12/06/2008
12/06/2008

Tauromachie, 1973, Radierung

Marsyas I, 1964, Bronze

Aus dem Zyklus „Roll over Mondrian”, 1966, Radierung

Bal des victimes, 1989, Bronze

Lionardos Abendmahl restauriert von Pier Paolo Pasolini, 1984, kolorierte Radierung. Fotos: wm

Zwei Radierungen aus dem Jahr 1973 sind mit „Les Demoiselles d’Avignon“ und „Tauromachie“ benannt. Nicht allein die Titel, auch die inhaltliche und formale Komposition zeigen ganz deutlich Alfred Hrdlickas Auseinandersetzung mit Pablo Picassos Arbeiten, hier mit dessen zentralem Bild der Moderne, den „Demoiselles“ von 1907 und einer Reihe von psychoanalytisch motivierter Radierungen zum Mythos des Minotaurus um 1935.

Am 27. Februar feierte Alfred Hrdlicka seinen 80. Geburtstag. Nach seiner Ausbildung bei Albert Paris Gütersloh, Herbert Boeckl und Fritz Wotruba zeigte seine erste Ausstellung, 1960 in der Zedlitzhalle in Wien, bereits die vollkommene Eigenständigkeit eines infolge entwickelten Werks, das kaum Berührungspunkte zur Wiener Avantgarde aufweist. Die „Leiblichkeit“, der Mensch also, ist zentrales Thema seiner Arbeiten, über die Hrdlicka gleichwohl kritische Position zu historischen, gesellschaftlichen und künstlerischen Fragen bezog. Seinen Skulpturen geht meist ein Zyklus von Zeichnungen und Graphiken voraus, die neben mehreren Bronzeplastiken einen Großteil der aktuellen Ausstellung aus der Sammlung des Weizers Diethart Arsenschek im Grazer Volkshaus ausmachen.

Ausgewählt wurden die präsentierten Werke vom Grazer Galeristen Günter Eisenhut, die Gestaltung der Ausstellung besorgten die Künstler Edgar Sorgo und Karl Grünling in respektvoller Zurückhaltung. Frühestes Exponat ist ein Januskopf in Bronze, dessen Modell Hrdlicka 1944 aus einem Gipswürfel schnitzte. „Mein erster plastischer Versuch“, entstanden während seiner Lehrzeit in einem zahntechnischen Betrieb. Maßgebliche Beispiele für sein Œuvre etwa sind mit einer großen Marsyas-Bronze (1964) vertreten. Im Mythos um den phrygischen Satyr wird diesem, nachdem er in einem musikalischen Wettstreit gegen Apollon unterliegt, die Haut bei lebendigem Leib abgezogen. Bei Hrdlicka steht Marsyas für den Inbegriff der Auflehnung gegen Autorität und Macht, aber, erläutert der Bildhauer: „Das, was Apollo Marsyas angetan hat, habe ich meinen Skulpturen angetan: sie geschunden, gehäutet, zu Tode gearbeitet.“

Die Vorzeichnung einer Radierung aus dem Zyklus „Roll over Mondrian“ entstand in der Karfreitagnacht 1966. Sie zeigt Hrdlickas opponierende Haltung zu geometrisierend gegenstandsloser Kunst indem er in Anlehnung an Piet Mondrians Rasternetze diese mit erzählenden Szenen um Folter, Mord und den Vietnamkrieg ausfüllt.

„Schon Leonardo war der Meinung, dass die Apostelrunde von Homoerotik zusammengehalten wurde“, erklärte Alfred Hrdlicka im März dieses Jahres, als die kolorierte Radierung „Lionardos Abendmahl restauriert von Pier Paolo Pasolini“ (1984) aus der Retrospektive auf das Religiöse im Werk Hrdlickas aus dem Wiener Dommuseum entfernt wurde. Die Anweisung erfolgte durch Kardinal Schönborn, nachdem fundamentalistisch christliche Kreise aus den USA protestiert hatten. Deren Einfluss wird wohl kaum bis ins Grazer Volkshaus reichen, wo auch diese Ironie wie Hommage à Leonardo und Pasolini bis zum 21. Juni sehen ist.

Alfred Hrdlicka – aus der Sammlung Arsenschek – ist im Volkshaus, Lagergasse 98a, in Graz bis zum 21. Juni 2008 zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag jeweils von 10.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstags bis 21.00 Uhr. Informationen unter T 0316 / 22 59 31

Verfasser/in:
Wenzel Mracek, Empfehlung
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+