01/11/2008
01/11/2008

An der Außenmauer des Friedhofes klaffen bedenkliche Sprünge

Grabsteine von jüdischen Angehörigen der k.k. Armee

Eine Gedenktafel erinnert an diese Gefallenen des 1. Weltkrieges

Im herbstlichen Licht wirkt die Anlage besonders idyllisch.

Umgefallene, kaum mehr leserliche Grabsteine werden notdürftig deponiert.

Ein Mauerabschnitt an der Innenseite ist akut einsturzgefährdet.

Gerard Sonnenschein, Kurt Flecker und Anthony Scholz (von links) vereinbaren schnelle Hilfeleistung, jene vom Bund lässt auf sich warten.

Monumentale Grabanlagen scheinen die Zeiten gut überdauert zu haben …

… aber auch an ihnen finden sich mitunter Spuren von Vandalismus.

Gedenkstein für die unbekannten jüdischen Opfer aus Ungarn, die gegen Kriegsende in der Steiermark ermordet wurden.

Im neueren Abschnitt des Friedhofs finden nur mehr wenige Bestattungen statt.

Das Innere der 1991 wiedererrichteten Zeremonienhalle. Die ursprüngliche, vom Grazer Architekten Alexander Zerkowitz 1910 erbaute Zeremonienhalle wurde im November 1938 zerstört.

Mit abgelegten Steinen gedenken gläubige Juden ihrer Toten (hier ein Gedenkstein für Opfer des Zivil-Internierungslagers Thalerhof im 1. Weltkrieg).

An diesem strahlend schönen Herbstnachmittag zeigt sich der jüdische Friedhof von Graz – er ist nur wenige hundert Meter nördlich von Don Bosco direkt an der Alten Poststraße gelegen – im allerbesten Licht. Das idyllische, parkähnliche Areal, das rund 14.000 Quadratmeter umfasst, fasziniert die Besucher mit seinen gestalterisch wie historisch interessanten Gräbern, die durch ihre hebräische Beschriftung ein besonderes, man ist versucht zu sagen exotisches, Flair aufweisen.

Ein genauerer Blick zeigt jedoch rasch den traurigen Zustand des nur wenig bekannten Juwels im Südwesten der Stadt: Bei einer Begehung des Friedhofgeländes mit Kulturlandesrat Kurt Flecker, der sich auch zahlreiche Journalisten angeschlossen haben, wiesen Gerard Sonnenschein, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, und sein Stellvertreter Anthony Scholz auf den vielerorts desolaten Zustand der Anlage hin. Die Umfassungsmauer des 1865 gegründeten Friedhofs ist an vielen Stellen brüchig, an manchen Stellen klaffen schon breite Sprünge im Ziegelmauerwerk.

Im Inneren drohen etliche der verwitterten Grabsteine umzustürzen, während andere zum Teil beschädigt am Boden liegen. „Vor rund zehn Jahren wurde dankenswerterweise von Seiten des Bundesheeres und mit Hilfe von Schulklassen einiges an Aufräumarbeiten geleistet, aber inzwischen hat sich die Situation drastisch verschlechtert“, betont Scholz. Er verweist auf die im Washingtoner Abkommen von 2001 verankerte Pflicht des österreichischen Staates, diese letzten Ruhestätten zu erhalten und angemessen zu pflegen. Auch die weiteren, kleineren jüdischen Friedhöfe in der Steiermark, etwa in Bad Aussee, Judenburg, Knittelfeld, Leoben und Trautmannsdorf befinden sich, so Scholz, in einem „äußerst erbärmlichen Zustand“.

Für die anstehenden Sanierungsarbeiten hat das Land Steiermark Anfang dieses Jahres 100.000 Euro zur Verfügung gestellt, weitere 10.000 Euro sind zusätzlich von der Stadt Graz zugesichert worden. „Um eine umfassende Wiederherstellung auch der außerhalb der steirischen Landeshauptstadt liegenden jüdischen Friedhöfe zu finanzieren, fehlen aber noch rund weitere 100.000 Euro“, erklärt Gerard Sonnenschein. Die Israelische Kultusgemeinde selbst ist von diesen Dimensionen völlig überfordert, zählt sie doch in der Steiermark, Kärnten und dem Südburgenland zusammen kaum 140 Mitglieder. Nur wenige Angehörige der Verstorbenen leben vor Ort und können für die Erhaltung ihrer Gräber Sorge tragen. Das letzte Begräbnis gab es vor rund eineinhalb Jahren. Neben den Familiengräbern gibt es eine eigene Abteilung für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs sowie Gedenksteine für die Opfer des Holocaust, etwa jene Tausenden, die gegen Kriegsende von Ungarn herauf verschleppt und in der Steiermark ermordet wurden.
„Immer wieder besuchen die Nachfahren von Emigranten und Holocaustopfern aus den USA oder Israel den jüdischen Friedhof, von dieser Seite gibt es auch hin und wieder Geldspenden. Bei den rund 1.500 Gräbern müssten viele der bestehenden Steine restauriert bzw. neu beschriftet werden, um das Angedenken der Toten zu bewahren“, erzählt Sonnenschein.
„Das Land bzw. das Kulturressort haben diese finanzielle Vorleistung gerne erbracht“, stellt Flecker klar, „aber seit Jahren weigert sich der Bund, seinen Verpflichtungen nachzukommen, und das, obwohl die Landeskulturreferenten mehrfach vehement darauf gedrängt haben.“ Die bereits im Frühjahr medial angekündigte Einigung über die Kompetenzen zwischen dem Zukunftsfonds bzw. dem Entschädigungsfond der Republik Österreich scheint derweilen noch auf sich warten zu lassen.

Verfasser/in:
Josef Schiffer, Bericht
Antje de Grancy

Leider ist die Information sehr spät eingelangt: Am 3. November veranstaltet die Österreichische Gesellschaft für historische Gärten einen internationalen Kongress in Wien zum Thema "Jüdische Friedhöfe in Berlin und Wien" (Leitung: Geza Hájos).
Aus dem Programm (www.oeghg.at):
"In Deutschland sind die historischen Friedhöfe als eine Aufgabe der Gartendenkmalpflege gesetzlich anerkannt und geschützt. In Österreich wird im gesetzlichen Denkmalschutz der Bestand der historischen Grünanlagen (Parks, Gärten, etc.) nur bruchstückhaft beachtet, der Gesamtrahmen und die Grünstruktur der Friedhöfe bleiben daher völlig ausgeklammert. Hierzulande scheinen die Grabdenkmäler gleichsam „im luftleeren Raum“ zu stehen..."

So. 02/11/2008 5:41 Permalink
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+