18/07/2018

Die Vision der idealen Stadt
und die Möglichkeiten systemischer Modifikation

Broadacre City 2.0
im Buchebnersaal, Kunsthaus Muerz

Adriana Czernin
in der Galerie, Kunsthaus Muerz

Ausstellungen bis 16.09.2018

Öffnungszeiten
Do - Sa: 10:00 - 18:00 Uhr
So: 10:00 - 16:00 Uhr

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18/07/2018

fiedler.tornquist, Broadacre City 1935-2050

©: fiedler.tornquist arch+urb

fiedler.tornquist, Broadacre City 2.0 - post-fossil im Buchebnersaal des Kunsthauses Muerz

©: Wenzel Mraček

Adriana Czernin in der Galerie des Kunsthauses Muerz

©: Wenzel Mraček

„Broadacre City ist nicht nur die einzige demokratische Stadt, es ist die einzig mögliche Stadt der Zukunft.“ Frank Lloyd Wright, The Disappearing City, 1932.

Prinzipiell hatte Frank Lloyd Wright das bald darauf entwickelte Konzept seiner Broadacre City schon in dem 1932 erschienen Band The Disappearing City vorgestellt. Autobahnen „verbinden und trennen“ darin Bereiche von Farmen und Fabriken, „den Straßenmarkt und die Schule im Garten, die Häuser (ein jedes auf seinem acre land, bewirtschaftet und verschönt), die Orte für Freizeit und Erholung. All diese Bereiche werden so angelegt, dass jeder zukünftige Bürger alle Arten von Produktion, Verteilung, Ausbildung und Lebensgenuss in einem Umkreis von 150 Meilen mit dem Auto oder Flugzeug schnell und einfach erreichen kann. All dies wird die großartige Stadt bilden, die unser ganzes Land einnehmen wird – die zukünftige Broadacre City!
Nach familiären und wirtschaftlichen Kalamitäten lebte Wright wieder in Taliesin (bei Spring Green, Wisconsin). Der Vater eines Studenten und späterer Auftraggeber von Fallingwater Water, Edgar Kaufmann, bot 1934 die Finanzierung einiger Modelle an, und der Architekt skizzierte eine Landaufteilung mit einer Achse von Eisenbahn und Schnellstraße, Wohnhäusern auf jeweils einem acre, kleinen Farmen, Tankstellen und Fabriken sowie Theatern, Museen und Clubs. 1934/35 dann entstand nach dieser Skizze ein 4 mal 4 Meter großes Modell, das einen Ausschnitt der Stadt zeigte.
Etwa dieser Größe entspricht auch das zentrale Modell im Kunsthaus Muerz, mit dem die Grazer Architekten und Stadtplaner Jördis Tornquist und Johannes Fiedler eine heutigen Voraussetzungen entsprechende Adaption von F. L. Wrights Vision an einem Gebiet im Süden von Graz vornehmen. Wenn das 35er-Modell eine urbane Siedlungsstruktur von relativ geringer Dichte vorsah, in dem städtische Institutionen nicht in einem Zentrum angesiedelt, vielmehr entlang eines ausgedehnten Straßen- und Eisenbahnnetzes angelegt sind, das zeitadäquat dem aufkommenden automobilen Individualverkehr und gleichermaßen industriellem Fortschritt Raum gibt, zielt die Version von Tornquist und Fiedler auf einen Zustand der Grazer Region im Jahr 2050 ab. Bis dahin sollten laut internationalem Klimaabkommen (Paris 2015) 95 Prozent der CO2-Emissionen substituiert sein. Im Wissen zwar um aktuelle Zunahme der Emissionen, argumentieren Tornquist und Fiedler angesichts ihres Modells – das in positivem Sinn eigentlich als Utopie begriffen werden muss – mit der „Lösung der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern“ und einer „post-fossilen Transformation“, verbunden mit wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Wandel. Dementsprechend deklinieren die Stadtplaner einen postfossilen Raum in Abkehr von bisherigen Standards des „Öl-Zeitalters“ durch, verbunden mit der Lösung von herkömmlichen Siedlungsgebieten, von autogerechten Anlagen des Verkehrs und Konsums.
In Zusammenarbeit mit Studierenden und Instituten der TU Wien, die fünf Teilkonzepte ausgearbeitet haben, sind an ein Referenzgebiet (Puntigam, Seiersberg, Feldkirchen) Vorschläge für Flächennutzung, Bebauung und Verkehrsorganisation angelegt, die Bevölkerungswachstum und Wirtschaftsleistung berücksichtigen und Emissionen im Jahr 2018 nicht überschreiten. Beispielsweise sind alle öffentlichen Räume so ausgelegt, „dass Gehen nicht nur möglich, sondern auch attraktiv ist“. Im Bereich von Bandstädten werden Gewerbezonen mit Quartieren für Wohnen, Handel und Kultur kombiniert. Anliegend werden vormalige Flächen mit Einfamilienhäusern nun landwirtschaftlich und für die Freizeit genutzt. Grundlegend ist ein Prinzip der „Nähe“, daher wird die Bebauung mit Infrastruktur und öffentlichem Verkehr abgestimmt.
Details haben neben anderen Arno Brugger, Jonathan Feka und Anna Karner in Anlehnung an Frank Lloyd Wright mit ihrer Studie Broadeco City ausgearbeitet, in der etwa „die Verwertung urbaner Ressourcen“ propagiert wird. Hanffaserbeton oder Holz könnten die ökologische Bilanz des Versuchsgebietes entscheidend verbessern. Co-Working-Spaces und Heimarbeit reduzieren Alltagswege.

Das Endlose im Endlichen.
Nach einer Einladung des Wiener MAK, eine großformatige Zeichnung anzulegen, fand Adriana Czernin 2014 ein in der Sammlung befindliches Tableau mit Schnitzornamenten aus dem Jahr 1296, das vom Minbar (Kanzel in der Moschee) der Ibn-Tulun-Moschee in Kairo stammt. Daraus entwickelte die 1969 in Sofia geborene und in Wien und Rettenegg lebende Künstlerin eine Serie von Zeichnungen, in der sie die Ornamente des Motivs übernimmt, variiert, nach Symmetrien sucht, dekonstruiert und in neue Konstellationen bringt.
Diese Werkserie ist nun in der Galerie des Kunsthauses Muerz zu sehen. Ausgehend vom streng ornamentalen System des als Fragment erhaltenen Originals, sind Czernins Zeichnungen nun zwar in Referenz an die Funktion des originären Relikts zu interpretieren, darüber hinaus stellt sich allerdings die Frage nach Funktion der Ornamentik im Verweis auf die islamische Tradition. Indem sie mit dem Lineal „ein neues Netz voller Beziehungen“ zwischen originaler Form und den von ihr gefundenen Variationen anlegt, löst sie – im übertragenen Sinn – tradierte Ordnungen, um neue anzulegen. Ein zeichnerisches Spiel um Regelwerk und Brüche, um freie Form im Rahmen eines übernommenen Systems.

Ausstellungen im Kunsthaus Muerz

  • Broadacre City 2.0 - postfossil.
    Konzept und Umsetzung: fiedler.tornquist.
  • Adriana Czernin.

Beide Ausstellungen sind bis 16. September 2018 zu sehen.
Kunsthaus Muerz, Wiener Straße 35, 8680 Mürzzuschlag.

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