09/02/2007
09/02/2007

OIC-Zentrum in Dschidda: ganz schön gerade Symboliken....

Der Architekt Thomas Pucher (rechts neben Spela Hudnik, Monochrome Architects, Ljubljana) präsentierte am 25.01.2007, im Rahmen der von der ZV Steiermark und Monochrome Architects organisierten Diskussionsreihe zur jungen österreichischen Architektur "AUT_discussion", im Stadtmuseum Ljubljana, den Entwurf für das OIC-Zentrum in Dschidda, Saudi Arabien und schilderte seine bisherigen Eindrücke von einer für viele MitteleuropäerInnen fremden Welt. (Anm. Red. GAT)

Der Falter Steiermark erscheint wöchentlich, jeweils am Mittwoch.

Der Grazer Architekt Thomas Pucher baut dem Islam in Saudi-Arabien ein weithin leuchtendes, globales Zentrum. (GAT berichtete; Anm.)

Das architektonische Herz des Islam ist schwarz: Die Kaaba, das zentrale Heiligtum im Hof der großen Moschee in Mekka, ist formal ein 12 mal 10 mal 15 Meter großer, mit schwarzem Brokat umhüllter Würfel. Demnächst wird der Islam ein neues gebautes Symbol bekommen, in seiner strahlenden Größe formal fast eine Antithese zur Kaaba. Der saudische König Abdullah II. will der islamischen Welt einen gewaltigen Leuchtturm schenken, der sich mitten in der saudischen Millionenstadt Dschidda, umgeben von einer blühenden Oase und einer ausgedehnten Dünenlandschaft, 160 Meter hoch in den Himmel erheben soll. Als neues Zentrum der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC), die als Gegenpol zur UNO geschaffen wurde und heute mit 57 Mitgliedern die weltweit mit Abstand wichtigste Organisation islamisch geprägter Staaten darstellt. Erdacht wurde dieses "globale Zeichen und Lichtsymbol für die ganze Welt" in einem Loft an der Grazer Peripherie.

Der Boden des Ateliers von Thomas Pucher, direkt über einem türkischen Lokal gelegen, ist übersät mit Modellen: Ein riesiges Konferenzzentrum für Madrid, das Pucher gerade bei einem Wettbewerb eingereicht hat, steht neben dem Modell eines Appartementhauses, das aussieht, als wären einfach acht Villen übereinander geschichtet worden. Diese Idee hat den Investoren im estnischen Tartu so gut gefallen, dass sie im März realisiert wird. In einem anderen Winkel des sonnendurchfluteten Raumes steht ein weiterer Vorbote eines Projekts, das auf das Wohlgefallen von Investoren gestoßen ist: ein zwei Meter großes Modell des Turms, mit dem Pucher letztes Jahr das saudische Königshaus begeistert hat und das auf seltsame Weise an eine etwas zu große Stehlampe erinnert, wie man sie in schicken Designerboutiquen findet. Den Wettbewerb zum neuen OIC-Zentrum hat Pucher vergangenen Juni gewonnen, in wenigen Wochen werden in Dschidda die letzten Verträge unterzeichnet, dann geht's los. Bausumme: 92 Millionen Dollar.

Pucher ist also gut im Geschäft. Auch wenn es vor zwei Jahren, als er das von ihm mit gegründete Büro LOVE verlassen hat, noch gar nicht danach aussah. "Ich habe damals überhaupt kein Projekt gehabt, ich wollte einfach wissen, was in mir drinsteckt, wenn ich alleine arbeite. Eigentlich wollte ich eine Auszeit", sagt Pucher. Aus der Auszeit ist nichts geworden. In rasanter Folge hat Pucher, manchmal gemeinsam mit dem Architekten Alfred Bramberger, bei internationalen Wettbewerben eingereicht (Internationaler Wettbewerb für das OIC Headquarter im Königreich Saudi-Arabien, Wohnbauwettbewerb in Tartu, Estland; Anm. der Red. GAT). "Je weiter ein Projekt weg war, desto interessanter war es. Noch ein Einkaufszentrum oder den 24. Bürobau in Graz zu machen - das war keine Herausforderung mehr." Für Südkorea hat Pucher eine "globale Stadt" für eine halbe Million Einwohner aus der Hand geschüttelt und ist auf Anhieb auf dem zweiten Platz gelandet, sein lichter Entwurf für das estnische Nationalmuseum hat ihm einen dritten Platz - und eine Einladung für den Wohnbau in Tartu - eingetragen und mit dem Projekt einer Wachkomastation in Mariahof hat sich Pucher auch erstmals auf ethisch schwieriges Terrain gewagt. "Ich weiß bis heute nicht, ob es gescheit ist, so etwas zu bauen", sagt er zum Plan eines privaten Investors, dessen eigener Sohn im Wachkoma lag und schließlich gestorben ist.

Bedenken, dem Islam in der absoluten Monarchie Saudi-Arabien, wo Homosexualität mit Peitsche und Drogenhandel mit Todesstrafe bedroht sind, ein strahlendes Symbol zu setzen, hatte Pucher jedenfalls keine. "Die OIC werden wir mit dem Bau nicht reformieren. Unser zentrales Thema war das Licht. Was da strahlt, müssen sie selbst herausfinden." Im Vordergrund standen formale Überlegungen: "Als ich die Ausschreibung das erste Mal gelesen habe, habe ich mir gleich gedacht: ein Hochhaus." Pucher hat sich stapelweise Bücher über den Islam besorgt, online recherchiert und den Baugrund über "Google Earth" inspiziert. "Und", sagt Pucher, "es war klar, dass die Auftraggeber ein Symbol wollten", ein Zeichen, das auch im Vergleich zum UNO-Hauptquartier in New York, an dem auch Le Corbusier mitgewirkt hatte, bestehen musste. Dieses Symbol hat Pucher in einem leuchtenden Turm in einem blühenden Garten gefunden, streng symmetrisch arrangiert auf 40.000 Quadratmetern. Der Turm, im Kern ausgeführt aus Beton und umhüllt von einer Membran, die ursprünglich an Zeltgewebe erinnern sollte, dient als Bürogebäude, die Konferenzräume sind unterirdisch angelegt, den Übergang zum Turm bildet ein 26 Meter hoher, gewölbter Empfangsraum, im Ausmaß der Kuppel der Hagia Sophia. "Wir haben damit einen ,islamic spirit' getroffen", versucht Pucher die Wettbewerbsentscheidung zu seinen Gunsten zu verstehen. "Die einen sehen darin einen Leuchtturm, die anderen ein Minarett, wieder andere erinnert die Membran an die Wicklung eines Turbans. Es ist völlig selbsterklärend."

Zwischen Wettbewerb und Auftrag lag dann aber doch noch ein schönes Stück Erklärungsarbeit. Zunächst holte OIC-General Ekmeleddin Ihsanoglu den Architekten in sein Büro nach Istanbul, um Änderungen zu besprechen. Eine Woche darauf wurde er nach Dschidda gerufen und staunte nicht schlecht, als er plötzlich an einem Tisch mit dem saudischen Außenminister und Thronanwärter Prinz Saud al Faisal und anderen Regierungsmitgliedern saß. Pucher schlug damals neun Monate Planung vor, da lachten die Scheichs, die 2009 zum vierzigsten Geburtstag der OIC einziehen wollten. "Neun Monate braucht man bei uns für ein Kind", haben sie Pucher erklärt. Das entscheidende Gespräch fand dann im Oktober in Beverly Hills statt, in der im italienischen Stil ausgeführten Villa des Außenministers hoch über Los Angeles. Saud al Faisal kam zur Audienz im braunen Frottee-Pyjama, erinnert sich Pucher. "I'm sorry, but that's L.A.", begrüßte der Prinz den Architekten, erzählte zehn Minuten lang von einem Graz-Besuch in seiner Kindheit, als ihn seine Mutter wegen eines Nasenhöhlen-Problems zu einem Spezialisten nach Österreich geschickt hatte, und ließ sich dann vier Minuten lang erneut das Projekt schildern. Schließlich besuchte vor Weihnachten auch noch eine saudische Delegation Puchers Loft in Graz. Jetzt müssen nur mehr die Verträge unterzeichnet werden, damit endlich mit dem Bau begonnen werden kann. "Dazwischen", sagt Pucher, " war oft monatelang Funkstille".

Die Änderungen, die Pucher am Erstentwurf vornehmen musste, waren minimal. Vor allem die Membran erinnerte die Scheichs zu sehr an Zelte und damit an Beduinen. Das wollten sie nicht. Der Turm wird daher mit einem goldlackierten Metallgewebe umwickelt. Und der Garten musste auf eine Oase rund um den Turm verkleinert werden, die Bewässerungskosten wären zu hoch gewesen. Die übrige Fläche füllt jetzt eine Dünenlandschaft. Leuchtturm, Oase, Wüste - Pucher kann verstehen, dass Kritiker das ein wenig kitschig finden: "Aus den ganz geraden Symboliken schöpfen wir schon sehr direkt. Aber das muss man auch, sonst versteht es niemand. Wir wollen das Herz der Menschen öffnen."

Der Falter Steiermark erscheint wöchentlich, jeweils am Mittwoch.

Verfasser/in:
Thomas Wolkinger; Artikel erschienen im Falter 6/07 Steiermark, am 07.02.2007
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