18/04/2014

Aberglauben – Aberwissen. Welt ohne Zufall

Die Ausstellung ist bis zum 30. November 2014 im Volkskundemuseum, Paulustorgasse 11-13a, in Graz zu sehen

18/04/2014

Sujet der Ausstellung 'Aberglauben – Aberwissen. Welt ohne Zufall'

©: Volkskundemuseum

Schluckbilder', Kupferstich, 18./19. Jahrhundert

©: UMJ / N. Lackner

Gamskugel' (Bezoar), Apatit, Obersteiermark, 19. Jahrhundert

©: UMJ / N. Lackner

Segensbüchlein, Der Geistliche Schild, Mainz, 1647

©: UMJ / N. Lackner

Böses gegen Böses: Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, merkt Kuratorin Eva Kreissl im Beiheft zur Ausstellung Aberglauben – Aberwissen. Welt ohne Zufall an, war auch bei uns die Vulgärgeste der Feigenhand (mano fica) gebräuchlich. Der zwischen Zeige- und Mittelfinger geklemmte Daumen galt als Sinnbild des weiblichen Geschlechtsorgans, wurde als Spottgeste oder zum Zweck der wirkmächtigen Beleidigung gezeigt.
Andererseits wurde die Geste heimlich gemacht, wenn etwa die eigenen Kinder, das Vieh oder der Hof gelobt wurden, um im Moment des Lobes den bösen Blick vom Gelobten abzuwenden. Als kleines Amulett getragen, sollte die Feigenhand generell apotropäisch, Unheil abwendend, wirken.

Das Grazer Volkskundemuseum verfügt über eine umfangreiche Sammlung von Objekten aus dem 18. bis zum 20. Jahrhundert, die mit Aberglaube und Volksmagie zu assoziieren sind oder als Zauber- und Heilmittel verwendet wurden. Mit etwa 300 Objekten in zwölf Themenbereichen versucht man in der Ausstellung vorwiegend das lokale Kulturphänomen über einen Zeitraum vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart zu veranschaulichen.

Aberglaube, ein Terminus der Macht, der eigentlich immer die Außensicht auf (vermeintliches) Wissen und Praktiken gegenüber Konformismen bezeichnet, wurde von Augustinus, als superstitio für alle nicht christlichen Religionen gebraucht. Seit dem 15. Jahrhundert belegt als abergloube, stand der Begriff für den falschen, den Missglauben.
Mit dieser Ausstellung, so Eva Kreissl, möchte man vor allem dazu anregen, den Kategorisierungen von „wahr“ und „falsch“ skeptisch zu begegnen. Wenn, angesichts von Exponaten wie Freisenbeinchen, Kreuzschlüsseln oder Schluckbildern, Abwehr- und Heilmittel zunächst widersprüchlich und verworren erscheinen mögen, so liegt dem Aberglauben über gewisse Zusammenhänge eine immer wieder ersichtliche Systematik zugrunde, beispielsweise in der aus der barocken Sympathetik fortgeführten Methode, „Gleiches gegen Gleiches“ anzuwenden. Beziehungsweise dürften Auslegungen und Methoden nach Prinzipien „Wie oben, so unten“, „Wie einmal, so immer“ in Lehren des Neuplatonismus ihren Ursprung haben.

Bemerkenswert – und in der Ausstellung plausibel dargelegt – ist, dass Teile solchen Parallelglaubens sich aus den kanonisierten Formen der Religion entwickelten, also im eigentlichen Sinn als abergläubisch verstanden werden: Heilige Längen etwa sind Papier- oder Textilstreifen in der „Länge“ diverser Heiliger, die mit Gebeten und Abbildungen bedruckt sind. Zur Erleichterung einer Geburt, zum Schutz vor Zauber und Krankheiten wurden die Längen als Amulette am Körper getragen. Magische Heilpraktiken, wiederum auf die Lebensgeschichte von Heiligen rekurrierend, waren mit Opferringen verbunden. Binden und Lösen wird auf die Gebete des Hl. Leonhard zurückgeführt, die bewirkten, dass Gefangene von ihren Ketten befreit wurden. Der Opferring aus gedrehtem Eisen wurde bei Kopfschmerzen aufgesetzt, damit der Altar umrundet und der Ring als Votivgabe hinterlassen. Man war von seinen Schmerzen entbunden. Was es mit solchen Dingen und Praktiken auf sich hat, davon erzählt an mehreren Hörstationen der Schriftsteller Bodo Hell.

Aberglauben – Aberwissen beleuchtet aber auch gegenwärtige Phänomene wie die Suche nach den richtigen Lottozahlen, Freundschaftsbänder von Jugendlichen oder den zum Jahreswechsel verschenkten Glücksbringer. Um den bisherigen Sammlungsbestand zu ergänzen, erstellt das Landesmuseum Joanneum außerdem eine Datenbank, in der Bilder und Erzählungen von Ausstellungsbesuchern anonym verzeichnet werden.

Wer’s glaubt, darf sich im Volkskundemuseum umfassend geschützt (vielleicht versichert?) fühlen.

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