Liest man den Erläuterungsbericht zum Bebauungsplan, muss man feststellen, dass wesentliche und für die Gesamtentwicklung und Erschließung des Areals wichtige Details bezüglich zukünftiger Straßenraumgestaltung nicht beachtet wurden. So ist laut Originaltext „nur mit kleineren Grundstücksablösungen entlang der Wetzelsdorfer Straße zu rechnen, die im Bebauungsplan berücksichtigt sind“. Ein dem zukünftigen Verkehrsaufkommen entsprechendes Straßenprofil (breitere Fahrbahnen, Busspur, breite Rad-und Gehwege beiderseitig) erscheint schwer realisierbar, da der Abstand der Reihenhäuser viel zu knapp zur jetzigen Straßenkante ist. (Abb. Straßenbild)

Laut Stadtplanungsamt ist das Ziel des Bebauungsplanes (Bebauungsplan 15.04.0 Brauhausstraße/Wetzelsdorfer Straße; Anm. d. R.), eine geordnete bauliche Entwicklung. Im Textbereich „Kleinräumige Umgebung“ findet man ein interessante Aussage das Entwicklungsgebiet Reininghausgründe betreffend: “Es befindet sich nördlich der Wetzelsdorfer Straße ein großflächiges Industrie -und Gewerbegebiet. Diese Flächen sind zum Teil unverbaut geblieben.“ Im April 2005 hat man im Grazer Stadtplanungsamt offensichtlich noch keine Kenntnis darüber, dass dieses Gebiet zu einem Wohn-, Büro- und Forschungsareal entwickelt werden soll!

Ein Grund für die Ausweisung als Aufschließungsgebiet war öffentliches Interesse in Hinblick auf eine geordnete Siedlungsentwicklung, die Schaffung zweckmäßig gestalteter Grundstücke, die Einfügung in das Straßen-, Orts- und Landschaftsbild und die Erfordernis von Lärmschutz. Für das Stadtplanungsamt ist die geordnete Siedlungsentwicklung durch „das Bebauungsplanverfahren und die Tatsache, dass die ausführende Gesellschaft Eigentümerin der Planungsfläche ist, und dadurch die Bebauung abgestimmt aufeinander erfolgen kann, gegeben. Der Lärmschutz wird durch Baukörperstellung und Dreigeschossigkeit zur Wetzelsdorfer Straße erreicht“. Die Realisierung sieht anders aus: die Reihenhausanlage wurde nur zweigeschossig ausgeführt, in gestalterischer Hinsicht lässt sie mehr als zu wünschen übrig. Der aufkommende Lärm stößt an eine unschöne Lärmschutzwand.

Auflage Grünraumgestaltung:
“Im Norden ist entlang der bestehenden Baumallee ein durchgehender Grünstreifen von mindestens 5 m Breite anzulegen, die Allee ist zu erhalten.“ Sollte die Wetzelsdorfer Straße im Zuge der Entwicklung des Gesamtgebietes Reininghausgründe ausgebaut werden - breitere Fahrspuren und Fahrradwege sowie Gehsteige sind ein MUSS -, dann kann dies nur mehr nach Norden erfolgen, denn zur Reihenhaussiedlung hin ist kein Platz vorhanden. Da gibt es nur den 5 m breiten Grünstreifen, der als urbanistischer Abstand zu einer starken Verkehrsachse etwas mickrig ist.

Ein Spaziergang durch die Reihenhaussiedlung lässt die Frage aufkommen: Ist das nun das stimmige Bild einer geordneten Siedlungsentwicklung, die sich in das Straßen-, Orts- und Landschaftsbild einfügt, wie im Bebauungsplan gefordert? Weit gefehlt! Das Reihenhaus von der Stange addiert zu 78 Einheiten wird schnell zum urbanistischen Alptraum und hat mit geordneter Siedlungsentwicklung wenig zu tun, außer, dass alle Häuser rasch fertig gestellt wurden. Versuche der Bewohner, durch Dekorationen wie Türkränze, Kübelpflanzen und Zierkies, Individualität zu erzeugen, hilft dagegen auch nicht.

Wenn mit Bebauungsplänen in Graz keine architektonische Qualität zu erzielen ist, dann verliert man den Glauben daran, dass trotz der vielfältigen Bemühungen eines innovativen Investors, wie Asset One, ein funktionierendes optisch ansprechendes, visionäres Stadtviertel entstehen wird. Es ist eine die Interessen der Allgemeinheit vertretende Stadtplanung vonnöten, die es einem Investor nicht zu leicht macht.

Verfasser/in:
Elisabeth Lechner, Kommentar
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+