12/07/2017

Dossier
Wettbewerbe & Vergabe
Am 21. Juni 2017 startete GAT eine jeweils mittwochs erscheinende Artikelserie zum Thema Wettbewerbs- und Vergabewesen in der Architektur.

Wir laden alle Architektur- schaffenden und am Bauen Interessierten ein, sich am Kommentieren rund um diese Thematik zu beteiligen.

Architekt Martin Gruber nimmt in seinem Bericht Bundesvergabegesetz 2017 Stellung zum im Juni 2017 im Ministerrat beschlossenen Vergaberechtspaket.

Arch. Gruber ist Vorsitzender der Sektion Architekten der ZT-Kammer Steiermark und Kärnten und Mitglied der Bundessektion.

12/07/2017
©: Redaktion GAT GrazArchitekturTäglich

Das Bundevergabegesetz ist für ZiviltechnikerInnen essentiell. Nicht nur, dass durch dieses Gesetz definiert wird, wie und an wen die öffentliche Hand Planungsaufträge vergibt und damit die Bestbietersuche (Stichwort Architekturwettbewerb) maßgeblich gestaltet wird, sondern es bestimmt auch, wie wir ZiviltechnikerInnen öffentliche Bauaufträge auszuschreiben haben.
Anfang dieses Jahres wurde der Bundekammer der ZiviltechnikerInnen ein Dokument mit einem Gesetzesentwurf zur Begutachtung zur Verfügung gestellt.
Diese Begutachtung wurde durchgeführt und es wurde dem Bundeskanzleramt eine ausführliche Stellungnahme übermittelt. Wie den Medien zu entnehmen war, wurde das Vergaberechtspaket im Juni 2017 im Ministerrat beschlossen.
Da der Gesetzsentwurf teilweise Verschlechterungen zum Status quo darstellte, wurden Verbündete gesucht. Die Interessen der WKO und der Ziviltechnikerkammer decken sich in dieser Sache in weiten Teilen. Deshalb konnten gemeinsam wesentliche Verbesserungen in Bezug auf den Erstentwurf erreicht werden.
Während im Erstentwurf bezüglich des Bestangebotprinzips für geistige Dienstleistungen Einschränkungen vorgenommen wurden, konnte erreicht werden, dass die geistigen Dienstleistungen nunmehr wieder in die Aufzählung für das verpflichtende Bestbieterprinzip aufgenommen wurden.
Nach wie vor auf Verbesserung hoffe ich in Hinsicht auf die Zusammenrechnungspflicht bei der Auftragsvergabe. Dieses Zusammenrechnungsgebot ist für uns ZiviltechnikerInnen insofern problematisch, als dass zur Errechnung des Schwellenwertes bei der Vergabe nicht nur ALLE Planungsleistungen aller Fachplaner, sondern auch Beratungskosten, Rechtskosten etc. zusammengezählt werden müssen. Dies bewirkt, dass der Oberschellenbereich auch schon bei kleineren Bauvorhaben erreicht werden wird und EU weit ausgeschrieben werden muss. Es liegt nahe, dass vergebende Stellen kreativ sein werden, um nicht für jedes Projekt einen EU weiten Architektur- oder Generalplanerwettbewerb durchführen zu müssen.
Auf diese Verbesserung wird zusammen mit der WKO hingearbeitet werden.

Eine Verbesserung in Bezug auf den Erstentwurf konnte auch bezüglich der Preisangemessenheit von Angeboten erreicht werden. Ursprünglich war vorgesehen, dass Auftraggeber, die dem BVerG unterliegen, verpflichtet waren, Aufträge auch an Bieter mit nicht angemessenen Angeboten zu vergeben, wenn sie dies argumentieren können. Dies wurde in der Überarbeitung dahingehend geändert, als dass diese betriebswirtschaftliche Erklärung rein projektbezogen sein muss, und z.B. nicht lauten kann, dass man sich durch ein Projekt Referenzen erwirbt und dadurch künftig bessere Auftragschancen habe. Ebenso gibt es eine prozentmäßige Differenzschwelle zum günstigsten Angebot, ab der ein Angebot vertieft geprüft werden muss.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Bemühungen der Bundeskammer gefruchtet haben und eine Verschlechterung in weiten Teilen vermieden werden konnte.

Johannes Zeininger

... zum Vergaberecht grundsätzliche Anmerkungen aus der Position der Berufsgruppe der geistig Dienstleistenden.
Seit Bestehen der IG-architektur wird die Stellung von geistigen Leistungen im volkswirtschaftlichen Kontext einer Wissensgesellschaft diskutiert und kommentiert. Die aktuelle wirtschaftpolitische Diskussion zur Abwägung von Billigstbieter- und Bestbieterprinzip in der Sach- und Dienstleistungsproduktion ist aus dieser Sicht vor allem eine medial interessenspolitische der beteiligten Gruppen.
Durch die letzten Novellierungen des Vergabegesetztes wird die Abgrenzung zwischen Billigst- und Bestbieterprinzip aufgeweicht. Dabei wird argumentiert, dass Leistungen, die bereits bisher zum Ausschreibungszeitpunkt bis ins letzte Detail durch Zulassungskriterien, Vorbemerkungen, zwingend zu erfüllende Qualitätskriterien und konkrete positionsweise Leistungsbeschreibungen definiert werden können, nicht nach dem Billigstpreisprinzip ausgeschrieben werden können. Realpolitische Themen, wie Preisdumping, Sozialbetrug, freier Wett-bewerb ohne Rücksicht auf regionale oder branchenspezifisch Bestandssituationen lassen nach dem Bestbieterprinzip auch für diese Leistungen rufen. Was dabei nicht erwähnt wird, ist, dass all diese un-erwünschten Folgeerscheinungen genau so durch entsprechende Vorbedingungen in Leistungsbe-schreibungen verbindlich aufgenommen werden können. Bei entsprechender Prüfung sind solche Kriterien für die Zulassung oder Ausscheidung von Angeboten zu bewerten und führen zu klaren Ergebnissen. Die Gesamtheit der Leistung kann dabei zum Zeitpunkt der Beauftragung im vollen, inhaltlichen Umfang definiert werden. Damit ist die billigste Bieterin, die sämtliche Vorgaben erfüllt, auch mit dem Zuschlag zu versehen.
Ein Bestbieterprinzip in diesem Kontext würde argumentieren, dass bei Sach- und Dienstleistungen die Anbote eigentlich nicht direkt verglichen werden können und nur bei juryartigen Verhandlungen, eine Bestbieterin auserkoren werden kann. Dabei entsteht viel Spielraum für Interpretationen und Einflussnahmen, die bei exakt beschriebenen Leistungsanforderungen nicht notwendig sind. Als gelernte Marktteilnehmerinnen wissen wir, wie gewichtige Wettbewerberinnen sich in diesem Umfeld besonders gut ins Licht zu rücken verstehen und diesen Vorteil zu nutzen wissen.
Es ist daher eine klare inhaltliche Trennung von Bestbieter- und Billigstbieterprinzip, begründet durch die jeweilige Aufgabenstellung, weiterhin anzustreben.
• ist die zu erbringende Leistung und deren Rahmenbedingungen zum Zeitpunkt der Beauftragung klar definierbar - Billigstbieterprinzip.
• ist die zu erbringende Leistung zum Zeitpunkt der Beauftragung noch nicht als konkretes Produkt definierbar - Bestbieterprinzip.
Es wird aus Sicht von geistigen Dienstleistungsunternehmen daher die aktuelle Diskussion zum sozial- und wirtschaftspolitischen Nutzen des Bestbieterprinzips in die falsche Richtung geführt. Die knapp verteidigte generelle Beibehaltung des Bestbieterprinzips für geistige Dienstleistungen ist aus dieser Perspektive als kleiner abwehrerfolg in einer generellen Strategie der Öffnung der Vergaberegimes zu sehen.
LG Johannes Zeininger

Mi. 19/07/2017 3:54 Permalink
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+