21/12/2005
21/12/2005

Der Falter Steiermark erscheint wöchentlich, jeweils am Mittwoch.

Qualität in der Architektur soll zur Grazer Marke werden. Foto: Max Wegscheidler

Nachdem die Debatte um einen Gestaltungsbeirat in Graz im Sommer auf Eis gelegt wurde, ist nun wieder Bewegung in die Sache gekommen.

Ankunft in der Kulturhauptstadt. Nicht nur für Stadttouristen kann die Bekanntschaft mit der Peripherie von Graz zur herben Enttäuschung werdenn; auch die Lebensqualität der dortigen Bewohner leidet. Mangelnde öffentliche Orte und fehlendes Grün ebenso wie auf den Individualverkehr zugeschnittene Straßenräume lassen die Bevölkerung wochenends regelmäßig aus der Stadt fliehen; andere ziehen ins Umland von Graz, wodurch sich die Problematik der Zersiedelung nur verstärkt.
Fest steht: Die Peripherie von Graz ist heute das am stärksten wachsende Gebiet der Stadt. Gleichzeitig gibt es dort aber auch die geringsten Auflagen für Bebauungen. "Die Käseglocke über der Altstadt reicht nicht", meint Kai-Uwe Hoffer von der Stadtbaudirektion Graz in Anspielung auf die strengen denkmalpflegerischen Bestimmungen in der Innenstadt. In der Vorstadt fehle ein wirksames Instrument zur Sicherung gestalterischer Qualität, da Bebauungspläne diese nur ungenügend vorgeben könnten. Die Stadtbaudirektion wurde aus diesem Grund mit der Erstellung einer Studie zur Einrichtung eines so genannten Gestaltungsbeirats in Graz beauftragt. Ein solches Gremium setzt sich in der Regel aus einer Anzahl nicht ortsansässiger Experten aus dem Bereich der Architektur und Stadtplanung zusammen, beurteilt Bauvorhaben bereits in einem frühen Entwicklungsstadium nach ihrer gestalterischen Qualität und kann Projekte im Zweifelsfall auch zurückweisen. Beiräte dieser Art wurden bereits in Städten wie Salzburg, Linz, Krems oder Feldkirch erfolgreich installiert und mittlerweile werden deren Vorschläge auch in einigen deutschen Städten umgesetzt.
In Graz war die Debatte um den Gestaltungsbeirat zuletzt ins Stocken geraten, obwohl bereits Geld für einen einjährigen Probelauf des Beirats vorgesehen war. "Die Politik muss auf jeden Fall dahinterstehen", weiß Franz Xaver Goldner, ehemaliger Stadtbaudirektor von Linz und Mitinitiator des Linzer Gestaltungsbeirats, aus eigener Erfahrung. Da Urteile des Beirats rechtlich nicht bindend sind, stütze sich seine Durchsetzungskraft auf den Rückhalt durch Politik und Öffentlichkeit. In Linz würde die Genehmigung von Bauvorhaben nunmehr transparent durchgeführt und medial ständig begleitet; der Beirat habe ein hohes öffentliches Ansehen und sei deshalb "nicht mehr wegzudenken".
In Salzburg habe die Einrichtung des Beirats darüber hinaus zu einer Halbierung der Planungs- und Genehmigungszeit bei Bauvorhaben beigetragen, berichtet der dortige Stadtrat Johann Padutsch. Dies sei vor allem auf die hohe Zahl der durch den Beirat initiierten Wettbewerbe zurückzuführen, die Bauträgern auch eine verbesserte Planungssicherheit durch frühzeitig festgelegte behördliche Rahmenbedingungen bieten. Gerald Gollenz, Vertreter der Bauträger in der Wirtschaftskammer Steiermark, erwartet sich dennoch keine Zeitersparnis durch einen Gestaltungsbeirat, dessen Tätigkeit in Graz durch die Stadtplanung ohnehin abgedeckt sei: "Noch eine Stelle, die Projekte prüfen soll, bringt genau das Gegenteil einer Verfahrensbeschleunigung." Ein Argument, das Franz Goldner auch aus Linzer Erfahrungen kennt und durchaus gelten lässt, da die Ablehnung von Projekten durch den Beirat tatsächlich zu Verzögerungen führen kann. Goldner verweist jedoch zugleich auf qualitative Verbesserungen, die sich durch eine gründliche Prüfung von Projekten vor allem für die späteren Nutzer erreichen lassen: "Nachdenken lohnt sich."
Eine offene Diskussion über den Gestaltungsbeirat steht aus, stattdessen werden Ängste von unterschiedlicher Seite geschürt", beschreibt Hoffer den Stand der Dinge in Graz nach Abschluss der Studie der Stadtbaudirektion, "die Politik ist aufgefordert, den Diskussionsprozess wieder in Gang zu bringen." Der Auftraggeber der Studie, Planungsstadtrat Gerhard Rüsch, sieht die Angelegenheit heute jedenfalls komplexer und betont, dass für Graz alternative Lösungen gefunden werden müssten: "Der Gestaltungsbeirat ist kein Allheilmittel.“
Gespräche dazu führte Rüsch zuletzt sowohl mit Vertretern der Wirtschaftskammer als auch mit der Plattform Architektur, der Vereinigung aller Grazer Architekturinstitutionen. Mit Letzterer wurde am vergangenen Freitag ein Vierpunkteplan konzipiert, der die Stärkung der Wettbewerbskultur, die Einrichtung eines "Projekttisches" zur frühzeitigen behördlichen und gestalterischen Vorbegutachtung von Bauvorhaben, die Erstellung eines flächendeckenden Bebauungsplanes für Graz sowie ein interdisziplinär besetztes "Stadtforum" vorsieht, das sich mit längerfristigen städteplanerischen Entwicklungen für Graz befassen soll. Rechts- und Planungssicherheit für Bauträger sollen demnach vor allem durch das Attraktiv machen von Wettbewerben bei gleichzeitig klarer Ausrichtung von Bauvorhaben auf gestalterische Qualität erreicht werden. Ob diese Maßnahmen in Summe nicht einem klassischen Gestaltungsbeirat gleichkämen? Stadtrat Rüsch verneint und verweist auf die differenzierteren Handlungsmöglichkeiten des "vierdimensionalen Ansatzes". Dieser soll in den kommenden Monaten weiterbearbeitet und noch im ersten Halbjahr 2006 im Grazer Gemeinderat beschlossen werden. Der Falter Steiermark erscheint wöchentlich, jeweils am Mittwoch.

Verfasser/in:
Fabian Wallmüller, Kommentar; erschienen im Falter Stmk. Nr. 51-52/05
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