07/02/2007
07/02/2007

DI Michael Redik, seit 2005 Leiter des Grazer Stadtplanungsamtes und in dieser Funktion maßgeblich beteiligt an der Entwicklung und derzeit laufenden Umsetzung des Grazer Modells.

DI Michael Redik ist seit nunmehr zwei Jahren Leiter des Grazer Stadtplanungsamtes und einer der Hauptunterstützer und Mitentwickler des Grazer Modells. GAT hat mehrfach über das Grazer Modell berichtet und traf ihn zu einem Gespräch, um zu erfahren wie es mit der Umsetzung steht.

DI Michael Redik – MR
Susanne Baumann-Cox – GAT

GAT: Es ist nun etwa ein Jahr her, dass mit der Entwicklung des Grazer Modells begonnen wurde. Diese wurde im Herbst 2006 abgeschlossen, das Modell angenommen, wie sieht es nun mit der Umsetzung aus?

MR: Das Grazer Projekt besteht aus 4 Säulen, die aufgrund ihrer Natur unterschiedlich schnell und zu unterschiedlichen Zeitpunkten umgesetzt werden. Drei Bausteine, Projekttisch, Wettbewerbe und Bebauungsleitlinien sind zur Umsetzung bereit. Das Stadtforum ist erst genau auszudefinieren und benötigt sicher noch mehr Zeit.

GAT: Die Bebauungsleitlinien werden bereits umgesetzt?

MR: Ja und für uns sind sie auch am wichtigsten, weil sie im überwiegenden Wirkungsbereich der Stadtplanung liegen. Die anderen Bausteine des Grazer Modells laufen auch über andere Abteilungen. Für die Bebauungsleitlinien zeichnen wir praktisch allein verantwortlich. Wir haben versucht uns dem Thema durch interdisziplinäre Planung zu nähern. Begonnen wurde 2005 mit einem Projekt in Liebenau, in einem Einfamilienhausgebiet, aber durchaus auch an der Grenze zu einem großen Gewerbegebiet. Dann folgte im letzten Jahr ein Projekt in Gösting, das vor der Fertigstellung steht und wo es um die Umstrukturierung eines Gebietes im Zusammenhang mit der Verkehrsinfrastruktur geht, ein Nahverkehrsknoten. Straßenbahnverlängerung, Bushaltestellen neu, das hat für dieses Gebiet natürlich Auswirkungen. Das dritte Projekt wird Schwerpunkt des Jahres 2007 sein – Webling, das heißt der Bereich im Süden von Graz, bis Stadtgrenze, Seiersberg und Feldkirchen. Und da auch schon mit dem Wunsch, das mit den Nachbargemeinden gemeinsam weiter zu entwickeln.

Das Grazer Modell wird also unterschiedlich schnell und intensiv umgesetzt. Es wird nach einem Jahr, also entweder Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres eine Evaluierung geben und dann wird man schauen, ob man nachjustieren muss, oder ob es so funktioniert.

GAT: Haben Sie das Gefühl, dass Sie da von allen Seiten Unterstützung haben, oder gibt es jetzt schon Leute, die blockieren?

MR: Bislang haben wir noch keinen Widerstand. Wir sind aber auch erst noch in der Projektvorbereitung, kurz vor der Umsetzung. Ich denke, die Widerstände werden im Bereich der Umsetzungsphase eher kommen als jetzt, wo das noch eher ein theoretisches Konzept ist.

GAT: Viele empfinden das Grazer Modell als etwas, das nach Harmoniesucht aussieht.
Man scheint mit Wirtschaft und Investoren auf Kuschelkurs zu gehen. Wie steht es um die Qualität? Kann man die Menschen entsprechend begleiten? Wie kann man sicherstellen, dass die architektonische und stadtplanerische Qualität nicht zu kurz kommt? Auch die Hochhaus-Projekte sind ein sensibles Thema. In Graz gibt es diesbezüglich sicher Einiges aufzuholen. Eines Ihrer Ziele ist es, das Sie das Profil der Stadt hier erneuern und interessanter gestalten wollen. Und in diesem Zusammenhang sind Wettbewerbe bzw. begleitende Aufklärungsmaßnahmen für Investoren sicherlich unabdingbar.

MR: Auf alle Fälle. Das ist jedoch nicht nur mein Ziel, sondern ein langfristig vorbereitetes Ziel der Stadtplanung. Die Vorarbeiten, das räumliche Leitbild, das letzte Stadtentwicklungskonzept, ist noch vor meiner Zeit passiert. Das heißt, alles ist fachlich sehr gut und lange vorbereitet worden. Wir wissen jetzt, wo die Standorte für die Hochhäuser in Graz sind und haben bereits vor zirka einem Jahr in einem kleinen Pressegespräch die Vorbereitungsarbeiten präsentiert. Wir bewegen uns also schon seit einiger Zeit in diese Richtung. Da Hochhäuser aber besondere gestalterische und städteplanerische Aspekte zum Inhalt haben, haben wir für diese Standorte eine Bebauungsplanungspflicht verhängt. Das ist ein längeres Verfahren mit Gemeinderatsbeschlüssen, Genehmigung durch das Land, das letztes Jahr abgeschlossen worden ist. Wo Hochhäuser jetzt errichtet werden können, haben wir das Planungsinstrument des Bebauungsplanes vorgeschaltet.

GAT: Und sind diese Projekte nicht auch ideal, um sie mithilfe des Grazer Modells umzusetzen? Wäre es konsequent umgesetzt nicht auch ein Instrument, um Probleme, wie sie jetzt im Amt aufgetreten sind, zu vermeiden und komplexe Abläufe transparenter und schlanker zu gestalten?

MR: Richtig, es geht mir auch um Transparenz. Es ist im Interesse aller Beteiligten – der Verwaltung, der Investoren, der Bürger – dass solche Dinge transparent laufen und das Grazer Modell ist natürlich ein Baustein in genau diese Richtung: Wettbewerbe, Leitlinien, das Stadtforum. Letztendlich auch der Projekttisch, über den wir noch nicht gesprochen haben, der vierte Baustein des Grazer Modells. Das heißt, dass die Betroffenen (alle zuständigen Ämter, Anm.) an einem Tisch sitzen und vom Investor Auskunft über so ein Projekt bekommen, aber auch gleich Gegenauskunft geben und die Rahmenbedingungen besprechen. Alle Positionen, Stadtplanung, Grünraumplanung, Verkehrsplanung etc. werden dargestellt.

GAT: Ist das Modell denn schon straff genug? Der Projekttisch zum Beispiel müsste doch konsequent regelmäßig tagen. Wie kann man sicherstellen, dass mehr passiert als nur ein Austausch?

MR: Der Projekttisch wird einmal im Monat mit einer Sommerpause tagen. Derzeit wird der erste vorbereitet, und es wird eine Liste mit den Terminen des ganzen Jahres bekannt gegeben. Der Ablauf und wer dabei ist, ist im Wesentlichen geklärt. Es sind Einreichfristen vorgesehen und auch die Form der Einreichungen ist definiert. Wir wollen keine fertigen Projekte haben, denn das ist im Ablauf zu spät, wir wollen Vorentwürfe, die dann begleitet werden und in eine für alle Seiten positive Richtung entwickelt werden sollen. Das ist sehr straff vorgesehen, wie gesagt, einmal im Monat, mit 14 Tagen Vorlaufzeit.

GAT: Und wie viel Personen sitzen an diesem Tisch?

MR: Vorab wird geprüft, wer für ein solches Projekt erforderlich ist. Immer dabei sind die Baudirektion und die Stadtplanung, sowie die Bau- und Anlagenbehörde, wahrscheinlich zumeist auch Verkehrsplanung und Grünraumplanung. Mann muss auch schauen, gibt es dort vielleicht irgendwelche Lärm- oder Umweltprobleme? Dann wird man das Umweltamt dazu holen. Gibt es hohe gestalterische Probleme, befinden wir uns in einer Schutzzone, dann werden wir die ASVK einladen, evtl. auch das Bundesdenkmalamt. Es soll wirklich projektsspezifisch sein, damit nicht zu viele an einem Tisch sind und die Hälfte der Anwesenden gar nicht zuständig ist.

GAT: Entsprechendes Engagement erfordert ja auch eine hohe Identifikation. Was sind die zeitlichen Umsetzungsziele für ein durchschnittliches Projekt?

MR: Das kann ich sehr schwer abschätzen, weil es ja wirklich dann auch davon abhängt, wie viel Planungsschritte noch erforderlich sind. Der Projekttisch wird abklären: Wo gibt es Probleme, wo sind vielleicht noch Planungen erforderlich? Und dann ist die Frage: Wie schnell sind diese machbar?

GAT: Wie kann man denn nun wirklich verhindern, dass Projekte in diesem komplexen Prozessablauf nicht auf halber Strecke stecken bleiben?

MR: Das kann immer passieren, wobei das Steckenbleiben zwei Aspekte hat: Einmal, weil das Projekt nicht gut genug vorbereitet war. Das wird dann sehr oft auf die Verwaltung projiziert, aber gut vorbereitete Projekte werden verwaltungstechnisch in der Regel sehr schnell abgewickelt.
Zweitens, das Verfahren mit den Nachbarrechten. Da liegt es daran, entsprechend gründlich vorzubereiten, zu informieren und zu kommunizieren. Das sind die Punkte, die dann zu längeren Projektszeiträumen führen. Die Leute in der Stadt sind viel kritischer als die Leute am Land. Das weiß ich ja von meiner vorhergehenden Tätigkeit, wo ich mit vielen Gemeinden am Land zu tun gehabt habe. Da gibt es wenige Einwände.

GAT: Sieht das Stadtplanungsamt für sich Möglichkeiten, Architekturvermittlung zu unterstützen, um die Bürger näher an Projekte wie Hochhäuser heranzuführen? Oder auch an Ihr Projekt der Innenhofgestaltung mit Bürgerbeteiligung.

MR: Das ist in unserer Öffentlichkeitsarbeit ganz sicher unsere Aufgabe und erfolgt aufgrund der Zuständigkeiten teilweise durch uns selbst. Das Innenhofprojekt läuft derzeit. Hier geht es jedoch weniger um architektonische Qualitäten als um die Nutzungsmöglichkeit solcher Innenhöfe. Ansonsten haben wir im Bereich der Bebauungsplanung auch immer die Diskussion, dass wir versuchen, zur Erstellung der Bebauungsplanung auch schon städtebauliche Wettbewerbe oder Gutachterverfahren zu bekommen. Im letzten Jahr z.B. haben wir das Messeareal selbst ausgeschrieben und ausgelobt. Ein zweiter großer Wettbewerb, der vor zwei Jahren ausgelobt wurde, war eine Großsiedlung in St. Martin. Bei kleineren Bebauungsplänen zum Beispiel laden wir mehrere Architekten ein, die uns Vorschläge machen sollen. Für den Bebauungsplan Mariatrost, ein sehr kleines Gebiet, haben wir zwei Architekten eingeladen, uns Gestaltungskonzepte vorzulegen. Dann wurde in einer kleinen Jury, wir haben auch die Kammer eingeladen, beraten, eines der beiden Konzepte ausgewählt und in einem Bebauungsplan umgesetzt.
Allerdings ist der Bebauungsplan eine sehr grobe Planung, die Qualität des konkreten Projekts selbst kann vom Bebauungsplan nur teilweise beeinflusst werden. Man kann trotz gutem Bebauungsplan auch schlecht bauen. Es mangelt uns noch an Umsetzungsmitteln, das kann man nur mit dem Antragssteller oder vielleicht auch über baukünstlerische Wettbewerbe regeln.

GAT: Wie steht es nun konkret mit den Hochhausprojekten. Gibt es Wettbewerbe?

MR: Für Hochhäuser besteht jetzt eine Bebauungsplanungspflicht und die Definition der Standorte verlief im Rahmen einer sehr schlüssigen Diskussion:
Man hat gesagt: „Wir haben schützenswerte Gebiete.“ – das ist im Wesentlichen die Innenstadt, Weltkulturerbe, Altstadtschutzgebiet, wo es nicht um neue Wahrzeichen geht. Diese sind also einmal ausgeschlossen worden. Dann haben wir gesagt: „Wo gibt es Orte, von denen man denkt, dass sie mit einem höheren Haus markiert werden sollten.“ Das sind Gebiete mit hoher Verkehrsgunst, wo es Umsteigerelationen gibt. Die Standorte befinden sich immer in einem Bereich, wo schienengebundene Verkehrsmittel sich kreuzen. Der Gürtelturm, Don Bosco, das Liebenauer Stadion, mit Straßenbahn und Ostbahnhof in unmittelbarer Nähe.
Das Instrument der Bebauungsplanungspflicht erlaubt es uns ein wenig mehr Druck auf Investoren auszuüben auch Wettbewerbe durchzuführen.

GAT: Worauf legen Sie in Ihrem Amt besonderen Wert?

Mir ist eine transparente, offene Stadtplanung, und vor allem eine in die Zukunft gerichtete Stadtplanung wichtig. Das heißt aber nicht, alles umzuschmeißen, was bisher da war. Wir sind in einer im Wesentlichen fertigen Stadt, die man noch weiterentwickelt, wo man aber auch auf die Rahmenbedingungen Rücksicht nehmen muss. Was ich mir wünsche ist einfach, dass sowohl die Bewohner der Stadt Graz als auch die Investoren möglichst klar wissen, was wo und wie etwas in der Stadt passiert.
(*) Zitat Günter Grass

Verfasser/in:
Susanne Baumann-Cox, Gespräch
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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