20/11/2006
20/11/2006

ArchitekturstudentInnen deutschsprachiger Universitäten bauen in Südafrika: Das Architekturzentrum Wien zeigt bis 05.02.2007 neun Projekte, die von 2004-2006 in den Townships von Johannesburg von Studierenden errichtet wurden.

Die Räume sind von Licht durchflutet – aber menschenleer. Es sind typische Architekturphotographien. Wer wissen will, wie diese Räume im wirklichen Leben aussehen, wie sie von ihren Benutzern angenommen werden, dem helfen die für die Presse ausgewählten Bilder nicht weiter.

"Un jardin d’hiver, präsentiert. Bottom up. Bauen für eine bessere Welt" ist die aktuelle Ausstellung im Architekturzentrum Wien. Hier sind neun Projekte dokumentiert, die von deutschen und österreichischen Architekturfakultäten in Townships am Rande von Johannesburg realisiert wurden. Erst in der Ausstellung selber gibt es die aussagekräftigen Bilddokumentationen: Man sieht die weißen Studenten auf der Baustelle, die schwarze Bevölkerung während des Bauprozesses und nachher in den fertigen Gebäuden.

Die Idee, die diesen Projekten zugrunde liegt, ist relativ einfach: Architekturstudenten, die Gebäude nicht nur am Computer ersinnen, sondern einmal wirklich bauen wollen, bekommen hier eine Gelegenheit. Dabei entstehen Projekte, die von der lokalen Bevölkerung gebraucht werden. Das Motto lautet "build together, learn together".

Entstanden sind mittlerweile neun Projekte: vier Kindergärten, ein Behinderten-Tagesheim, ein Gästehaus, ein Heim für behinderte Kinder, ein Förderungszentrum für praktische Ausbildung, ein Wohnheim und Werkstätten für Menschen mit Behinderungen. Auslöser war 2003 eine Ausstellung im Architekturzentrum Wien, in der die Arbeiten des Rural Studios zu sehen waren. Samuel Mockbee, Professor an der Auburn Universität, hatte Anfang der 90er Jahre begonnen, mit Studenten Gebäude für und mit der sozial schwachen Landbevölkerung zu entwickeln und zu bauen. Im Zuge der von Mockbee und seinem Rural Studio gezeigten Arbeiten forderte Dietmar Steiner die Wiener Architekturfakultät auf, über ähnliche Aktivitäten nachzudenken und fand bei dem Grünenpolitiker Christoph Chorherr Gehör. Dieser gründete 2004 die Non-Profit Organisation sarch (social sustainable architecture), die seit dem als Schirmherr und Organisationsplattform für derartige Projekte in Südafrika agiert. Es gehe nicht um Entwicklungshilfe, betont Chorherr, sondern darum, gemeinsam zu bauen, gemeinsam zu lernen und gleichzeitig in Europa ein realistischeres Afrikabild zu verbreiten: "Die Studenten kommen zurück und erzählen von ihren Eindrücken aus den Townships."

2004 fuhr die erste Gruppe der TU Wien nach Johannesburg, um in dem Township "Orangefarm" ein Gästehaus und ein Behinderten-Tagesheim zu bauen. Inzwischen haben die Technische Hochschule Graz, die Architekturfakultät der Uni Innsbruck, die RWTH Aachen, die Kunstuniversität Linz sowie die Fachhochschule Kuchl ebenfalls derartige Projekte durchgeführt.

Beabsichtig ist ein "Lernprozess auf beiden Seiten". Für die Studenten ist dieser sicherlich sehr ergiebig: Sie müssen vom Entwurf bis zur Projektabwicklung und Ausführung alles selbst in die Hand nehmen. Sogar Sponsoren – nach dem Vorbild des amerikanischen Rural Studios - müssen sie auftreiben. Zudem sind die Planungs- und Ausführungszeiten knapp bemessen. Die meisten, der bis jetzt realisierten Bauten wurden in nur 12 bis 14 Wochen geplant und innerhalb von fünf bis sechs Wochen gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung realisiert. Gebaut wird mit vor Ort vorhandenen Materialien. Die gewählte Konstruktion ist deshalb meist eine Holzständerbauweise, als Wandverkleidungen werden Sperrholz, Trapezblech oder Lehmziegel verwendet. Wie der Lerneffekt allerdings bei der lokalen Bevölkerung aussieht, ist fraglich. "Es ist ein Ziel, das auch Fähigkeiten vermittelt werden", betont Christoph Chorherr. "Dies wird jedoch gebremst durch den Entwurfsenthusiasmus unsere Studenten".

Ein Gebäude, das von seiner Gestaltung her schlichter und damit auch für die dortige Bevölkerung einfacher nachzubauen ist, wäre ein wichtiger nächster Schritt. AUSSTELLUNG:
Un Jardin d'Hiver präsentiert
"Bottom up. Bauen für eine bessere Welt"
9 Projekte für Johannesburg

Kurator, Ausstellungsgestatlung und Projektkoordination: Johannes Porsch

_ Veranstaltungsort:
Architekturzentrum Wien - Alte Halle
Museumsplatz 1, Wien
_ Ausstellungsdauer:
16.11.2006 - 05.02.2007
_ Öffnungszeiten:
Täglich 10.00-19.00 Uhr, Mi bis 21:00 Uhr
_ Tickets: EUR 5,00 / EUR 3,50 ermäßigt Titelbild: Kindergarten montic primary school, RWTH Aachen. Quelle: Mathews Beloyi

Verfasser/in:
Anne Isopp, Bericht
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