11/01/2010
11/01/2010

Das Parlament und sein Umbau

Seit dem Jahr 2001 wird überlegt, wie der Sitzungssaal des Nationalrats saniert, umgebaut, neu gestaltet werden könnte. Im Dezember 2009 wurde die Erstellung eines Generalnutzungsplanes empfohlen. Eine Raum-Odyssee.

Das Linzer Architekturbüro Heidl gewann mit seinen Plänen zum Umbau des Nationalratssitzungssaales im ersten Halbjahr 2008 einen international ausgeschriebenen Architekturwettbewerb. Einstimmig wurde der Entwurf von einer zehnköpfigen Jury unter Vorsitz von Boris Podrecca ausgewählt. Damals wurden die Aufnahmen der Bauarbeiten für die zweite Hälfte des Jahres 2010 in Aussicht gestellt und man glaubte, den neuen Sitzungssaal mit Anfang 2012 beziehen zu können. Wirtschaftskrise und „Hättiwari“ sind die Gründe, weshalb die Umbaupläne derzeit auf Eis liegen.

Nach Bombentreffern im Jahr 1945 wurde der Sitzungssaal des Nationalrats im Parlamentsgebäude, entworfen von Teophil Hansen, nach Plänen der Architekten Fellerer und Wörle neu aufgebaut und 1956 fertig gestellt. Bis heute, also seit 54 Jahren, blieb der Arbeitsplatz der Bundesregierung im Stil der 50er Jahre formal unverändert. Inzwischen ist neben notwendigen medientechnischen Neuerungen und Erneuerung an Kühlung und Heizung allerdings auch die Bausubstanz arg in Mitleidenschaft gezogen: Wasserfäulnis in den Hohlräumen des Dachstuhls zerstört Decke und Wände. Die immer noch originalen Lüftungsgitter rosten und herabfallender Putz beschädigt die Glaselemente der Decke. Vorbereitungsarbeiten zu Umbau und Sanierung begannen bereits im Jahr 2001, ein Grundsatzbeschluss wurde im folgenden Jahr gefasst.

Die Umbaupläne des Architektenteams Heidl beschrieb Boris Podrecca im Oktober 2008 als „nicht allzu laut“; sie sollten vielmehr „Raum nobilitieren – aus dem Hansen keinen Invaliden machen“. Demnach sollte die Besuchergalerie in Zukunft um den Nationalratssitzungssaal herum geführt werden und die Sicht auf das Plenum von allen Seiten gegeben sein. Durchsichtige, diaphane Wände sollten künftig den Saal begrenzen. Zwei neue Aufzüge machen alle Etagen barrierefrei erreichbar, Tageslicht wäre durch eine offenere Dachkonstruktion gegeben. Ein zeitgemäßes Zuluftsystem sollte installiert und unter dem Nationalratssitzungssaal eine neue Empfangshalle errichtet werden. Die Sitzplätze der Abgeordneten wären zu erneuern und technisch aufzurüsten, damit sollte auch hier der barrierefreie Zugang gegeben sein. Das Rednerpult der Abgeordneten wäre nach dem Heidl-Entwurf mit Sichtbezug zur Regierungsbank angebracht.

„Das Projekt“, sagte Nationalratspräsidentin Barbara Prammer in einem Video vom 1. Oktober 2008, „schreitet gut voran und ich bin zuversichtlich“.

Am 16. Jänner des folgenden Jahres allerdings sieht die Sache bereits ganz anders aus. Barbara Prammer informierte in einer Präsidialkonferenz, dass der geplante Umbau aufgrund der schwierigen Wirtschaftssituation bis auf weiteres ausgesetzt wird. Fortgesetzt würden die notwendigen Instandhaltungsarbeiten, an der Notwendigkeit des Generalumbaues habe sich aber nichts geändert.

Vier Tage später, in der Nacht zum 22. Jänner 2009, sickerte Regenwasser durch die Decke auf die Bank der Grünen-Abgeordneten Albert Steinhauser, Alev Korun und Judith Schwentner, worauf sich Prammer am 7. Februar bereit erklärte, den Umbau-Stopp zurückzunehmen, nachdem auch eine überwiegende Mehrheit der Abgeordneten den Baubeginn herbei sehne. Eine Stellungnahme des Baukomitees wurde für Anfang März avisiert; Prammer schätzte die Kosten damals auf 30 Mio. Euro, „vielleicht sogar darüber“. Ein Budget allerdings müssten die Abgeordneten beschließen. Und sofort sprach sich FPÖ-Bundesparteiobmann Strache gegen einen Umbau aus. In Zeiten der Finanzkrise sei es ein völlig falsches Signal, einen „Luxus-Glaspalast“ errichten zu wollen. Er empfahl dagegen sparsame Reparaturen. „Gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise“, stellten sich die Grünen aber auf Prammers Seite, „wäre es völlig sinnlos, einen völlig unerlässlichen Umbau aufzuschieben und damit auf die Sicherung von Arbeitsplätzen zu verzichten“ (NAbg. Dieter Brosz).

9. Juli 2009 – „Die Presse“ titelt: „Baubeginn im ersten Halbjahr 2011 mit etlichen Zusatzmaßnahmen. Der Umbau soll 56,9 Mio. Euro kosten“. Gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Baukomitees, Wolfgang Großruck (ÖVP), präsentierte die Nationalratspräsidentin den vorläufigen Bau-, Finanz- und Zeitplan. Baubeginn sollte demnach im ersten Halbjahr 2011 sein, der genaue Zeitpunkt soll „in den nächsten Monaten“ entschieden werden. Es seien die ersten 36 Mio. budgetiert: 24,8 Mio. für den Sitzungssaal, 6,4 Mio für das darunter zu errichtende Besucherzentrum, „multifunktionale Kommunikationsflächen“ inklusive Fluchtstiegen und Gastronomiebereiche im Dachbereich für 8,3 Mio. Euro. Im Jahr 2013 sollte nun der neue Sitzungssaal fertig sein, in der Umbauphase werde der Parlamentsbetrieb in ein Containerdorf und in den historischen Sitzungssaal verlagert.

Soweit bis zum 4. Dezember 2009. Da wurde der geplante Umbau ein weiteres Mal „vorerst gestoppt“. Nun wird eine „Komplettsanierung“ des Parlaments überlegt und vom zuständigen Baukomitee sogar empfohlen. Ein Generalnutzungsplan muss jetzt erarbeitet werden um Folgen und Kosten abschätzen zu können. Zurück an den Start also und Wolfgang Großruck beginnt erneut zu rechnen: „Wir rechnen mit eineinhalb Jahren, was die Vorarbeiten und Ausschreibungen anbelangt“, damit dürfte auch das Siegerprojekt Heidl aus dem Jahr 2008 hinfällig, aber immerhin abschlagszahlungspflichtig sein. Was eine Generalsanierung kosten könnte, ist von nun an nicht mehr abzusehen. Die inzwischen budgetierten 70 Mio. Euro müssen neu berechnet werden, es komme darauf an, sagt Großruck, was dann wirklich gemacht werde. Ursache des neuerlichen Meinungsumschwunges war der Besuch des Schweizer Parlaments in Bern gewesen; dazu führt der Baukomitee-Leiter Großruck aus: „Dort ist uns von der Parlamentsdirektion dringend geraten worden, nicht denselben Fehler zu machen und mit einem Konzept zu bauen zu beginnen, und dann kommt das und das dazu, dann wird’s teuer und dann seid’s in der Kritik.“ Das Baukomitee empfehle jedenfalls die Erstellung eines Generalnutzungsplans, entscheiden müsse aber die Parlamentspräsidentin mit den Klubobleuten.

Für Ende Jänner hat Nationalratspräsidenten Barbara Prammer eine Klausur der Nationalratsparteien anberaumt, in der eine Entscheidung getroffen werden soll: „Ich mag nicht alle fünf Minuten wieder von vorne beginnen, dann werden wir nie ein renoviertes Haus erhalten“, sagte sie im ORF-Parlaments-Magazin „Hohes Haus“. In der Klausur sollen erneut Umfang, Zeit- und Kostenplan des Umbaus festgelegt werden.

Ein Blick auf die Biografie des Abgeordneten zum Nationalrat und Vorsitzenden des Baukomitees Wolfgang Großruck, wie sie auf der Website des Parlaments einzusehen ist:
Volksschule in Grieskirchen 1953–1957, Gymnasium in Stift Wilhering (Matura 1967), Studium der Medizin an der Universität Innsbruck 1968–1970, Pädagogische Akademie der Diözese Linz 1970–1972; Präsenzdienst 1967. Lehrer an der Polytechnischen Schule Grieskirchen 1972–1973, Geschäftsführer der Firma Gföllner, Grieskirchen 1973–1988, Landesleiter für Personenversicherung bei der Wiener Allianz Lebensversicherungs-AG, Landesdirektion Oberösterreich 1988–1995. Mitglied des Gemeinderates von Grieskirchen seit 1973, Vizebürgermeister von Grieskirchen 1985–1996, Bürgermeister von Grieskirchen seit 1996, Stadtparteiobmann der ÖVP Grieskirchen, Bezirksparteiobmann der ÖVP Grieskirchen, Mitglied des Landesparteivorstandes der ÖVP Oberösterreich, Mitglied des Landesvorstandes des ÖAAB Oberösterreich, Kammerrat der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich 1990–1994.

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